Arbeits- und Sozialpolitik für die Kultur

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu den arbeits- und sozialpolitischen Vorhaben im Koalitionsvertrag für den Kultur- und Mediensektor

Berlin, den 19.03.2014. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass sich die Regierungskoalition im Koalitionsvertrag ausdrücklich zur sozialen Absicherung im Kunst-, Kultur- und Mediensektor bekennt. Die soziale Absicherung der im Kunst-, Kultur- und Medienbereich Beschäftigten sowie der freiberuflich Tätigen muss im Sozial- und Kulturstaat Deutschland eine Selbstverständlichkeit sein. Gerade künstlerische Berufe und andere Kulturberufe zeichnen sich durch einige Spezifika aus: Sie sind teilweise durch kurz befristete Beschäftigungen gekennzeichnet. Der Selbständigkeit wird ein wichtiger Stellenwert beigemessen. Viele Erwerbsbiographien sind durch Patchwork-Tätigkeiten mit einem Neben- oder auch Nacheinander von dauerhafter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, kurz befristeter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, Selbständigkeit oder auch befristeter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung geprägt. Die Einkommen schwanken je nach Auftragslage teilweise beträchtlich. Einige Berufe zeichnen sich durch eine verhältnismäßig kurze Laufbahn mit dem Erfordernis eines Berufsübergangs aus.

 

Die Kultur- wie auch die Arbeits- und Sozialpolitik sind daher gefordert, diesen Besonderheiten Rechnung zu tragen.

 

Im Folgenden nimmt der Deutsche Kulturrat zu drei im Koalitionsvertrag angesprochenen arbeits- und sozialrechtlichen Themen Stellung.

 

Abgabegerechtigkeit bei der Künstlersozialabgabe
Der Deutsche Kulturrat unterstützt ausdrücklich das Vorhaben der Bundesregierung, durch gesetzliche Maßnahmen für Abgabegerechtigkeit bei der Künstlersozialversicherung Sorge zu tragen. Abgabe- und Beitragsgerechtigkeit sind ein konstitutives Element des gesamten Sozialversicherungssystems, insofern sollte Abgabegerechtigkeit auch bei der Künstlersozialabgabe gewährleistet sein. Deshalb unterstützt der Deutsche Kulturrat, dass die Deutsche Rentenversicherung als bewährte und erfahrene Institution zur Prüfung der korrekten Abführung von Sozialabgaben für abhängig Beschäftigte künftig im selben Rhythmus von vier Jahren die Abführung der Künstlersozialabgabe bei Arbeitgebern prüft. Der Deutsche Kulturrat kann nicht erkennen, warum bei dieser Prüfung eine Kosten-Nutzenrechnung für erforderlich erachtet wird, da der Gesetzgeber davon ausgehen muss, dass die Künstlersozialabgabe ebenso wie die Sozialabgaben für Arbeitnehmer ordnungsgemäß entrichtet wird.

 

Zugleich sieht der Deutsche Kulturrat das Erfordernis, dass der Bund in stärkerem Maße für die Künstlersozialabgabeausfälle eintritt, die er politisch zu verantworten hat. So wurden in den vergangenen Jahren beispielsweise zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements Ausnahmen von der Abgabepflicht eingeführt. Wenn der Bund bürgerschaftlichen Vereinen Vergünstigungen gewährt, muss sichergestellt werden, dass die entstehenden Ausfälle nicht von den anderen Abgabepflichtigen geschultert werden müssen. Daher muss der Bund künftig in stärkerem Maße mit seinem Bundeszuschuss für die beschlossenen Ausnahmen eintreten.

 

Bei der Einführung einer Lebensleistungsrente muss den besonderen Belangen der in der Künstlersozialversicherung versicherten selbständigen Künstlern und Publizisten Rechnung getragen werden. Die Künstlersozialversicherung hat erst im Jahr 1983 ihre Arbeit aufgenommen. Freiberufliche Künstler und Publizisten, die jetzt das Rentenalter erreichen, haben daher Probleme, die geforderten Versicherungsjahre zu erreichen. Der Deutsche Kulturrat fordert deshalb die Bundesregierung auf, unkomplizierte pauschale Übergangslösungen für diese Gruppe zu finden. Der Deutsche Kulturrat schlägt vor, in der Übergangsphase bis 2023 für Künstler und Publizisten die Anforderungen auf lediglich 35 Jahre an rentenrechtlichen Zeiten und 25 Jahre Pflichtbeiträge aus Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflege zu reduzieren.

 

Ebenso gilt es, die Verbreitung im digitalen Umfeld stärker in den Blick zu nehmen. Hier zeichnet sich ab, dass die Selbstvermarktung künstlerischer Dienstleistungen und Werke an Bedeutung gewinnen. Daraus folgt, dass weniger Künstlersozialabgabe anfällt, da es bei Selbstvermarktungen keinen Abgabeschuldner gibt. Auch für diese Einnahmelücke müsste der Bund mit einem höheren Bundeszuschuss einstehen.

 

Weiter muss verhindert werden, dass Künstler in die Scheinselbständigkeit gedrängt werden, damit Unternehmen Sozialabgaben einsparen. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sollte Vorrang haben.

 

Honorarzahlungen an Künstler machen einen erheblichen Etatposten bei Kultureinrichtungen und Unternehmen der Kulturwirtschaft aus. Für sie ist daher die Planungssicherheit hinsichtlich der Künstlersozialabgabe ein wichtiger Faktor. Oftmals werden für Jahre im Voraus vertragliche Bindungen eingegangen. Für mittelfristige Finanzplanungen wird Planungssicherheit bei den zu entrichtenden Abgaben benötigt. Ein stabiler Künstlersozialabgabesatz ist für den Kultur- und Mediensektor und die beteiligten Wirtschaftsunternehmen von sehr großer Bedeutung. Daher greift der Deutsche Kulturrat aktuell seinen bereits im Jahr 2000 formulierten Vorschlag einer veränderten Festlegung des Abgabesatzes wieder auf: Er schlägt vor, dass die Verwerter die Künstlersozialabgabe nach einem festen, für die Abgabepflichtigen finanzierbaren Abgabesatz entrichten. Dieser Abgabesatz wird für einen mittelfristigen Zeitraum festgelegt und verändert sich innerhalb dieses Zeitraums nur unter Berücksichtigung der allgemeinen Sozialabgabesätze. Die daraus resultierende Abgabe wird durch einen Bundeszuschuss auf 50% der Beitragsausgaben der Künstlersozialkasse aufgefüllt und darf nicht unter die Höhe sinken, die den vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 08.04.1987 dargestellten Anforderungen entspricht. In einem solchen Fall müsste der Abgabesatz der Abgabepflichtigen gesenkt werden.

 

Arbeitslosengeld I bei kurz befristet Beschäftigten
Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass eine Anschlussregelung mit Blick auf das Arbeitslosengeld I bei kurz befristet Beschäftigten gefunden werden soll. Er unterstreicht, dass bei Zahlungen von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung zumindest die Chance bestehen muss, im Fall von Arbeitslosigkeit auch Arbeitslosengeld I beziehen zu können. Die bestehenden Regelungen bei kurz befristet Beschäftigten sind nach wie vor unbefriedigend. Dies trifft im Kultursektor vor allem auf Beschäftigte in Theatern sowie der Film- und Fernsehbranche zu. Der Deutsche Kulturrat fordert die Bundesregierung auf, unter Beteiligung der Fachverbände zügig nach adäquaten Lösungen zu suchen.

 

Regelung zur Tarifeinheit
Der Deutsche Kulturrat wendet sich gegen die geplante Regelung zur Tarifeinheit. Gerade im Kunst-, Kultur- und Mediensektor gewährleisten die berufsspezifischen Gewerkschaften und Berufsverbände wie auch berufsspezifische Arbeitgeberorganisationen als Pendant, dass adäquate, dem Sektor angepasste tarifliche Regelungen getroffen werden. Würde die Regelung zur Tarifeinheit eingeführt, gäbe es in einigen Betrieben die Situation, dass die berufsspezifischen Gewerkschaften, die die sektorspezifischen Interessen der betroffenen Arbeitnehmer vertreten, keine Tarifverträge mehr abschließen könnten. Jene Gewerkschaften, die berufsspezifische Interessen vertreten, würden zwangsläufig ins Hintertreffen geraten, da sie im Betrieb nicht mehrheitlich vertreten wären. Auf mittlere Sicht stehen damit die Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie in Frage. Überdies wird die in Artikel 5 GG garantierte Kunstfreiheit tangiert. Der Deutsche Kulturrat fordert die Bundesregierung auf, von der geplanten Regelung zur Tarifeinheit Abstand zu nehmen.

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