- Kulturpolitische Knackpunkte in den Koalitionsverhandlungen
- Neuer Vorstand gewählt: Christian Höppner, Dagmar Schmidt und Manfred Nawroth
- Hörtipp: Der Kulturraum Friedhof in einer diversen Gesellschaft
- Kulturpolitische Lesetipps
- Best-of zum Begegnungskonzert „Ohren auf für Hanau!“
- Text der Woche: Menschenrecht Kultur – Inklusion ist kein »nice to have« von Gabriele Schulz
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Koalitionsverhandlungen sind im vollen Gange und auch über den Kulturbereich wird verhandelt. Im Gegensatz zur letzten Koalitionsverhandlung wird der Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik nicht in der Arbeitsgruppe Kultur und Medien, sondern in der Arbeitsgruppe Auswärtige Politik behandelt.
Mit Blick auf die Kulturpolitik im Inland sind das nach meiner Ansicht die fünf größten Knackpunkte der Verhandlungen für den Kulturbereich:
Umgang mit Leitkultur
CDU/CSU haben den Begriff „Leitkultur“ an zwei Stellen in ihrem Wahlprogramm überdeutlich verankert. Zum einen im Kulturkapitel, zum anderen bei Integration. Wird die SPD die Ausrichtung der Kulturpolitik auf der Bundesebene nach den Prämissen einer und wenn ja welcher Leitkultur akzeptieren?
Antisemitismusklausel
CDU/CSU wollen öffentliche Zuwendungen, ggfs. nur im Kulturbereich da ausschließlich in diesem Zusammenhang genannt, von Folgendem abhängig machen,
- Klarstellung aus dem Kulturbereich, dass es keinen Raum für Antisemitismus gibt
- Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung
- Anerkenntnis der IHRA-Definition und des Existenzrechts Israels
Die Verhandler von CDU/CSU und SPD werden die Frage beantworten müssen, was solche Bekenntnisklauseln nutzen, was sie bezwecken und wie sie rechtssicher gestaltet werden können. Dass wir uns im Kulturbereich uns eindeutig und klar gegen jede Form des Antisemitismus stellen müssen, halte ich für unstrittig, es muss aber die Frage beantwortet werden, was der richtige Weg dahin ist.
Vertriebenenkultur
CDU/CSU wollen die Stärkung der Kulturförderung nach § 96 Bundesvertriebenengesetz und eine Selbstständigkeit der Stiftung Flucht, Versöhnung, Vertreibung. Das bedeutet nichts anderes, dass die Vertriebenenverbände, nachdem der erste Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) vor fast dreißig Jahren ihren Einfluss in der Kulturpolitik deutlich beschnitten hatte, wieder gewichtige Mitspieler in der Bundeskulturpolitik werden sollen. Die SPD wird die Frage beantworten müssen, wie sie mit ihrem eigenen kulturpolitischen Erbe umgehen will. Hierbei muss auch besonders auf die Zukunft der Stiftung Flucht, Versöhnung, Vertreibung geachtet werden. Dass sie Teil der Stiftung Deutsches Historisches Museum ist, ist sinnvoll zum Schutz vor Übermacht der Vertriebenenverbände. Eine Selbstständigkeit der Stiftung könnte gerade ihre Unabhängigkeit gefährden.
Staatsziel Kultur
Kommt es nun endlich, oder wird das Staatsziel Kultur im Grundgesetz auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Dazu ist nun wirklich in mehr als 20 Jahren Debatte alles gesagt worden, jetzt müssen CDU/CSU und SPD endlich Farbe bekennen.
Bundeskulturministerium
Letztlich ist die Frage einfach zu beantworten: Wenn CDU/CSU das Amt des Kulturstaatsministers oder der Kulturstaatsministerin für sich reklamieren, wird es vermutlich keine Aufwertung geben und das Amt im Bundeskanzleramt verbleiben. Die verantwortliche Person wird dann weiterhin den Rang eines Staatssekretärs innehaben. Dass ein Sozialdemokrat ins Kanzleramt von Friedrich Merz einzieht, wird gemeinhin ausgeschlossen, da eine ähnliche Konstellation, grüne Kulturstaatsministerin im roten Kanzleramt, in der gerade zu Ende gehenden Legislaturperiode nicht optimal funktioniert hat. Wenn die SPD das Amt also für sich reklamiert, wird es entweder an ein sozialdemokratisches Ministerium der Bundesregierung angehängt oder erhält seine ministeriale Eigenständigkeit. Dann würde das Amt von einer Ministerin oder einem Minister verantwortet.
Ich bin sehr gespannt, wie diese fünf Knackpunkte gelöst werden.
Ihr
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann
2. Neuer Vorstand gewählt: Christian Höppner, Dagmar Schmidt und Manfred Nawroth
Am Dienstag, den 18.03.2025 wählte der Sprecherrat des Deutschen Kulturrates für die Amtszeit 2025 bis 2028 seinen neuen ehrenamtlichen Vorstand.
Der Cellist Professor Christian Höppner, Deutscher Musikrat, wurde einstimmig zum Präsidenten gewählt. Er war bereits von 2013 bis 2019 Präsident des Deutschen Kulturrates und 2022 erneut gewählt worden. Christian Höppner sagte in seiner Bewerbungsrede: „Mein Engagement im Deutschen Kulturrat ist von einer gewachsenen Leidenschaft für die Themen und das gemeinsame Tun mit den Kolleginnen und Kollegen begleitet. Es war und ist beglückend immer wieder erleben zu können, dass aus dem Nachdenken und Ringen um gemeinsame Positionen ganz real erfahrbare Umsetzungen wurden – getragen von der Überzeugung, dass Kulturpolitik Gesellschaftspolitik ist.“
Die Bildende Künstlerin Dagmar Schmidt, Deutscher Kunstrat, wurde als Vizepräsidentin ebenfalls wiedergewählt. Sie erklärte bei ihrer Bewerbung: „In Zeiten bedrohter Demokratie ist das Potenzial und die Energie des Deutschen Kulturrates wertvoller denn je. Jetzt gilt es, Kultur als Staatsziel zu verankern, sowohl Kunst- und Meinungsfreiheit als auch Demokratie zu stärken und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und Kreativen in der Kultur endlich zu verbessern und krisensicherer auszugestalten.“
Als neuer Vizepräsident wurde der Archäologe Dr. Manfred Nawroth, Rat für Baukultur und Denkmalkultur, gewählt. Er betonte in seiner Bewerbung: „Ich bin überzeugt, dass in Zeiten gesellschaftlicher und politischer Umbrüche sowie Herausforderungen bei einer sich verändernden Finanzlage für den Kulturbereich bei Bund, Ländern und Kommunen, die Stimme des Deutschen Kulturrates von größter Bedeutung ist, die Interessen der in den Kulturverbänden organisierten Mitglieder zu vertreten und zu wahren, Kultur als Staatsziel zu verankern und die Bedeutung der Kulturpolitik auf Bundesebene zu erhalten und zu stärken.
3. Hörtipp: Der Kulturraum Friedhof in einer diversen Gesellschaft
Seit März 2020 zählt die Friedhofskultur in Deutschland zum Immateriellen Kulturerbe. Die UNESCO-Auszeichnung würdigt die Friedhöfe nicht nur als Orte individuellen Trauerns und Erinnerns, sondern auch als bedeutende, vielfältige Kulturräume – beispielsweise als größte Skulpturenparks, biodiverse Naturoasen oder lebendige Geschichtsbücher.
Anlässlich des kleinen Jubiläums haben der Deutsche Kulturrat und das Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur in Zusammenarbeit mit der Evangelische Kirche in Deutschland und dem Deutschlandradio am vergangenen Donnerstag in die Turrell-Kapelle auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin zu einer Podiumsdiskussion über die kulturpolitische Bedeutung dieser Kulturform eingeladen.
Es diskutierten:
- Britta Behrendt, Staatssekretärin für Klimaschutz und Umwelt Berlin
- Kirsten Fehrs, Ratsvorsitzende Evangelische Kirche in Deutschland
- Tobias Pehle, Geschäftsführer Kuratorium Immaterielles Erbe Friedhofskultur
- Olaf Zimmermann, Geschäftsführer Deutscher Kulturrat
- Moderation: Dr. Hans Dieter Heimendahl, Kultur-Koordinator Deutschlandradio
Friedhöfe sind Kulturorte! In Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, hat Tobias Pehle verschiedene Friedhöfe in Deutschland vorgestellt.
- Hier finden Sie die Beiträge.
4. Kulturpolitische Lesetipps
Kunstfreiheit – Zehn Jahre Debatten in Politik & Kultur
Wie ist es um die Kunstfreiheit bestellt? Der Band versammelt Beiträge aus zehn Jahren und vermittelt dadurch einen Eindruck von den unterschiedlichen Debatten und Akzentsetzungen zur grundgesetzlich verbrieften Kunstfreiheit.
Ohne Kultur keine Nachhaltigkeit
2015 hat die Weltgemeinschaft die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verabschiedet. In 17 Nachhaltigkeitszielen hat sie konkrete Zielvereinbarungen getroffen. In diesem Sammelband wird der Frage nachgegangen, wie der Kultur- und Naturbereich gemeinsam die UN-Nachhaltigkeitsziele voranbringen können.
Mein kulturpolitisches Pflichtenheft
In dem Buch zeige ich welche Rahmenbedingungen die Arbeit auf der Kultur(politik)baustelle heute bestimmen, oder bestimmen sollten. Die Themenbereiche sind: Werte, Kunst, Medien, Handel, Bildung, Religion, Erinnerung, Digitales, Natur und Nachhaltigkeit.
5. Best-of zum Begegnungskonzert
Am Dienstag, den 11.02.2025 fand in Anwesenheit von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Serpil Temiz Unvar, der Gründerin der „Bildungsinitiative Ferhat Unvar“, das Begegnungskonzert „Ohren auf für Hanau!“ der Initiative kulturelle Integration, im voll besetzten Krönungskutschensaal der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin statt.
Das Konzert war dem Gedenken an die neun Todesopfer des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau am 19. Februar 2020 gewidmet: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Sechs weitere Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt. Um die Opfer des Anschlags nicht zu vergessen und ein deutliches Zeichen gegen jegliche Form von Rassismus und Diskriminierung zu setzen, wurde von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und der Initiative kulturelle Integration der bundesweite Aktionstag Hanau ins Leben gerufen.
Für den diesjährigen Aktionstag hat die Initiative kulturelle Integration in Kooperation mit dem Bundesverband Musikunterricht e.V. (BMU) im April 2024 den Schulwettbewerb „Ohren auf für Hanau!“ ausgeschrieben. Der Wettbewerb fand seinen feierlichen Höhenpunkt im Begegnungskonzert.
- Hier können Sie sich das Best-of zum Begegnungskonzert „Ohren auf für Hanau!“ ansehen.
- Mehr zur Initiative kulturelle Integration finden Sie hier.
6. Text der Woche: Menschenrecht Kultur – Inklusion ist kein »nice to have« von Gabriele Schulz
Der Zugang von Menschen zu Kultur, die Partizipation am Arbeitsmarkt Kultur ist ein Menschenrecht. Bis dies verwirklicht ist, ist noch vieles zu tun. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen und vor allem einer Schärfung des Bewusstseins, dass mehr Inklusion allen zugutekommt.
Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates
- Hier lesen Sie den ganzen Beitrag.