Seit 1952 dokumentiert das Deutsche Rundfunkarchiv historisch bedeutende audiovisuelle Medien – unter anderem mit den Schwerpunkten: Rundfunk vor 1945 sowie DDR-Hörfunk bis 1991. Angelika Hörth gibt Einblick in Arbeit, Archivierung und Bedeutung des Deutschen Rundfunkarchivs.
Welche Rolle kommt dem Radio bzw. Hörfunk in den Beständen des Deutschen Rundfunkarchivs (DRA) zu?
Aufnahmen aus der Frühzeit des Hörfunks bilden den Nukleus der 1952 zu deren Erhaltung und Zugänglichmachung als Lautarchiv des Deutschen Rundfunks gegründeten Stiftung von ARD und Deutschlandradio. Die Überlieferung setzt 1929 mit Einführung der elektromechanischen Tonaufzeichnung auf Wachsplatte ein. Sie war in den Anfangsjahren nicht für die zeitversetzte Ausstrahlung im Radio, sondern ausschließlich der rechtsstaatlichen Dokumentation und archivischen Langzeitsicherung politischer Debatten und Entscheidungsprozesse im Reichstag der Weimarer Republik vorbehalten.
Mit über 104.000 Stunden Spielzeit verfügt das DRA heute über einen erheblichen Teil der bis 1945 aufgezeichneten Hörfunkaufnahmen der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft sowie dem -Rundfunkprogrammvermögen der DDR. Wir sind damit die zentrale Anlaufstelle für Anfragen aus Kultur, Wissenschaft und Bildung auf diesem Feld.
Welche Bedeutung kommt dem Rundfunkerbe als Quelle der Erinnerungskultur zu?
Gerade vor dem Hintergrund aktuell kontrovers diskutierter Fragen zu Rolle und Funktion von Medien in Umbruchs- und Krisenzeiten in Verbindung mit dem Aufstieg populistischer Strömungen eröffnet das Rundfunkkulturerbe im DRA vielfältige Ansatzpunkte für eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Gegenwart des Vergangenen. Von der Pionierfreude des neuen Massenmediums in der Weimarer Republik, die von heftigen Debatten über die negativen Auswirkungen auf die Hörenden, Politik und Kultur begleitet waren, über die systematische Gleichschaltung im Nationalsozialismus und in der DDR dokumentieren unsere Bestände im Spannungsverhältnis von Unterhaltung und Propaganda, Aufklärung und Zensur authentisch und nachdrücklich, dass ein unabhängiger und freier Rundfunk, wie ihn die deutsche Gesellschaft von heute kennt, verteidigt und einfordert, keine Selbstverständlichkeit ist.
Wie bewahren Sie Tonaufnahmen und Audioerzeugnisse? Was ist zu beachten?
Insgesamt spiegelt sich in unseren Beständen – von der Edison-Walze über das Magnetband bis hin zum Audiofile – die weit über 100-jährige Entwicklung der Tonaufzeichnung und -wiedergabe. Die klimatisierte Magazinierung der Originalträger verlängert ihren Alterungsprozess; gleichwohl ist ihr Erhalt zeitlich begrenzt. Neben Essigsäuren und Weichmachern, die unsere Bestände zu zersetzen drohen, hängt ihre Spielbarkeit auch an der Funktionstüchtigkeit der historischen Abspielgeräte. Als europaweit zu den wenigen Expertinnen und Experten gehörend, die historische Ton- und Filminhalte in sendefähigen Qualitäten digitalisieren können, werden wir unseren audiovisuellen Bestand mittels modernster Geräte und Verfahren in den kommenden Jahren vollständig in digitale Formate überführen. Ein besonderes Augenmerk legen wir dabei auf den Erhalt des authentischen Klangs der historischen Aufnahmen, ein Desiderat, das der relativ neue Forschungszweig Sound History im Rahmen der geschichts-, sprach- und medienwissenschaftlichen Aufarbeitung formuliert.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2021.