11 Forderungen des Deutschen Kulturrates für die Koalitionsvereinbarung

Berlin, den 03.10.2021. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, repräsentiert die verschiedenen künstlerischen Sparten und unterschiedlichen Bereiche des kulturellen Lebens. In ihm haben sich Verbände und Organisationen der Künstlerinnen und Künstler, der Einrichtungen der Kultur, der kulturellen Bildung, der Kulturvereine sowie der Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft zusammengeschlossen. Gemeinsam treten die im Deutschen Kulturrat vertretenen Organisationen für Kunst-, Meinungs- und Informationsfreiheit sowie den Schutz der Urheberinnen und Urheber ein. Sie machen sich für ein lebendiges kulturelles Leben stark, das die Vielfalt der Kulturen, das kulturelle Erbe und die zeitgenössischen Ausdrucksformen widerspiegelt. Der Deutsche Kulturrat tritt für bestmögliche Rahmenbedingungen für den gesamten Kultur- und Mediensektor ein und verfolgt das Ziel einer umfassenden kulturellen Teilhabe. Denn: Kulturpolitik ist Gesellschaftspolitik.

 

Die Arbeit des Deutschen Kulturrates ist Ausdruck des zivilgesellschaftlichen Engagements für Kunst und Kultur. Bürgerschaftliches Engagement ist Ausdruck der Selbstermächtigung der Bürgerinnen und Bürger und damit ein lebendiger Teil der Demokratie. Eine selbstbewusste Zivilgesellschaft stärkt die Demokratie.

 

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie verletzbar der Kultur- und Medienbereich ist. Es kommt jetzt darauf an, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass der Kultur- und Medienbereich stabilisiert und zukunftssicher gemacht wird. Mit Blick auf diese Herausforderungen hat der Deutsche Kulturrat folgende Forderungen für den Koalitionsvertrag formuliert:

  1. Kulturetat erhöhen und Kommunen unterstützen:
    Der Kulturetat des Bundes ist in den letzten Legislaturperioden kontinuierlich gewachsen. In den Jahren 2020 und 2021 fanden Corona-bedingt zusätzliche Aufwüchse statt, die in das Jahr 2022 hineinreichen. Um die Kulturszene zu stabilisieren, bedarf es weiterhin eines hohen Niveaus an Bundesförderung, die sich auch in speziellen Programmen – ähnlich den bewährten – niederschlagen muss. Einsparungen im Kultur- und Medienbereich wären in der jetzigen Situation einer langsamen Öffnung und Stabilisierung das falsche Signal. Es geht vielmehr um notwendige Etaterhöhungen. Kommunen, die den größten Teil der Kulturfinanzierung tragen, müssen weiter entlastet werden, damit sie weiterhin Kultur finanzieren und das kulturelle Leben sichern können.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag die Erhöhung der Bundeskulturförderung vorzusehen sowie eine zielgerichtete Entlastung von Kommunen zu ermöglichen, um sie in die Lage zu versetzen, ihre kulturellen Aufgaben zu erfüllen. 
  1. Kultur- und Kreativwirtschaft stärken:
    Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein wesentlicher Leistungserbringer und Motor des kulturellen Lebens in Deutschland. Viele Unternehmen und Solo-Selbständige haben während der Corona-Pandemie erhebliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Die diversen Wirtschaftshilfen haben zwar zu einer Stabilisierung beigetragen, es wird allerdings noch einige Zeit dauern, bis das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht wird. Es kommt nun darauf an, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass unternehmerisches Handeln in der Kultur- und Kreativwirtschaft gestärkt wird.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft festzulegen und hierfür konkrete Maßnahmen vorzusehen. 
  1. Soziale Sicherung anpassen:
    In der Corona-Pandemie wurde die schwierige soziale Lage von Künstlerinnen und Künstler sowie von anderen Solo-Selbständigen im Kulturbereich deutlich. Branchenspezifische Mindesthonorare, eine Anpassung der Arbeitslosenversicherung für Selbständige, die Einbeziehung von Selbständigen in die gesetzliche Sozialversicherung – insbesondere von Gründern, ein stabiler Abgabesatz zur Künstlersozialversicherung und weiteres mehr sind dringend erforderlich, um die soziale Absicherung in Kultur und Medien zu verbessern.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag die Verbesserung der sozialen Lage im Kultur- und Medienbereich mit konkreten Maßnahmen zu unterlegen. 
  1. Digitalisierung gerecht gestalten:
    Die Digitalisierung ist ein Kultur- und Medienthema. Deutschland hinkt in der Digitalisierung hinterher. Die technische Infrastruktur muss ausgebaut werden, eine Fachkräfteinitiative für Kultur und Medien ist von Nöten. Weiter muss der Zugang zur kulturellen Medienbildung verbessert werden. Zugleich müssen die Rechteinhaber aus der Digitalisierung einen entsprechenden Ertrag ziehen können. Bislang findet die Digitalisierung allzu oft auf dem Rücken der Kultur- und Kreativwirtschaft einschließlich der Künstlerinnen und Künstler statt.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag eine Digitalisierungsoffensive zu vereinbaren und dabei nicht nur den freien Zugang zu digitalisierten Inhalten, sondern auch deren Monetarisierung im Blick zu halten. Dazu ist ein starkes Urheberrecht mit den Urheberinnen und Urhebern im Mittelpunkt unverzichtbar. 
  1. Klimawandel ist auch ein Kulturthema:
    Der menschengemachte Klimawandel stellt alle vor große Herausforderungen. In der nächsten Wahlperiode müssen politische Maßnahmen ergriffen werden, um wirksam gegen den Klimawandel zu kämpfen. Eine umfassende, nachhaltige Klimapolitik verlangt auch einen kulturellen Wandel. Der Kulturbereich kann einen eigenständigen Beitrag zur Bewältigung dieser Aufgabe leisten und verfügt in vielen Bereichen über entsprechende Expertise. Es bedarf allerdings entsprechender Investitionen und Anreizsysteme.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag Klimafragen mit Kulturfragen zu verbinden und Kulturinstitutionen sowie -unternehmen auf dem Weg zum klimaneutralen Wirtschaften zu unterstützen. 
  1. Kunst-, Wissenschafts-, Meinungs- und Medienfreiheit verteidigen:
    Die Kunst-, Wissenschafts-, Meinungs- und Medienfreiheit sind verfassungsrechtlich verbrieft und für die freiheitliche Gesellschaft unverzichtbar. Dazu gehört auch, dass Kunst verstörend sein oder Missfallen auslösen kann.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zur Kunst-, Wissenschafts- und Meinungsfreiheit abzugeben, diese zu sichern und festzulegen, sich hierfür im Inland, in Europa und im internationalen Kontext in aller Entschiedenheit einzusetzen. 
  1. Provenienzforschung sicherstellen und verstetigen:
    In den letzten Jahren sind die Mittel für die Provenienzforschung kontinuierlich erhöht und dieses Arbeitsfeld verstärkt worden. Das betrifft sowohl NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut als auch Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Der Bund muss hier mit gutem Beispiel vorangehen, die Provenienzforschung weiterausbauen und Restitutionen umsetzen.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag der Provenienzforschung einen eigenen Stellenwert zu geben und diesen mit Haushaltsmitteln zu unterlegen.
  1. Bürgerschaftliches Engagement schätzen:
    Das Bürgerschaftliche Engagement ist eine wertvolle Ressource im Kulturbereich. Das gilt für das breite Amateurschaffen in den verschiedenen künstlerischen Sparten, für die Fördervereine, die Kultureinrichtungen unterstützen, ebenso wie für die Vereine und Verbände, die die Interessen ihrer Mitglieder bündeln und für Kunst und Kultur öffentlich eintreten. Es gilt, dieses Engagement und die Expertise als einen eigenen Beitrag zum kulturellen Leben anzuerkennen und die Rahmenbedingungen hierfür zu verbessern.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag die Eigenständigkeit des bürgerschaftlichen Engagements anzuerkennen und seine Unterstützung – durch Rechtssetzung und Haushaltsmittel – zu vereinbaren. 
  1. Extremismusprävention sicherstellen:
    Extremismus, Antisemitismus, Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit muss entschieden entgegengetreten werden. Das Aushalten von Differenz ist konstitutiv für die freiheitliche Demokratie. Gerade Kunst und Kultur können einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Integration und zur Überwindung von Extremismus leisten. Die Regeln des alltäglichen Zusammenlebens müssen in der Demokratie unter Beachtung der Rechtsordnung immer wieder neu ausgehandelt werden. Hass darf nicht mit Hass begegnet werden, allerdings dürfen diejenigen keine Nachsicht erwarten, die die Grundlagen der freiheitlichen Demokratie bekämpfen.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag Maßnahmen zur Extremismusprävention und gegen Antisemitismus sowie Rassismus zu vereinbaren und diese entsprechend mit Haushaltsmitteln zu unterlegen. 
  1. Ein Bundeskulturministerium einrichten und Kultur als Staatsziel verankern:
    Bundeskulturpolitik wird in verschiedenen Ressorts gestaltet. Dies kann eine Stärke sein, führt aber allzu oft dazu, dass sich niemand richtig zuständig fühlt und dadurch Themen und Anliegen zu kurz kommen oder liegenbleiben.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag die Einrichtung eines eigenständigen Bundeskulturministeriums zu vereinbaren.
    Bereits seit Jahrzehnten wird über die Verankerung des Staatsziels Kultur im Grundgesetz diskutiert. Die Argumente sind bekannt und ausgetauscht.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, dass sich der Koalitionsvertrag unmissverständlich für die Verankerung des Staatsziels Kultur mit dem Satz „Der Staat schützt und fördert die Kultur“ ausspricht. 
  1. Europa mitgestalten und internationale Verantwortung übernehmen:
    Viele Themen wie z.B. die Bekämpfung des Klimawandels, die Sicherung von Datensouveränität, die Gestaltung der Digitalisierung, die Entwicklung einer Plattformökonomie, die der deutschen und europäischen Kultur- und Kreativwirtschaft dient oder auch die Schärfung des Bewusstseins für die Relevanz von Nachhaltigkeit werden im europäischen oder internationalen Kontext gestaltet. Darüber hinaus bereichern der europäische und internationale Kulturaustausch das kulturelle Leben und weiten den Blick.
    Der Deutsche Kulturrat fordert, im Koalitionsvertrag einen Akzent auf die europäische und internationale Kulturpolitik zu setzen und damit der Verantwortung Deutschlands in der Welt Ausdruck zu verleihen. 
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