Öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss entwicklungsfähig bleiben

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Entwurf des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags

Berlin, den 26.05.2008. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, fordert die Länder auf, den Bestand und die Entwicklungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zu beschneiden.

 

Ziel des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags ist es, den so genannten Brüsseler Beihilfekompromiss aus dem Jahr 2007 in nationales Recht zu überführen. Das zentrale Anliegen besteht darin, Regelungen für die Telemedien- und Onlineangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu treffen. Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass die nunmehr von den Ländern vorgeschlagenen Regelungen über die von ihnen gegenüber der EU-Kommission gemachten Zusagen hinsichtlich des Beihilfekompromiss hinausgehen und die Entwicklungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschränken.

 

Im Entwurf zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag mit Stand vom 26. März 2008 wird zu Recht ausgeführt, dass die Telemedien- und Onlineangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Informationsgesellschaft ermöglichen, Orientierungshilfe bieten sowie die technische und inhaltliche Medienkompetenz aller Generationen und von Minderheiten fördern sollen. Aber dieser an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestellte Anspruch kann aufgrund der vorgesehenen Begrenzungen nicht umfassend eingelöst werden.

 

Mit Blick auf die im Entwurf zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag getroffene Zuordnung von Programmangeboten zu Bildung oder Kultur verweist der Deutsche Kulturrat darauf, dass eine exakte Trennschärfe zwischen Bildung und Kultur kaum möglich ist. Es gibt zahlreiche Schnittmengen und Überschneidungen zwischen Bildung und Kultur, die es zu berücksichtigen gilt und die die vorgeschlagen Abgrenzung als nicht sinnvoll erscheinen lassen.

 

Konvergenz der Medien

Über die Konvergenz der Medien wird bereits seit vielen Jahren gesprochen. Inzwischen wurden die technischen Geräte soweit weiterentwickelt, dass technische Konvergenz tatsächlich vorliegt. Internetradios schaffen den Zugang zu Datenbanken mit Musiktiteln, Fernsehen kann mit dem Computer gesehen werden, die Zuschauer und Zuhörer erwarten Zusatzangebote, die im Internet abgerufen werden können, mobile Endgeräte wie Handys bieten Zusatzfunktionen, um Radio zu hören oder Fernsehsendungen zu empfangen.

 

Neben der technischen Konvergenz besteht eine inhaltliche Konvergenz. Inhalte werden auf verschiedenen Plattformen – Fernsehen, Radio, Internet – gesucht. Insbesondere bei der jüngeren Generation gewinnt der Verbreitungsweg Internet auch für das Fernsehen und den Hörfunk zunehmend an Bedeutung.

 

Telemedien- und Onlineangebote eröffnen neue Chancen. Zeitungs- und Zeitschriftenverlage bieten zusätzlich zu ihren traditionellen Präsentationsformen (Texten und Bildern) audiovisuelle Inhalte an, gehen also einen Schritt in Richtung Rundfunk. Rundfunkanstalten unterstützen ihre audiovisuellen Angebote durch Texte und Bilder. Zusatzangebote, die zuvor bei Sendern schriftlich angefordert werden konnten, können nunmehr im Internet abgerufen werden. Die Zuschauer und Zuhörer erwarten diesen Zusatznutzen.

 

Damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in Zukunft seinen Versorgungs- sowie inhaltlichen Auftrag erfüllen kann, ist es erforderlich, dass er von den durch die Technik vorgeprägten Entwicklungsmöglichkeiten des Rundfunks und den neuen technischen Verbreitungswegen nicht abgeschnitten wird. Die Vorschläge aus dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sichern diese Partizipation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an den neuen technischen Möglichkeiten nicht. Im Gegenteil, sie verschließen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wesentliche Vorteile der Verbreitungsmöglichkeiten im Interesse und zum Vorteil seiner Zuhörer und Zuschauer.

 

Der Deutsche Kulturrat konzentriert sich in dieser Stellungnahme auf die im Entwurf zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag vorgeschlagenen Regelungen zu Telemedien- und Onlineangeboten. An anderer Stelle wird sich der Deutsche Kulturrat ausführlich zu den Auswirkungen der Digitalisierung positionieren.

 

Begrenzung des Abrufs auf 7 Tage

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollen künftig Sendungen bis zu sieben Tage im Internet anbieten können. Sportsendungen und Spielfilme nur bis zu 24 Stunden. Diese Einschränkung bedeutet, dass u.a. Bildungs- und Kultursendungen sowie Dokumentarfilme, die erfahrungsgemäß ein spezifisches Publikum ansprechen, nach der Sendung nicht mehr zugänglich gemacht werden. Dabei würde gerade das Internet die Möglichkeit eröffnen, auch über sieben Tage hinaus Angebote, die einen kleineren Kreis von Nutzerinnen und Nutzern ansprechen, länger zugänglich zu machen. Dass dabei grundsätzlich eine angemessene Vergütung der Urheber und Leistungsschutzberechtigten erfolgen muss, versteht sich von selbst. Der Deutsche Kulturrat sieht daher das Erfordernis, die zeitliche Beschränkung des Abrufs generell aufzuheben.

 

Zusatzangebote

Zusatzangebote sollen künftig nur noch sendungs- und nicht mehr programmbezogen im Internet zugänglich gemacht werden können. Beratungs- und Vergleichsdienstleistungen sollen nicht aktualisiert werden können. Eine solche Regelung würde dazu führen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die spezifischen Möglichkeiten des Internets nicht mehr ausschöpfen kann und bei Beratungs- und Vergleichsdienstleistungen sogar dazu verurteilt wird, veraltete Informationen anzubieten. Dieses ist nicht im Interesse der Nutzer und Verbraucher und könnte zu einem deutlichen Akzeptanzverlust führen.

 

Darüber hinaus sollen laut Entwurf des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags textbasierte Inhalte nur sendungsbezogen zulässig sein. Dieses widerspricht nicht nur den spezifischen Möglichkeiten, die das Internet bietet, es läuft auch den Nutzungsgewohnheiten zuwider. Gerade jüngere Menschen – auch Kinder und Jugendliche – nutzen heute das Internet selbstverständlich. Angebote für Kinder und Jugendliche wie Kika.de bieten werbefrei Fernseh- und Hörfunkinhalte sowie Texte, Bilder und Spiele. Eine Einschränkung der Internetaktivitäten auf sendungsbezogene Inhalte würde dieses Angebot, das einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen leistet, stark einschränken.

 

Aber auch mit Blick auf Programmangebote in den Feldern Kultur, Bildung und Unterhaltung würde eine Einschränkung auf sendungsbezogene Inhalte zu einer unverhältnismäßigen und nicht gerechtfertigten Einschränkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führen. Angebote aus dem Bereich Kultur sprechen erfahrungsgemäß einen speziellen Kreis an Nutzerinnen und Nutzern an. Diese Nutzerinnen und Nutzer sind aber zumeist ganz besonders an umfassenden Informationen und Hinweisen auf zusätzliche Informationsmöglichkeiten interessiert, wie sie von privaten Anbietern aufgrund ihres ohnehin begrenzten Angebots für diese kleinen Zielgruppen nicht angeboten werden.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert daher, die vorgesehene Einschränkung der Telemedien- und Onlineangebote auf sendungsbezogene Inhalte aufzugeben.

 

Archive

Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass zeit- und kulturgeschichtliche Inhalte im Rahmen des zu erstellenden Telemedien- und Onlinekonzepts zugänglich gemacht werden sollen. In den Archiven der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten befinden sich Schätze, die es sich zu heben lohnt. Eine öffentliche Zugänglichmachung kann allerdings nur bei einer angemessenen Vergütung der Urheber und Leistungsschutzberechtigten sowie unter Wahrung des Urheberpersönlichkeitsrechts erfolgen.

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