Neue Wege – neue Ziele

Zur aktuellen Situation der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik

Am 11. Oktober 2016 übergab Bundeskanzlerin Angela Merkel das neuerrichtete „Mwalimu Julius Nyerere Building“ der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba, an deren Präsidentin Nkosazana Dlamini-Zuma. Der Bau eines Gebäudes für den Friedens- und Sicherheitsrat der AU wurde im Rahmen der „Afrika-Initiative“ der deutschen G8-Präsidentschaft 2007 zwischen der Union und der Bundesrepublik Deutschland vereinbart. Im Kontext der Bedeutung Addis Abebas als Sitz der Afrikanischen Union leistet das Auswärtige Amt mit Mitteln der Kunstschenkung einen Beitrag zur Selbstvergewisserung und Identitätsstärkung der afrikanischen Gesellschaften. Die Klanginstallation des nigerianischen Soundkünstlers Emeka Ogboh mit dem Titel „SONIC COMMUNITARY. The African Union: 20 to 20,000 Hz“ wurde mit dem Gebäude übergeben. Ogboh recherchierte Archivmaterial zur Genesis der AU und zu ihrer Vision eines „friedlichen, prosperierenden und geeinten Afrika“.

 

Was hat das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) damit zu tun? Das ifa – als einer der wichtigsten Akteure in der weltweiten Kunstvermittlung – ini­tiierte, gestaltete und begleitete intensiv dieses Kunst am Bau-Projekt. 2014 fand eine dreitägige Konferenz mit dem Titel „Future Memories“ statt, die das ifa, die „Alle School of Fine Arts and Design“ in Addis Abeba sowie das Auswärtige Amt gemeinsam gestalteten. Sie bot ein Forum, um über Erinnerungskulturen und die Bedeutung der Kunst im öffentlichen Raum in afrikanischen Kontexten zu diskutieren. Wie findet die historische Erinnerung ihren Ausdruck im öffentlichen Raum afrikanischer Städte? Welche Rolle nimmt die Kunst in Transformationsprozessen der Städte ein? Antworten aus Äthiopien, der Demokratischen Republik Kongo, Deutschland, Kamerun, Kenia, Marokko, dem Senegal und Südafrika sind in der hier entstandenen Onlinepublikation Future Memories (siehe: www.future-memories.org) zu finden, wo über die Notwendigkeit einer speziell afrikanischen Debatte über Globalisierung, Urbanisierung und Machtstrukturen reflektiert wird. Im Anschluss an die Konferenz wählte eine Jury unter Vorsitz von Olafur Eliasson das Gewinnerprojekt von Emeka Ogboh. Die Künstlerbiografie Ogbohs ist als progressives Signal und Erfolg der mehrgleisigen Auswärtigen Kulturpolitik zu verstehen. Sie kam mit einem DAAD-Stipendium nach Deutschland, wurde in der ifa-Galerie präsentiert und war auf der Biennale Venedig 2015 vertreten.

 

Auch aus operativer Perspektive ist das obige Projekt exemplarisch: Der Prozess von der Konzeption, über die begleitende Konferenz, die Juryentscheidung, die Dokumentation bis hin zu Realisierung und Rückspiegelung nach Deutschland zeigt sehr anschaulich, welchen Weg das ifa zur Umsetzung der mit dem Auswärtigen Amt abgeschlossenen Zielvereinbarungen geht. Hier spiegelt sich ein verändertes Verständnis solcher Vereinbarungen, in denen konkrete Denk- und Handlungsansätze in Aufgaben übertragen werden. Im Kern werden dabei kooperative und koproduktive Aspekte hervorgehoben. Im genannten Beispiel geschah dies durch die gemeinsame Entwicklung sämtlicher Projektprozesse in enger Zusammenarbeit mit den Partnern vor Ort. Das ifa konnte dabei zahlreiche Impulse setzen und eine nachhaltige Wirkung erzielen. Die Gespräche und der Austausch in Addis Abeba werden direkt in einer Folgeausstellung fortgesetzt. Koproduktion verstehen wir als logische Fortsetzung von Kooperation, insofern sich nur in gemeinsamen Arbeitsprozessen wirkliche Dialoge herstellen lassen. Das Reden über etwas, das aus Deutschland kommt, ist kein Dialog. Insbesondere geht es uns um die Wirkung der gemeinsam konzipierten Kooperationen.

 

Dazu strebt das ifa von Beginn jeden Projekts ein wirkungsorientiertes Planen gemeinsam mit den jeweiligen Partnern an. Unter Wirkungsorientierung verstehen wir, eine Zielerreichung aufgrund von Erfahrungen, aktuellen Informationen und Analysen wahrscheinlich machen zu können. Eine Aufgabe, der sich das ifa – wie jede international agierende Kulturorganisation – stellen muss, ist Europa und seine Rolle in der Welt. Die Bedeutung, die die Kultur und der Dialog für das Friedensprojekt Europa haben, kann nicht hoch genug geschätzt werden. Die europäische Nachbarschaftspolitik, die Arbeit mit kulturellen Minderheiten und die Arbeit mit Geflüchteten sowie die Koordinationsstelle „Humanitäre Hilfe“ der Bundesregierung, die seit Juli beim ifa angesiedelt ist, zeigen das breite Spektrum dieser neuen Strategie.

 

Seit nunmehr acht Jahren arbeiten wir eng mit EUNIC zusammen, dem Netzwerk europäischer Kulturinstitute. Durch eine jährliche Konferenz in Brüssel, die mehrsprachige Publikation des EUNIC-Jahrbuchs sowie zunehmend das Engagement auch in den Bereichen Forschung und Training, das durch die neue ifa-Akademie realisiert wird, positioniert sich das ifa verstärkt im Kontext europäischer Innen- und Außenkulturpolitik. Die Mitteilung des Europäischen Auswärtigen Dienstes zur Bedeutung von Kultur in der europäischen Außenpolitik, erscheint uns besonders interessant. Sie führt zu der Frage, ob kulturelles Bewusstsein, kulturelle Impulse und in der Konsequenz Kulturinstitutionen eine noch wichtigere Funktion im europäischen Einigungsprozess und in der Vermittlung Europas übernehmen könnten.

Ronald Grätz
Ronald Grätz ist Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen
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