Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm „Kultur 2007“ (2007 – 2013): Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 29.09.2004. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass die Europäische Kommission mit dem Vorschlag über das künftige EU-Kulturförderprogramm „Kultur 2007“ eine Diskussionsgrundlage zur künftigen europäischen Kulturförderung vorgelegt hat.

 

Kultur 2007

Das Programm „Kultur 2007“ knüpft an die Vorgängerprogramme Kaleidoskop, Ariane und Raphael (1993 bis 1999) und Kultur 2000 (seit Februar 2000) an und entwickelt diese weiter. Es soll ab dem Jahr 2007, in dem eine generelle Neuauflage der europäischen Förderprogramme erfolgen soll, gelten. Noch im Jahr 2005 soll das Programm in den europäischen Gremien entschieden und damit frühzeitig auf den Weg gebracht werden.

 

In dem Programm „Kultur 2007“ werden die drei Säulen der europäischen Kulturförderung, nämlich das Rahmenprogramm Kultur 2000, die Unterstützung von Organisationen von europäischem Interesse und die Veranstaltung „Kulturhauptstadt Europas“ zusammengefasst. Das Programm „Kultur 2007“ soll sich im Unterschied zu Kultur 2000 auf wenige Ziele konzentrieren. Die EU-Kommission merkt in der Vorstellung des Programms „Kultur 2007“ selbstkritisch an, dass mit Kultur 2000 eine Vielzahl von Zielen mit begrenzten finanziellen Mitteln erreicht werden sollte und dadurch der Eindruck der Zersplitterung entstand. Das neue Programm konzentriert sich demgegenüber auf drei Zielsetzungen:

  • Unterstützung der grenzüberschreitenden Mobilität von Menschen, die im Kultursektor arbeiten,
  • Unterstützung der internationalen Verbreitung von Kunstwerken sowie künstlerischen und kulturellen Erzeugnissen,
  • Förderung des interkulturellen Dialogs.

 

Durch „Kultur 2007“ geförderte Projekte oder Aktionen müssen mindestens zwei der genannten Zielsetzungen verfolgen.

 

Mit Hilfe von drei Aktionsbereichen sollen die genannten Zielsetzungen verfolgt werden:

  • Unterstützung kultureller Projektes, d.h. der direkten Unterstützung von europäischen Kooperationsvorhaben und so genannten „besonderen Projekten“ wie z.B. den Kulturhauptstädten Europas,
  • Unterstützung von auf europäischer Ebene tätigen kulturellen Einrichtungen, d.h. der direkten Unterstützung von Netzwerken,
  • Unterstützung von Analysen sowie der Informationssammlung und -verbreitung im Bereich der kulturellen Zusammenarbeit.

 

Bewertung des Programms „Kultur 2007“

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass mit dem neuen Programm die verschiedenen Aktivitäten der Europäischen Union in der Kulturförderung zusammengefasst werden und damit ein Gesamtbild der Europäischen Kulturförderung entsteht. Europäische Kulturförderung muss mehr sein als ein Ausfallbürge für sinkende Zuschüsse auf der nationalen Ebene. Sie verfolgt eine eigene, eine europäische Idee und muss diese in den Mittelpunkt ihrer Fördertätigkeit stellen. Europäische Kulturförderung nimmt damit quasi „überwölbende“ Aufgaben in der Kulturförderung wahr, die über die lokale, regionale, landes- oder bundesweite Kulturförderung hinausgehen.

 

Europäische Kulturförderung muss sich auf die Künste, das kulturelle Erbe und die Kulturakteure beziehen. Sie ist kein Ersatz für die Öffentlichkeitsarbeit der Europäischen Union zum Einigungsprozess. Die Künste, das kulturelle Erbe und die Kulturakteure müssen daher in den Mittelpunkt des neuen Förderprogramms gerückt werden. Diese Intention wird nach Auffassung des Deutschen Kulturrates noch nicht eindeutig in dem Vorschlag zu „Kultur 2007“ zum Ausdruck gebracht. Nach wie vor drängt sich der Eindruck auf, Europa den Bürgerinnen und Bürgern mit Hilfe der Kultur näher bringen zu wollen.

 

Im Vorschlag zum Programm „Kultur 2007“ ist eine deutlichere Fokussierung auf größere Projekte zu erkennen als es bei Kultur 2000 der Fall ist. Dieses ist bereits in der geforderten Mittelausstattung erkennbar. So sinnvoll eine Förderung größerer Vorhaben ist, darf dieses nicht zu Lasten kleinerer Projekte gehen. „Kultur 2007“ würde Projekte mit mindestens 60.000 Euro und höchsten 200.000 Euro aus europäischen Fördermitteln unterstützen. Diese Unterstützung darf höchstens 50% des Projektvolumens ausmachen. D.h. das Projekt muss mindestens einen Etat von 120.000 Euro haben. Durch diese Finanzierungsvorgaben werden kleinere Projekte, die durchaus eine europäische Relevanz aufweisen können und die geforderten Zielsetzungen erfüllen , von der Förderung von vorneherein ausgeschlossen.

 

Begrüßenswert ist, dass Kultur 2007 spartenübergreifend angelegt ist und damit den Austausch unter den Künsten und Akteuren befördern kann.

 

Unbefriedigend ist jedoch die vage Absichtserklärung, dass die Europäische Kommission in Zukunft für die Abstimmung des Programms mit den anderen Maßnahmen der Gemeinschaft sorgen wird. Dies lässt befürchten, dass auch weiterhin keine gezielte Strategie zur Zusammenarbeit z.B. mit den neuen Bildungsprogrammen verfolgt werden wird.

 

Unzureichend ist das vorgesehene Budget für Kultur 2007. Für einen Zeitraum von sechs Jahren ist ein Budget von 408 Mio. Euro vorgesehen. Mit diesem Budget soll die Zusammenarbeit von Kulturakteuren aus insgesamt 25 Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie Drittländern gefördert werden. Darüber hinaus soll die administrative Abwicklung des Programms sowie die Bekanntmachung des Programms aus den direkten Fördermitteln finanziert werden.

 

Forderungen des Deutschen Kulturrates

Der Deutsche Kulturrat fordert,

  • eine adäquate Mittelausstattung des Programms „Kultur 2007“. Das Europäische Parlament bekennt sich bereits seit mehreren Jahren zu einem anzustrebenden Anteil von einem Prozent am Gesamtetat der Europäischen Union. Von dieser parlamentarischen Zielvorgabe ist der Entwurf des Programms Kultur 2007 weit entfernt.
  • die Vorgabe, dass sechs Partner sich an einem Projekt beteiligen müssen, noch einmal zu überdenken. Die Beteiligung so vieler Partner führt zu einem vermehrten bürokratischen Aufwand. Der europäische Mehrwert lässt sich nicht unbedingt durch die Anzahl an Partnern, sondern vielmehr die Tiefe der Zusammenarbeit erreichen.
  • eine transparente Vergabe der Mittel. Die Vergabe der Mittel sollte durch eine Jury erfolgen. Sowohl die Namen der Jurymitglieder und deren Entscheidungen sollten öffentlich zugänglich sein.
  • die Möglichkeit einer 100%igen Förderung durch die Europäische Union. Die europäische Kulturpolitik hat eine eigene Qualität. Ihre Kulturförderung zielt über die bestehenden Förderprogramme auf der nationalen bzw. Landes- oder kommunalen Ebene hinaus. Mit der Möglichkeit, kulturelle Projekte zu 100% zu fördern, bekennt sich die Europäische Union zu ihrem Auftrag, Kulturförderung mit eigenen Zielsetzungen zu entwickeln.
  • eine Änderung der finanziellen Abwicklung. Die bisherige Praxis der Europäischen Union, einen Rest der Fördersumme (bislang 20%) bis zur abschließenden Prüfung der Verwendungsnachweise einzubehalten, stellt gerade kleinere Institutionen mit geringeren finanziellen Ressourcen vor große finanzielle Schwierigkeiten und ist nicht mit dem deutschen Haushaltsrecht kompatibel.
  • die geplante Exekutivagentur zur Abwicklung von Kultur 2007 sowie die nationalen Informationsstellen (Cultural Contact Point) dürfen nicht aus dem Programm „Kultur 2007“, sondern müssen aus dem Verwaltungsetat der EU-Kommission finanziert werden. Das ohnehin schmale Budget zur europäischen Kulturförderung darf nicht durch zusätzliche Verwaltungskosten in beträchtlicher Höhe geschmälert werden.
  • eine Entbürokratisierung des Verfahrens. Das bisherige Verfahren führt zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand, der im Widerspruch zu dem gewünschten Effekt einer stärkeren Zusammenarbeit in Europa steht.
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