Qualität, Anpassungsfähigkeit und Internationalität

Die Frankfurter Buchmesse

Sie sei das Oktoberfest der Buchbranche, notierte ein scharfzüngiger Journalist vor einigen Jahren über die Frankfurter Buchmesse, und einer der einflussreichsten Literaturagenten der Welt, Andrew Wylie, bekannte in einem Interview, die Frankfurter Buchmesse entspräche seiner Vorstellung vom Himmel. Keine Frage – ein Jahrmarkt der Eitelkeiten ist eine Messe immer auch: In Frankfurt trifft sich die Branche, um Geschäfte zu machen, um Probleme zu lösen, die Konkurrenz zu beobachten und Erfolge zu feiern. Mehr denn je rückt die Begegnung mit Autorinnen und Autoren in den Vordergrund, und der in diesem Jahr zum ersten Mal realisierte „Frankfurt Pavilion“, eine aufsehenerregende, temporäre Holzkonstruktion, die das Frankfurter Architekturbüro schneider+schumacher in unserem Auftrag konzipiert hat, wird die zentrale Bühne für das von uns kuratierte literarische Programm sein. Die Aktivitäten der Frankfurter Buchmesse reichen sich indes längst weit über die fünf Tage im Oktober hinaus.

 

Denn in dem gleichen Maße, wie wir darauf achten, dass die Frankfurter Buchmesse der internationalste Handelsplatz der Welt ist und bleibt, ist es uns ein Anliegen, die deutsche Buchproduktion in möglichst vielen unterschiedlichen Regionen der Welt bekannt zu machen. Mit Förderung des Auswärtigen Amtes und in enger Zusammenarbeit mit den Goethe-Instituten vor Ort richtet die Frankfurter Buchmesse Jahr für Jahr deutsche Gemeinschaftsstände auf rund 20 Auslandsmessen aus, von Kairo bis Istanbul, von London bis Moskau, von Teheran über Taipeh bis Guadalajara. Die Vielfalt der Titel und Themen, die wir hier präsentieren, ist Ausdruck unserer lebendigen Verlagslandschaft. Und gerade in Ländern, in denen die demokratischen Grundwerte bedroht sind, beziehen wir mit Themenkollektionen und Veranstaltungen Stellung: Denn Bücher, davon bin ich überzeugt, sind, in welcher Darbietungsform auch immer, das Leitmedium zur Verbreitung des freien Wortes.

 

Dabei darf nicht vergessen werden, dass Bücher vor allem sichtbar, – und das heißt heutzutage auffindbar – sein müssen, um ihre volle Wirkkraft entfalten zu können. Zentrale Voraussetzung dafür, gerade in Zeiten der Digitalisierung, ist eine moderne und leistungsstarke Technologie-Infrastruktur, die es ermöglicht, dass jedes Buch seine Leser findet. Dazu dient nicht zuletzt unser Engagement mit unserem Schwesterunternehmen MVB in Brasilien. Auf Basis des deutschen Verzeichnisses Lieferbarer Bücher (VLB) haben wir dort gemeinsam mit der brasilianischen Buchkammer Câmara Brasileira do Livro (CBL) erfolgreich eine Metadatenbank unter der Marke „Metabooks“ etabliert, die dem lokalen Buchmarkt erstmals eine übergreifende Plattform zur Vermarktung von Büchern nach einheitlichen, internationalen Standards zur Verfügung stellt.

 

Als Wirtschaftstochter des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels verursacht die Buchmesse Kosten und liefert Einnahmen, und letztlich muss die Bilanz stimmen. Der wirtschaftliche Erfolg sichert die zahlreichen Aktivitäten der Frankfurter Buchmesse ab, die nicht profitorientiert sind, sondern dem Charakter des Buches als Kulturgut Rechnung tragen.

 

So fördern wir mit Litprom e.V. einen Verein, der sich für die Verbreitung von Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika einsetzt. Mit seinem Liberaturpreis vergibt Litprom seit 30 Jahren einen Preis, der ausschließlich Literatur von Frauen aus diesen Weltregionen auszeichnet. Ebenso unterstützen wir LitCam e.V., eine gemeinnützige Gesellschaft, die sich für Bildungsgerechtigkeit und Integration engagiert. Mit ihren Initiativen will LitCam die Bildungschancen für alle verbessern, unabhängig von ihren materiellen oder sozialen Voraussetzungen.

 

1997 trat die Stadt Frankfurt am Main auf Vorschlag des damaligen Dezernenten für multikulturelle Angelegenheiten, Daniel Cohn-Bendit, dem „Internationalen Netzwerk der Städte der Zuflucht (ICORN)“ bei. Ein Jahr später, aus Anlass der 50. Frankfurter Buchmesse, beschloss der Aufsichtsrat der Buchmesse 1998, das Programm mitzutragen und so das Engagement der Buchmesse für die Freiheit des Wortes zu verdeutlichen.

 

So wichtig wie das gesellschaftliche Engagement ist aber das wirtschaftliche Umfeld, in dem wir agieren: In den Medien wurde hinlänglich über die Entwicklungen berichtet, die den deutschen Buchmarkt aktuell beschäftigen – das Abwandern von Millionen von Leserinnen und Lesern, die immer mehr ihrer freien Zeit in sozialen Netzwerken und mit Serien verbringen, die abnehmende Kundenfrequenz in den Innenstädten. Umso mehr erfüllt mich der Unternehmergeist einer neuen Generation von Verlagsgründern und Buchhändlerinnen mit Respekt: Ihre Innovationsfreude, Risikobereitschaft und Leidenschaft – aber auch ihre Entscheidung für ein klares Profil und eine sorgfältige Titelauswahl – sind Gradmesser für die Zukunft unserer Branche. Ich wünsche mir und ihnen, dass wir die nächsten 70 Jahre in enger Partnerschaft zusammenarbeiten.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2018.

Juergen Boos
Juergen Boos ist Direktor der Frankfurter Buchmesse.
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