Kathrin Grün: Sie haben als Verleger bei Piper und DuMont gearbeitet, nun sind Sie seit zweieinhalb Jahren Agent. Welche Rolle gefällt Ihnen besser?
Marcel Hartges: Ich habe es immer als ungeheures Privileg empfunden, als Verleger arbeiten zu dürfen. Wenn man seine Leidenschaft für das Lesen zum Beruf macht und dann auch noch anständig dafür
bezahlt wird, ist das ein großes Glück. Trotzdem bin ich froh über die Veränderung. Nach 24 Jahren auf der Verlagsseite ist es erfrischend, sich neu zu erfinden. Auch ist die Arbeit mit den Autoren in der Agentur sehr viel persönlicher und intensiver geworden, als es in den gelegentlich bürokratischen Zusammenhängen eines Verlages möglich war.
Was war das Erste, das Sie als Agent neu denken mussten?
Dass nicht allein die Qualität von Manuskripten entscheidend ist, sondern auch, dass die in aller Regel unter nicht leichten Bedingungen erbrachten Leistungen der Autorinnen und Autoren angemessen honoriert werden müssen. Das wusste ich vorher auch, aber es hatte zugegebenermaßen einen nachrangigen Stellenwert. Und was „angemessen“ ist, hat sich mir auch anders dargestellt. Die Angebote, die die Verlage machen, sind überwiegend und aus nachvollziehbaren Gründen kalkulatorisch getrieben, für einen Agenten rückt auch die Bedürfnislage des Autors in den Blick.
Wie hat sich Ihr Verhältnis zu den Verlagen geändert?
Das ist schwer zu sagen. Als Verleger hatte ich zu den meisten meiner Kollegen ein angenehm kompetitives Verhältnis, nun ist es komplizierter. Es gibt Verleger, die empfinden Agenten vor allem als lästig. Ich kann das bis zu einem gewissen Grad sogar nachvollziehen. Es ist leichter, dem Autor huldvoll beim Essen eine auf eine Serviette gemalte Zahl rüberzuschieben, als sich mit einem Agenten herumzuschlagen, der die kalkulatorischen Hintergründe des Büchermachens sehr genau kennt. Allgemein lässt sich sagen, Agenten sorgen dafür, dass Autoren besser bezahlt werden. Das haben die Verleger bei ausländischen Autoren früh zu akzeptieren gelernt. Dass dies nun zunehmend auch für deutsche Autoren gilt, erzeugt natürlich Reibungen. Im Großen und Ganzen habe ich zu den meisten Verlagen dennoch ein gutes Verhältnis. Der Agent treibt ja nicht nur die Preise in die Höhe, er kümmert sich auch um viele Belange des Autors, für die die Verlage keine Ressourcen haben. Das wird durchaus gewürdigt.
Wie akquirieren Sie Ihre Autorinnen und Autoren?
Das ist sehr unterschiedlich. Die meisten Autorinnen und Autoren aus der Anfangszeit kannte ich lange, bevor ich die Agentur gegründet habe. In diesen Fällen hat sich die Zusammenarbeit mit einer gewissen Selbstverständlichkeit aus dem persönlichen Vertrauen heraus ergeben. Vereinzelt habe ich Autoren angesprochen, deren Arbeit ich bewunderte und von denen ich wusste, dass sie noch keinen Agenten hatten. Inzwischen kommen viele auf mich zu, wobei ich den meisten aus Kapazitätsgründen absagen muss. Wenn ich neue Autoren annehme, muss gesichert sein, dass der Service für die vorhandenen Autoren nicht schlechter wird. Im Gegenteil, Ziel ist es, die Leistungen der Agentur zu verbessern und auszuweiten. Es geht mir nicht darum, die Anzahl der von uns vertretenen Autorinnen und Autoren zu maximieren. Das soll sich behutsam entwickeln.
Sie setzen mit Ihrer Agentur auf den Schwerpunkt Film. Wie gehen Sie das Geschäft mit den Filmrechten an?
Da ich mich immer schon mit dem Thema beschäftigt habe, hatte ich zum Start der Agentur zahlreiche Kontakte in der Branche. Aus vielen Gesprächen mit Filmschaffenden weiß ich, wie groß das Interesse an neuen Stoffen ist. Da gibt es eine Zuversicht und eine Neugier, die in der Buchbranche zuletzt etwas verloren gegangen ist.
In welchem Umfang sind Ihre Autorinnen und Autoren in den Adaptionsprozess involviert? Schreiben sie das Drehbuch selbst?
Das ist sehr unterschiedlich. Ich habe gerade einen Vertrag geschlossen, in dem der Buchautor auch das Drehbuch schreiben wird. Aber das ist eher die Ausnahme als die Regel. Die Arbeitsbedingungen für Drehbuchautoren sind in Deutschland leider so, dass sie zumindest für erfolgreiche Buchautoren nicht wirklich attraktiv sind. Ich habe aber den Eindruck, dass Bewegung in die Situation gekommen ist. Natürlich betrachte ich es auch als meine Aufgabe, an der Verbesserung solcher Rahmenbedingungen zu arbeiten.
Welchen Spielraum hat ein Drehbuchautor oder ein Produzent im Adaptionsprozess? Wieviel von der literarischen Vorlage darf gekürzt, umgeschrieben werden – ist das vertraglich festgeschrieben?
Was ich immer durchzusetzen versuche, ist, dass der Autor einen gewichtigen Einfluss auf die filmische Umsetzung behält. Sei es über einen Beratervertrag oder über bestimmte Mitspracherechte, die im Verfilmungsvertrag verankert sind. Viele Filmproduzenten werden in diesem Punkt inzwischen deutlich kooperativer, als es früher der Fall war. Der Autor kann im Idealfall ein wichtiger Faktor bei der Vermarktung eines Films sein. Es ist also nicht nur eine Frage des Respekts, sondern schlichtweg auch vernünftiger, den Film nicht komplett gegen den Willen des Autors zu entwickeln.
Welche großen Veränderungen stehen Ihrer Meinung nach im Rechtegeschäft an?
Die Verwertungsmodelle werden immer komplexer. Die Anzahl der Leser scheint seit längerer Zeit geringer zu werden, aber das Interesse an Geschichten ist unvermindert. Allein auf Bücher zu setzen, wird für Autoren immer riskanter. Filme, Hörbücher oder auch innovative Formate wie Podcasts werden definitiv an Bedeutung gewinnen.
Herr Hartges, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2018.