KW 40: Welten der Entdecker – Archäologie braucht nicht nur Fleiß und Wissen, sie braucht Fantasie

Themen im Newsletter:

  1. Welten der Entdecker – Archäologie braucht nicht nur Fleiß und Wissen, sie braucht Fantasie
  2. Neuer Schwerpunkt in Politik & Kultur: „Archäologie: Alte Schätze, neue Impulse“
  3. Anhörung im Bundestag: Folgen der Energiekrise für den Kulturbereich
  4. Preisträgerinnen und Preisträger des Schreibwettbewerbs ausgezeichnet
  5. Dossier „Yes we can! – Frauen in Führung“
  6. Mentees starten in die 6. Runde des Mentoring-Programms
  7. Interview der Woche: „Eines Tages werde ich zurückkehren“: Die afghanische Fotografin Fatimah Hossaini im Gespräch

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mein Großvater schenkte mir in meiner Kindheit das Buch von Albert Bettex „Welten der Entdecker“. Ich war fasziniert von den abenteuerlichen Forschungsreisen der frühen Geografen: Marco Polo, Alexander von Humboldt, David Livingstone und den vielen anderen. Die Abbildungen in dem Buch haben sich in mir festgebrannt, mich in meinen Träumen verfolgt. Für mich gehörte Heinrich Schliemann immer in diese wunderbare Welt der Entdecker, auch wenn er in Bettex’ Buch nicht vorkam, da er ja kein Geograf, sondern Archäologe war. Mir war es aber immer egal, wie man auf Entdeckungsreise geht. Der eine nahm ein Schiff wie Charles Darwin, die anderen schauten durch ein Mikroskop und entdeckten das Penicillin wie Alexander Fleming, und gerade blicken zahllose Astronominnen und Astronomen mit dem erst vor wenigen Monaten in die Erdumlaufbahn gebrachten „James Webb Space Telescope“ in eine uns bisher unbekannte Sternenwelt.

 

Wichtig ist, dass man Neues entdecken will. Und wenn einer zu diesen besessenen Entdeckern gehört, die nicht anders können als forschen, dann Heinrich Schliemann. Als Autodidakt hat er sich bis in den Olymp der Archäologie vorgearbeitet. Ich freue mich deshalb sehr, dass der große Entdecker von Troja nun quasi das verbindende Band durch unseren Schwerpunkt zur Archäologie in der Oktober-Ausgabe von Politik & Kultur bildet.

 

Archäologie, also die „Lehre von den Altertümern“ , gehört für mich zu den faszinierendsten Entdeckerwissenschaften. Wenige Wissenschaften sind so vielfältig wie die Archäologie: Archäoastronomie, Archäobotanik, Archäoinformatik, Archäologische Geschlechterforschung, Archäometrie, Archäozoologie, Astroarchäologie, Christliche Archäologie, Experimentelle Archäologie, Geoarchäologie, Gletscherarchäologie, Historische Bauforschung, Industriearchäologie, Kirchenarchäologie, Kognitive Archäologie, Küstenarchäologie, Luftbildarchäologie, Montanarchäologie, Musikarchäologie, Paläoastronomie, Paläopathologie, Primatenarchäologie, Rechtsarchäologie, Schlachtfeldarchäologie, Siedlungsarchäologie, Stadtarchäologie, Textilarchäologie, Trassenarchäologie, Umweltarchäologie, Unterwasserarchäologie und noch vieles mehr.

 

Gerade war ich in Stockholm und habe mir die Vasa angeschaut. Das imposante Kriegsschiff sank 1628 vor Stockholm noch auf seiner Jungfernfahrt. Es wurde 333 Jahre nach dem Untergang geborgen und nach aufwendigen Erhaltungsmaßnahmen in einem nur für diesen Zweck gebauten Museum untergebracht. Die Vasa ist das am besten erhaltene Schiff des 17. Jahrhunderts auf der Welt und mit 98 Prozent der Originalteile rekonstruiert worden. Archäologie zum Erleben, zum Staunen, aber auch zum besseren Verstehen. Bei der Vasa kann man aber auch einen Umstand erspüren, der Archäologie zu einer der politischsten Wissenschaften macht. Die Schweden sind sichtbar stolz auf dieses Schiff, das einen Blick auf die Macht des Landes in der damaligen Zeit wirft.

 

Und so ist die Archäologie immer auch ein politisches Statement. Überall auf der Welt wird die Archäologie auch missbraucht, um sie für jedwede Ansprüche einzuspannen. Gut, dass sich heute Archäologinnen und Archäologen gegen diese Instrumentalisierung immer öfter zu Wehr setzen.

 

Damit die Archäologie weiter entdecken kann, braucht sie Menschen, die sehr viel Wissen mitbringen. Dieses Wissen, das zeigt Heinrich Schliemann deutlich, muss nicht immer an einer Hochschule erworben werden. Aber heute hätte der Autodidakt Schliemann im Wissenschaftsbetrieb wohl keine Chance mehr.

 

Heute wird das Wissen an Hochschulen gelehrt: Afrikanistik, Ägyptologie, Albanologie, Alte Geschichte, Altorientalistik, Arabistik, Außereuropäische Geschichte, Baltistik, Byzantinistik, Christliche Archäologie, Indogermanistik, Iranistik, Islamische Kunstgeschichte, Islamwissenschaft, Judaistik, Kanadistik, Kaukasiologie, Keltologie, Klassische Archäologie, Koptologie, Latinistik, Mittelalterarchäologie, Ostasienwissenschaft, Papyrologie, Rumänistik, Sinologie, Ur- und Frühgeschichte, Vorderasiatische Archäologie, das ist eine Auswahl von sogenannten Kleinen Fächern, die an deutschen Hochschulen gelehrt werden.

 

Gerne werden diese Fächer als „Exoten“ oder als „Orchideen“ bezeichnet. Diese Kleinen Fächern sind für die Pflege, Ausdehnung und Weitergabe enormer Wissensbestände verantwortlich und die Archäologie könnte ohne sie nicht betrieben werden. Aber gemessen an dieser Aufgabe verfügen die Hochschulen, die diese Fächer anbieten, nur über eine sehr schwache personelle und infrastrukturelle Ausstattung.

 

Die Kleinen Fächer und die von ihnen vertretenen Disziplinen mehr wertzuschätzen, ist Aufgabe von zukunftsweisender Wissenschafts- und Hochschulpolitik. Kleine Fächer sind das Salz in der lauwarmen Hochschulsuppe unserer Tage, ohne sie würde der Universitätsbetrieb seinen inneren Kern verlieren. Und ohne sie würden die „Welten der Entdecker“ vertrocknen.

 

Doch gerade das beeindruckende Schaffen von Heinrich Schliemann als Archäologe macht deutlich, dass Fleiß und reines Wissen allein nicht zu einem großen Forscher machen, es braucht noch mehr: Fantasie.

Auch deshalb haben wir in der neuen Ausgabe von Politik & Kultur einen ausführlichen Blick in die faszinierende Welt der Archäologie geworfen.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 


 

2. Neuer Schwerpunkt in Politik & Kultur: „Archäologie: Alte Schätze, neue Impulse“

 

Was kennzeichnet Archäologie heute? Welche Rolle spielt sie aktuell in Deutschland? Und vor allem welche Bedeutung hat Archäologie in der Kulturpolitik?

 

Mit diesen Fragen und mehr befasst sich der frisch erschienene Schwerpunkt „Alte Schätze, neue Impulse: Archäologie, ein Wegweiser für die Zukunft?“ in der aktuellen Ausgabe 10/22von Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates.

 

Dieser ist in Zusammenarbeit mit dem Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz entstanden. Er wurde am Dienstag im Rahmen der Ausstellung „Schliemanns Welten: Sein Leben. Seine Entdeckungen. Sein Mythos“ vorgestellt.

 

 

Alle Texte aus dem Archäologie-Schwerpunkt lesen Sie hier:

 

 

Der Schwerpunkt in Politik & Kultur soll nicht nur einen Blick in die faszinierende Welt der Archäologie werfen, sondern besonders dafür werben, dass die sogenannten Orchideen-Fächer, also die vielen kleinen Fächer an den Hochschulen, die die Voraussetzung für erfolgreiche archäologische Forschung sind, endlich von der Politik, aber auch von den in den Hochschulen Verantwortlichen mehr wertgeschätzt werden. Das beeindruckende Schaffen von Heinrich Schliemann als Archäologe macht aber auch deutlich, dass Fleiß und reines Wissen allein noch nicht zu einem großen Forscher machen, es braucht noch mehr: Fantasie.

 


 

3. Anhörung im Bundestag: Folgen der Energiekrise für den Kulturbereich

 

Der Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages beschäftigt sich am in einer öffentlichen Sitzung mit den Folgen der Energiekrise für den Kultursektor.

 

Mittwoch, dem 12. Oktober 2022, ca. 15.30 Uhr
10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1
Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal 4.400

 

Gesprächspartner des Ausschusses sind:

 

  • Christine Berg, HDF Kino e. V.
  • Jens Michow, Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft e. V.
  • Olaf Zimmermann, Deutscher Kulturrat e. V.

 

Die Aufzeichnung der Sitzung wird in der Mediathek unter www.bundestag.de abrufbar sein.

 

Weitere Informationen zum Thema:

 

Die steigenden Energiekosten belasten öffentliche und private Kultureinrichtungen und -institutionen erheblich. Für den Herbst und Winter sind beträchtliche Steigerungen an Kosten für Strom und Wärme zu erwarten, nicht zuletzt aufgrund der steigenden Energiekosten auf dem Weltmarkt.

 

 

  • Hier werden weitere Informationen zur Energiekrise und seine Auswirkungen auf den Kulturbereich gebündelt.

 


 

4. Preisträgerinnen und Preisträger des Schreibwettbewerbs ausgezeichnet

 

Gestern Abend wurden die Preisträgerinnen und Preisträger des bundesweiten Schreibwettbewerbs „L’Chaim: Schreib zum jüdischen Leben in Deutschland!“ ausgezeichnet. Bei einer feierlichen Preisverleihung im Literarturhaus Berlin wurden in Anwesenheit der Jurymitglieder die zehn Gewinnertexte öffentlich bekanntgegeben und mit Preisgeldern in Höhe von insgesamt 12.500 Euro in vier Kategorien ausgezeichnet.

 

  • Die prämierten Texte sind alle in einer Broschüre veröffentlicht, die Sie hier digital einsehen können.

 

 

  • Hier meine Begrüßung zur Preisverleihung im Literaturhaus Berlin des bundesweiten Schreibwettbewerbs „L’Chaim: Schreib zum jüdischen Leben in Deutschland!“ 06.10.2022. Ich äußere mich hier auch zum Anschlag auf die Synagoge in Hannover vorgestern an Jom Kippur und zum Antisemitismus auf der documenta 15.

 


 

5. Dossier „Yes we can! – Frauen in Führung“

 

Gerade im Kulturbereich gibt es viele Frauen in Führung – und das schon seit Langem, aber es könnten und es müssten noch viel mehr sein.

Das Dossier „Yes we can! – Frauen in Führung“, herausgegeben von Olaf Zimmermann und Theo Geißler, rückt auf 56 Seiten das Thema Frauen in Führung im Kulturbereich in den Mittelpunkt. Es schildert auch die sich Frauen immer noch stellenden Herausforderungen und blickt mit Expertinnen und Experten auf Lösungswege.

 

Denn Frauen in Führung müssen noch stärker in das Bewusstsein gerückt und als positive Beispiele herausgestellt werden.

 

 


 

6. Mentees starten in die 6. Runde des Mentoring-Programms

 

Am vergangenen Freitag fand die Auftaktveranstaltung für die 40 Mentees der 6. Runde des Mentoring-Programms des Deutschen Kulturrates statt.

 

Im Anschluss trafen sich Mentorinnen, Mentoren und Mentees der letzten beiden Runden zu einem Empfang im Humboldt-Forum. Aus dem deutschlandweiten Programm sind nun bereits 170 Tandems hervorgegangen.

 

 


 

7. Interview der Woche: „Eines Tages werde ich zurückkehren“: Die afghanische Fotografin Fatimah Hossaini im Gespräch

 

Seit August 2021 lebt Fatimah Hossaini im Exil. Von Paris aus setzt sich die afghanische Fotografin und Aktivistin, die in Teheran, Iran, aufgewachsen und 2018 wieder nach Afghanistan zurückgekehrt ist, weiter für die Rechte afghanischer Frauen ein. In Kabul gründete sie zuvor die Organisation Mastooraat, die sich für Frauen, junge Menschen und Kunst in Afghanistan einsetzt. Ulrike Scheffer spricht mir ihr über ihre Fluchterfahrung und das Leben als freie Künstlerin im Pariser Exil.

 

Ulrike Scheffer: Frau Hossaini, Sie gehörten zu den Flüchtenden aus Afghanistan, die nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 tagelang am Flughafen in Kabul auf einen rettenden Flug ins Ausland gewartet haben. Schließlich fanden Sie Aufnahme in Frankreich und leben heute in Paris. Wie haben Sie sich dort eingelebt?

 

Fatimah Hossaini: Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal gezwungen sein würde, als Geflüchtete zu leben. Meine Großeltern flohen während des sowjetischen Krieges in Afghanistan in den Iran. Dort bin ich aufgewachsen. Trotz der langen Zeit hatte meine Familie allerdings immer einen Geflüchtetenstatus. Wir wurden nie als Staatsbürger anerkannt. Das war ein Grund für mich, nach Afghanistan zurückzukehren. Und nun sitze ich hier in Paris und bin zum zweiten Mal zur Geflüchteten geworden. Das ist eine traumatische Erfahrung. Dieser Schmerz, Afghanistan verloren zu haben, ist immer bei mir. Aber Paris ist andererseits natürlich eine aufregende Stadt, besonders für eine Künstlerin. Ich bin Frankreich sehr dankbar, dass ich hier sein kann. Frankreich hat mein Leben gerettet. Und meine Karriere.

 

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