Für ein die Kultur stärkendes Steuerrecht – aktuelle steuerpolitische Vorschläge des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 08.11.2022. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, unterstreicht, dass Steuerpolitik ein zentrales Instrument der indirekten Kulturförderung ist. Ein die Kultur stärkendes Steuerrecht trägt dazu bei, dass mehr Menschen Kunst und Kultur nutzen und Angebote der kulturellen Bildung wahrnehmen können. Über das Steuerrecht können die Kulturmärkte stimuliert werden. Es kann auch mehr Menschen die Möglichkeit eröffnen, Kunst zu vertretbaren Preisen zu erwerben.

 

In diesem Sinne macht der Deutsche Kulturrat Vorschläge für ein die Kultur stärkendes Steuerrecht und fordert die Bundesregierung und die Mitglieder des Deutschen Bundestags auf, rasch zu handeln. Bei einigen der nachfolgend genannten Themen besteht besondere Dringlichkeit.

 

Umsatzsteuer

 

Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen

 

Im Koalitionsvertrag haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vereinbart, dass an der Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen festgehalten und eine europarechtskonforme Umsatzsteuerbefreiung gemeinwohlorientierter Bildungsdienstleistungen erzielt werden soll.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert die Bundesregierung auf, dieses Ziel schnell und mit Nachdruck zu verfolgen, da dringender Handlungsbedarf besteht. Ab dem 01.01.2023 müssen Kommunen auf Leistungen und Angebote, die auch private Unternehmen erbringen oder erbringen könnten, Umsatzsteuer abführen sowie Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen abgeben. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf kommunale Musikschulen, Volkshochschulen und vergleichbare Einrichtungen.

 

Auch hält der Deutsche Kulturrat eine unterschiedliche Behandlung beruflicher und allgemeiner Bildungsangebote, darunter auch die der kulturellen Bildung, für nicht zweckmäßig. Viele Bildungsanbieter sind sowohl in der allgemeinen als auch der Berufsausbildung tätig. In der kulturellen Bildung gibt es teilweise fließende Übergänge von der allgemeinen in die Berufsbildung. Die außerberufliche Bildung hat einen besonderen Stellenwert nicht nur für die individuelle Persönlichkeitsentwicklung, sondern auch für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Umsatzsteuerbefreiung von Bildungsdienstleistungen ermöglicht auch jenen Menschen den Zugang zu kultureller Bildung, die über geringe finanzielle Ressourcen verfügen. Das lebensbegleitende Lernen gewinnt weiterhin an Bedeutung. Die Bereitschaft zum lebensbegleitenden Lernen gilt es zu stärken und nicht durch eine Verteuerung des Angebots aufgrund der Umsatzsteuer zu erschweren.

 

Konkret fordert der Deutsche Kulturrat, die bestehende Umsatzsteuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen zu erhalten sowie ggfs. einer verengten Auslegung der Tatbestände durch die Rechtsprechung gesetzgeberisch entgegenzusteuern. Bis es eine neue Rechtslage gibt, muss die bestehende umgesetzt und darf nicht durch die Rechtsprechung unterlaufen werden.

 

Darüber hinaus sollte eine Differenzierung zwischen gewerblichen und nicht-gewerblichen, gemeinwohlorientierten Bildungsanbietern vorgesehen werden. Wenn gewerbliche Bildungsanbieter von der Umsatzsteuer befreit würden, könnten sie keine Vorsteuer abziehen, sodass definitiv Mehrkosten für diese Bildungsanbieter in Höhe von 19 Prozent entstehen, was zu einer Verteuerung des Bildungsangebots gewerblicher Anbieter und einer Gefährdung von deren Wettbewerbsfähigkeit führen würde.

 

Optionsrecht für Kultureinrichtungen bei der Umsatzsteuerbefreiung für kulturelle Dienstleistungen

 

Weiter erinnert der Deutsche Kulturrat an seine Forderung, Kultureinrichtungen ein Optionsrecht einzuräumen, mit dem ihnen der Verzicht auf eine Umsatzsteuerbefreiung für kulturelle Dienstleistungen ermöglicht wird. Bereits die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Kultur in Deutschland“ des 16. Deutschen Bundestags hat in ihrem Schlussbericht (Bundestagsdrucksache 16/7000) ein solches Optionsrecht empfohlen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Kultureinrichtungen gibt, die – entgegen dem eigentlichen Sinn und Zweck einer Entlastung der Kosten kultureller Dienstleistungen von der Umsatzsteuer – de facto umsatzsteuerlich belastet werden, weil sie aufgrund einer Umsatzsteuerbefreiung nicht mehr zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Nach wie vor stehen insbesondere privatwirtschaftliche Kultureinrichtungen vor dem Problem, dass die Finanzbehörden von sich aus für eine Umsatzsteuerbefreiung votieren und die entsprechenden Schritte bei den zuständigen Kulturbehörden einleiten, ohne zuvor mit den Kultureinrichtungen Rücksprache genommen zu haben. Für die Kultureinrichtungen hat dieses Vorgehen negative Auswirkungen, da oftmals in beträchtlichem Umfang bereits erstattete Vorsteuern wieder zurückgezahlt werden müssen.

 

Ermäßigter Umsatzsteuersatz bei Kunstverkäufen durch Unternehmen

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt sehr, dass mit der seit dem 05.04.2022 geltenden Umsatzsteueränderungsrichtlinie den Mitgliedstaaten ein Instrument in die Hand gegeben wurde, europarechtskonform den ermäßigten Umsatzsteuersatz für gewerbliche Kunstverkäufe, also beispielsweise Galerien oder den Kunsthandel, einzuführen. Die EU-Mitgliedstaaten müssen nun aus einem Katalog von 27 Produkt- und Dienstleistungsgruppen jene 24 auswählen, für die ein ermäßigter Umsatzsteuersatz gelten soll. In diesem Katalog ist der Verkauf von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten aufgeführt.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert die Bundesregierung auf, in den deutschen Katalog für Umsatzsteuerermäßigungen Kunstgegenstände im Sinne der EU-Richtlinie aufzunehmen. Durch den ermäßigten Umsatzsteuersatz sinkt der Preis bei gewerblichen Kunstverkäufen. Dies ist ein bedeutendes Instrument, um insbesondere die Arbeiten junger oder auch wenig bekannter Künstlerinnen und Künstler publik zu machen und so Verkäufe zu ermöglichen. Die Einführung der ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Kunstverkäufe durch Unternehmen verbessert die Wettbewerbssituation deutscher Unternehmen auf dem europäischen und internationalen Kunstmarkt.

 

Klarheit bei Umsatzsteuerermäßigungen herstellen

 

Ebenso fordert der Deutsche Kulturrat, dass für Lesungen, für Hörspiele, für Skulpturen und Rauminstallationen, für Kunst am Bau, künstlerische Fotografie, Lichtkunst und Serigraphien ein einheitlicher Umsatzsteuersatz von 7% eingeführt wird. Ferner werden aktuell Lesungen mit schauspielerischen Darbietungen mit 7% Umsatzsteuer belegt, „einfache“ Lesungen hingegen mit 19%. Dramaturgisch gestaltete Hörbücher (Hörspiele) haben einen Umsatzsteuersatz von 19%, gelesene Hörbücher von 7%. Die Lieferung von Rauminstallationen und Skulpturen durch Künstlerinnen und Künstler hat einen Umsatzsteuersatz von 7%; wenn zur künstlerischen Leistung auch der Aufbau gehört, fallen jedoch 19% an. Bei Kunst am Bau wird die Lieferung und Anbringung von festinstallierten Bildwerken mit 19% besteuert, wenn das Bildwerk abnehmbar ist, beträgt der Umsatzsteuersatz 7%. Künstlerische Fotografie, Lichtkunst und Serigraphien haben einen Umsatzsteuersatz von 19%, Malerei und Bildhauerei hingegen nur 7%.

 

Diese Unterschiede sind weder nachvollziehbar, noch mit Blick auf die Leistung der Urheberinnen und Urheber begründbar. Die bestehenden Regelungen stiften vielfach Unsicherheit und Verwirrung. Ein einheitlicher Umsatzsteuersatz von 7% würde für Klarheit sorgen, die üblicherweise in künstlerischen Techniken ausgeführten Leistungen sowie die gewerblichen Verkäufer und die Urheberinnen und Urheber gleichbehandeln.

 

Differenzbesteuerung

 

Der Deutsche Kulturrat spricht sich dafür aus, dass für die Unternehmen, die mit dem Instrument der Differenzbesteuerung arbeiten wollen, diese Möglichkeit erhalten bleibt. Dies soll auch dann gelten, wenn für den gewerblichen Kunstverkauf der ermäßigte Umsatzsteuersatz wieder eingeführt wird.

 

Für den Ankauf von Konvoluten, wie z.B. historischen Münzen, spricht sich der Deutsche Kulturrat dafür aus, den bei der Gesamtdifferenzbesteuerung seit 1994 geltenden derzeitigen Ankaufswert von 500 Euro auf 2.500 Euro anzuheben. Inflation und gestiegene Kunstmarktpreise machen dies erforderlich. Der niedrige Wert führt zu unnötigen Dokumentationspflichten im Einzelfall, ohne das Steueraufkommen zu erhöhen. Eine Anlehnung an die Wertgrenze von 2.500 Euro auf § 42 Kulturgutschutzgesetz erscheint als sinnvoll, weil ab diesem Wert ohnehin Dokumentationspflichten zu erfüllen sind.

 

Einfuhrumsatzsteuer

 

Laut EU-Rechtssetzung können die Mitgliedstaaten die Einfuhr von Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten mit einem ermäßigten Umsatzsteuersatz belegen. In einigen EU-Mitgliedstaaten wird von dieser Möglichkeit auch für Antiquitäten – zu denen im Übrigen der gesamte Asiatikamarkt zählt – Gebrauch gemacht, wohingegen in Deutschland für Antiquitäten der volle Umsatzsteuersatz anfällt. Dies führt zu einer Benachteiligung des deutschen Kunsthandels gegenüber den europäischen Mitbewerbern.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert daher die Bundesregierung auf, in § 12 Abs. 2 Nr. 12 Umsatzsteuergesetz sowie in der Anlage 2 zum Umsatzsteuergesetz Antiquitäten (Zolltarifnummer 9706) hinzuzufügen, damit auch in Deutschland bei der Einfuhr von Antiquitäten der ermäßigte Einfuhrumsatzsteuersatz angewandt werden kann.

 

Altfallregelung großzügiger anwenden

 

Die Instandhaltung, Sanierung und der Umbau von Bestandsgebäuden sind kosten- und kapitalintensiv. Bei einer anschließenden Nutzung für Wohnzwecke oder nicht unternehmerische Zwecke (z. B. durch Universitäten, die öffentliche Hand oder medizinische Einrichtungen) kann die Umsatzsteuer für die Planungs- Bau- und Sanierungskosten nicht als Vorsteuer abgezogen werden. Allerdings lässt das Umsatzsteuerrecht für bestimmte Alt- bzw. Bestandsgebäude Ausnahmen zu, wenn das Gebäude nach der Sanierungsmaßnahme weiterhin als Altbau im umsatzsteuerlichen Sinn anzusehen ist. Die Finanzverwaltung legt diese Regel oft zum Nachteil der Sanierer aus. Der Deutsche Kulturrat fordert daher, diese Regelung großzügiger anzuwenden, um den Umbau nicht zusätzlich steuerlich zu erschweren.

 

Einkommenssteuer

 

Besteuerung im Ausland lebender Künstler, die in Deutschland auftreten

 

Aus Sicht des Deutschen Kulturrates haben sich die Regelungen zur Besteuerung von im Ausland lebenden Künstlerinnen und Künstlern, die in Deutschland auftreten, bewährt. Da die Honorare seit Einführung der vereinfachten Regelungen im Jahr 2009 gestiegen sind und generell das Ziel einer fairen Vergütung von Künstlerinnen und Künstlern verfolgt wird, sollte die Milderungsregel nach § 50a EStG von 250 Euro (Bruttovergütungsvereinbarung) pro Person pro Auftritt auf 500 Euro angehoben werden.

 

Baukultur im Einkommensteuerrecht stärker berücksichtigen

 

Im Ertragssteuerrecht finden sich an verschiedenen Stellen Vorschriften, die die Sanierung und Aufstockung von Gebäuden begünstigen. Allerdings stellt das Gesetz meist schlicht darauf ab, ob z. B. Fenster, Türen oder Dächer energetisch ertüchtigt werden. Baukulturelle Aspekte spielen keine Rolle. So wird etwa auch der Austausch eines hochwertigen Holzfensters gegen ein schlichtes Kunststofffenster gefördert. Der Deutsche Kulturrat regt daher an, neben ökologischen Aspekten auch baukulturelle Ansätze im Steuerrecht zu berücksichtigen.

 

Perspektiven

 

Über die zuvor genannten jetzt erforderlichen Änderungen im Umsatzsteuer- sowie dem Einkommensteuergesetz hinaus wird der Deutsche Kulturrat Vorschläge für steuerliche Anreize zu Gunsten von Kunst und Kultur erarbeiten. Er wird dabei insbesondere darauf eingehen, wie Impulse dafür gesetzt werden können, dass die Teilhabe an Kultur und der Erwerb von Kunst gesteigert wird, um damit die Kulturmärkte zu stimulieren und eine breite Partizipation an Kunst und Kultur zu befördern.

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