KW 28: Politische Bildung in der Krise?, Zur Subskription: Corona vs. Kultur. Die Corona-Chroniken, …

... Kulturveranstaltungen trotz Corona – Sonderfonds gestartet, Aktuelle Ausschreibungen bei Neustart Kultur, Text der Woche

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz MdB, hatte kurz vor der Wahl in Sachsen-Anhalt im F.A.Z. Podcast gesagt, die Ostdeutschen seien teilweise „diktatursozialisiert“ und „auch nach dreißig Jahren nicht in der Demokratie angekommen“. Nur ein geringer Teil der AfD-Wähler sei „potenziell rückholbar“, man könne darum nur „auf die nächste Generation“ hoffen.

 

Lassen wir nun einmal dahingestellt, ob die Analyse von Wanderwitz in jedem einzelnen Punkt stimmt, vollkommen daneben kann sie aber nicht liegen, wenn, wie gerade wieder geschehen, mehr als jeder fünfte Wähler in Sachsen-Anhalt die AfD wählt.

 

Das Institut für Demoskopie Allensbach hat bereits vor zwei Jahren eine repräsentative Umfrage in Deutschland zur Akzeptanz unseres politischen Systems in der Bevölkerung durchgeführt. Demnach gaben lediglich 42 Prozent der Befragten in Ostdeutschland an, dass die in Deutschland gelebte Demokratie die beste Staatsform sei. In Westdeutschland meinten dies 77 Prozent.

 

Eigentlich müssten die Alarmglocken der für politische Bildung Verantwortlichen im Lande unaufhörlich klingeln, denn dass wir Probleme mit der politischen Bildung haben, ist unübersehbar.

 

220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten allein bei der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Bonn und Berlin. Dazu kommen in den Ländern noch Landeszentralen. Die bpb ist eine nachgeordnete Behörde des Bundesinnenministeriums. Aber warum ist sie eigentlich so still? Warum nimmt sie die Analyse von Marco Wanderwitz nicht zum Anlass, ihre Anstrengungen zur Vermittlung von politischer Bildung deutlich und sichtbar zu verstärken? Wenn man sich die Homepage der bpb anschaut, ahnt man das Problem. Sie hat sich einfach verzettelt. Fast alle denkbaren gesellschaftlichen Felder, national wie international, werden behandelt, aber ein deutlicher Schwerpunkt ist nicht zu erkennen.

 

Im Zentrum der Arbeit der bpb soll, nach ihrem eigenen Selbstverständnis, die Förderung des Bewusstseins für Demokratie und politische Partizipation stehen. Wenn man sich die Realität in Deutschland, nicht nur im Osten, anschaut, war die Arbeit nur bedingt erfolgreich. Nach der Bundestagswahl sollte die Arbeit der bpb dringend auf neue Füße gestellt werden.

 

Eine Begeisterung für unser demokratisches System und die Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit kommt nicht von selbst. Die Analyse von Marco Wanderwitz ist keine, wie oft geschrieben, Beleidigung für die Menschen in Ostdeutschland, sondern sie ist das eindrückliche Beschreiben des Scheiterns der staatlich organisierten politischen Bildung.

 

Lesen Sie zum Thema auch den Text der Woche von Karsten Krampitz „Woher kommt der Zorn im Osten?“ am Ende dieses Newsletters.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
Twitter: olaf_zimmermann

 

 

PS. Gestern hatten wir eine Rundfunksendung des SWR2 „Ist das Kunst, kann das weg? – Zeitgemäße Kulturpolitik nach Corona“ angekündigt. Die Sendung musste wegen der aktuellen Berichterstattung über die verheerenden Naturkatastrophen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verständlicherweise ausfallen. Sie wird vorraussichtlich in der kommenden Woche nachgeholt.

 


 

Corona vs. Kultur. Die Corona-Chroniken: Nur noch bis zum 22. Juli zur Subskription

 

Der Kulturbereich wurde tief von der Corona-Pandemie getroffen. Er leidet unter extremen Einschränkungen durch die Schutzmaßnahmen. Viele Kultureinrichtungen waren und sind vollständig oder teilweise geschlossen. Besonders die freiberuflich arbeitenden Künstlerinnen und Künstler sind in Existenznot geraten.

 

Doch wie hat sich die Lage in den verschiedenen Kulturbereichen seit Beginn der Pandemie entwickelt? Welche kurz- und mittelfristigen Auswirkungen gibt es? Welche Hilfsmaßnahmen wurden bereits umgesetzt, um den Kultursektor zu unterstützen? Welche politischen und gesellschaftlichen Forderungen bestehen?

 

In acht Kapiteln blicken über 120 Autorinnen und Autoren aus Kultur, Medien und Politik auf die letzten anderthalb Jahre Corona vs. Kultur zurück.

 

Werfen Sie hier ein Blick ins Buch!

 

Die Corona-Chroniken Teil 1 – Corona vs. Kultur in Deutschland
Hg. v. Olaf Zimmermann und Theo Geißler
978-3-947308-32-3,
483 Seiten

 

Bestellen Sie „Die Corona-Chroniken Teil 1: Das erste Jahr Corona vs. Kultur in Deutschland“ zum Subskriptionspreis von 15,60 Euro – noch bis zum 22.07.2021. Sie sparen 25%!

Ab dem 23.07.2021 beträgt der Preis dann regulär 20,80 Euro.
Der Versand der vorbestellten Exemplare erfolgt versandkostenfrei am 23.07.2021.

 

 


 

Kulturveranstaltungen trotz Corona – Sonderfonds gestartet

 

Der Sonderfonds für Kulturveranstaltungen startet gestaffelt:

 

  • seit 1. Juli: Wirtschaftlichkeitshilfe für Veranstaltungen mit bis zu 500 möglichen Teilnehmern
  • ab 1. August 2021 bis 31. März 2022: Wirtschaftlichkeitshilfe für Veranstaltungen mit bis zu 2.000 möglichen Teilnehmern
  • ab 1. September 2021: Ausfallabsicherung für Veranstaltungen mit mehr als 2.000 möglichen Teilnehmern

 

Mit dem Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltungen sollen Kulturveranstalter ermutigt werden, Veranstaltungen zu planen und vertragliche Verpflichtungen einzugehen, auch wenn die Veranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie voraussichtlich nicht kostendeckend bzw. mit Gewinn durchgeführt werden können. Das gilt für öffentliche und öffentlich-geförderte Veranstaltungen, bei denen die öffentliche Förderung nur einen Teil der Kosten deckt und die Deckungslücke durch Eintrittsgelder erwirtschaftet werden muss. Das trifft auf privatwirtschaftliche Veranstalter zu, die die gesamten Kosten aus Eintrittsgeldern finanzieren und als Unternehmen einen Gewinn erwirtschaften müssen. Für den Fonds stehen bis zu 2,5 Milliarden Euro Fördermittel des Bundes bereit.

 

Wer wird gefördert?

 

Veranstalterinnen und Veranstalter von Kulturveranstaltungen. Veranstalterin oder Veranstalter ist, wer das wirtschaftliche und organisatorische Risiko einer Veranstaltung trägt. Veranstalterinnen und Veranstalter in öffentlicher Trägerschaft sind ebenfalls antragsberechtigt, können jedoch nur die Wirtschaftlichkeitshilfe beantragen.

 

Wer ist antragsberechtigt?

 

Antragsberechtigt sind Veranstalter folgender – in Deutschland stattfindender – Kulturveranstaltungen, welche Einnahmen aus dem Verkauf von Tickets erzielen:

 

  • Aufführungen der darstellenden Kunst
  • Konzerte einschließlich Livemusik-Konzerte mit einem kuratierten Musikprogramm, sofern der Veranstalter in Musikclubs im Jahr 2019 mindestens 12 kuratierte Livemusik-Konzerte verschiedener Künstler und Künstlerinnen veranstaltet hat. Livemusik-Konzerte in diesem Sinne sind gezielte Aufführungen von Musiker und Musikerinnen (einschließlich Ereignisse mit kreativen/ künstlerischen/ selbst produzierenden DJs) grundsätzlich auf einer Bühne vor einem Publikum, für die speziell geworben wurde.
  • Vorführungen in den Bereichen Film und Medien, einschließlich Kinos und Freiluftfilmvorführungen
  • Sonderausstellungen zur Vermittlung künstlerischer oder kultureller Inhalte, einschließlich
  • Lesungen und sonstige Literaturveranstaltungen
  • Festivals aller Kunstsparten und spartenübergreifende Kulturveranstaltungen in den o.g. Sparten

 

Was muss getan werden?

  1. Anmeldung und Registrierung. Ohne vorherige Registrierung ist eine Antragstellung nicht möglich.
  2. Durchführung der Veranstaltung
  3. Vervollständigung der Angaben, so u.a. Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben der Veranstaltung.
  4. Beantragung der Hilfen.

 

Ab wann können Veranstaltungen registriert werden und Anträge gestellt werden?

 

  • Veranstaltungen müssen vor ihrer (geplanten) Durchführung auf der IT-Plattform registriert werden. Die Registrierung von Veranstaltungen für die Wirtschaftlichkeitshilfe ist seit dem 15.06.2021 möglich. Registrierte Veranstaltungen müssen für den Zeitraum zwischen dem 01. Juli 2021 (bei bis zu 500 möglichen Teilnehmern) bzw. dem 01. August 2021 (bei bis zu 2.000 möglichen Teilnehmern) und dem 31. März 2022 geplant sein.
  • Die Registrierung von Veranstaltungen für die Ausfallabsicherung ist seit dem 15.06.2021 möglich. Registrierte Veranstaltungen müssen für den Zeitraum zwischen dem 01. September 2021 und dem 31. Dezember 2022 geplant sein.

 

 


 

Aktuelle Ausschreibungen bei Neustart Kultur

 

Im Rahmen von Neustart Kultur ist in folgenden Programmen derzeit eine Bewerbung möglich:

 

Pandemiebedingte Investitionen

 

Gefördert werden investive Umbau-, Modernisierungs- und Ausstattungsmaßnahmen von Kultureinrichtungen (ortsfeste und kulturelle Träger mit dezentralen Aktivitäten) sowie im Rahmen von Festivals und anderen kulturellen Veranstaltungen, die zur nachhaltigen Reduktion von Ansteckungsgefahren (insbesondere mit dem SARS-CoV-2-Virus) in deren öffentlichen und nicht-öffentlichen Bereichen erforderlich sind, sowie projektbezogene Personal- und Sachausgaben.

 

Museen

 

Heimatmuseen, private Museen, Ausstellungshäuser und öffentlich zugängliche Gedenkstätten können bis 30.09.2021 Hilfen für pandemiebedingte Investitionen beim Deutschen Verband für Archäologie beantragen. Nähere Informationen finden Sie hier.

 

Theater

 

Theater, künstlerische Produktionsorte, Festspielhäuser, auch Festivals, Kleinkunstbühnen und Varieté-Theater können bis 30.11.2021 Hilfen für pandemiebedingte Investitionen bei der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft beantragen. Nähere Informationen finden Sie hier.

 

Erhalt und Stärkung von Kulturproduktion und -vermittlung

 

Bildende Künstlerinnen und Künstler

 

Innovative Kunstprojekte werden im Rahmen des Moduls C des Förderprogramms des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler gefördert. Unterstützt wird die Weiterentwicklung künstlerischer Praxis und Präsentation, die auch eine Interaktion zwischen Analog und Digital schafft. Teil der Projekte ist die öffentliche Präsentation und Rezeption der Werke, um die Auseinandersetzung mit den Inhalten zeitgenössischer Kunst anzuregen. Die Antragsfrist läuft bis zum 31.07.2021. Nähere Informationen finden Sie hier.

 

Der Deutsche Künstlerbund reicht ein Stipendium für bildende Künstlerinnen und Künstler aus, um innovative Vorhaben im Bereich zeitgenössischer, digitaler und medienbasierter Kunst zu entwickeln. Das fünfmonatige Stipendium in Höhe von 6.000 Euro soll Künstlern und Künstlerinnen die Möglichkeit geben, durch die Entwicklung und Realisierung digitaler Projekte oder durch die Erkundung des Digitalen innerhalb zeitgenössischer künstlerischer Praktiken neue Wege zu gehen. Es soll ebenso die Erschließung, Entwicklung, Fortführung und/oder Veröffentlichung und Vermittlung eigener digitaler Formate, Thematiken und Techniken ermöglichen. Die Antragsfrist läuft bis zum 31.08.2021. Nähere Informationen finden Sie hier.

 

Freiberufliche tätige Bildautoren und -autorinnen sowie Filmschaffende, die freiberuflich oder auf Produktionsdauer beschäftigt sind, können ab dem 02.08.2021 Fördermittel bei der VG Bild-Kunst beantragen. Die Antragsteller dürfen im Jahr 2020 ein maximales Einkommen von 60.000,- Euro erzielt haben Die Fördermittel werden im Windhundverfahren von einer Jury vergeben. Eine Registrierung ist bereits jetzt möglich. Nähere Informationen finden Sie hier.

 

Literatur

 

Der Deutsche Literaturfonds fördert mit diversen Programmen u.a. „Neue Stücke für großes Publikum“, „Neue Perspektiven für Dramatikerinnen und Dramatiker“ sowie „100 Autoren präsentieren ihre Arbeit im Internet“ Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Eine Antragstellung ist nach wie vor mögliche. Nähere Informationen finden Sie hier.

 

Der Deutsche Übersetzerfonds vergibt die „Radial-Stipendien“ an in Deutschland lebende Übersetzer und Übersetzerinnen deutschsprachiger Literatur in andere Zielsprachen. Vergeben werden Arbeits-, Reise-, Initiativ- und Werkstipendien. Bewerbungsfrist ist der 15.09.2021. Nähere Informationen finden Sie hier.

 

Theater

 

Das Programm „Erhalt und Stärkung der Infrastruktur für Kultur in Deutschland – Live-Kulturveranstaltungen – Wort, Varieté und Kleinkunst“ richtet an Veranstalterinnen und Veranstalter von Live-Kulturveranstaltungen. Veranstalter und Veranstalterinnen übernehmen das inhaltliche, organisatorische und finanzielle Risiko für die Produktion und Durchführung von Veranstaltungen als wichtige Präsentationsplattformen für ausübende Künstlerinnen und Künstler. Fördermittel können bei der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft beantragt werden. Nähere Informationen finden Sie hier.

 

Tanz

 

Einzelkünstler und -innen aus dem Bereich Tanz, Tanzdozenten und -dozentinnen, Tanzensembles, Kollektive, Produktionszentren, Spielstätten, Festivals, Produktionsbüros und Tanznetzwerke, natürliche und juristische Personen mit Sitz bzw. Wohnsitz in Deutschland, die nicht maßgeblich öffentlich bzw. weniger als 50% aus öffentlichen Mitteln gefördert werden, können Mittel im Rahmen des Programm „NPN-Stepping out“ beantragen. Vergeben werden die Mittel von Joint Venture. Weitere Informationen finden Sie hier.

 

Spartenübergreifend

 

Die Kulturstiftung des Bundes unterstützt mit „dive in. Programm für digitale Interaktionen“ Kulturinstitutionen aller künstlerischen Sparten bei der Entwicklung innovativer digitaler Dialog- und Austauschformate. Bewerbungsschluss ist der 15.09.2021. Nähere Informationen finden Sie hier.

 

Weiteres

 

Weitere Programme sind in Planung. Nähere Informationen zu Neustart Kultur finden Sie hier.

 


 

Text der Woche: Karsten Krampitz „Woher kommt der Zorn im Osten? Über die gestörte Erinnerung an eine Republik, deren Namen wir nicht mehr aussprechen“

 

Bis heute verspricht die Deutungshoheit zur DDR-Geschichte einen beachtlichen Stellungsvorteil im Ringen um die kulturelle Hegemonie. Wer die geistige Lufthoheit besitzt, gewinnt Wahlen. Allerdings erinnern die Bücher und Artikel vieler Politikwissenschaftler, Theologen und Ex-Bürgerrechtler an das Schneidergewerbe, wo der Stoff so lange „aufgearbeitet“ wird, bis er passt. Geschichte aber, wie es sich tatsächlich zugetragen hat, ist immer komplizierter und widersprüchlicher als unsere Fähigkeit, davon zu berichten. Erst recht in der Deutschen Demokratischen Republik, deren Name heute nach Möglichkeit nicht mehr ausgesprochen oder ausgeschrieben wird und dessen Kürzel immer mit dem Vorwort „ehemalige“ versehen wird – was nur logisch ist, weil ich ja auch von meinem toten Großvater als „ehemaligen Opa“ rede.

 

Karsten Krampitz ist Schriftsteller und Journalist.

 

Lesen Sie den Text hier!

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