Kulturkampf von rechts

Die kulturpolitischen Vorstellungen der AfD

Die Alternative für Deutschland (AfD) ist längst keine Unbekannte mehr im politischen Parteienspektrum der Bundesrepublik Deutschland und reiht sich ein in rechtspopulistische Bewegungen in Europa. 2013 als eurokritische Partei unter Bernd Lucke gegründet, vollzog sie ab 2015 unter der neuen Vorsitzenden Frauke Petry den Wandel zu einer nationalkonservativen, rechtspopulistischen und völkischen Partei, die ideelle und personelle Verbindungen zur sogenannten »Neuen Rechten« aufweist – unter anderem zum Verleger Götz Kubitschek, der inzwischen Beziehungen zur vom Verfassungsschutz beobachteten »Identitären Bewegung« und zur »Patriotischen Plattform« sowie zu rechten Burschenschaften wie Germania hat. Die AfD ist seit den Landtagswahlen im Frühjahr 2017 nunmehr in 13 von 16 Landesparlamenten (nicht in Hessen, Niedersachsen und Bayern) vertreten. Es ist davon auszugehen, dass sie im Herbst in den Bundestag einziehen wird. Es ist Zeit, danach zu fragen, welche kulturpolitischen Vorstellungen die AfD hat.

 

Kulturpolitik von rechts
In der Kulturpolitik verfolgt die AfD eine Strategie der Politisierung, Re-Nationalisierung und Instrumentalisierung von Kunst und Kultur. Es wird ein exklusiver Kulturbegriff vertreten, der eine vermeintliche Trennung von „Eigenem“ („Heimat“, „Identität“, „deutsche Leitkultur“) und „Fremdem“ („Multi-Kulti“) sowie eine mythische Überzeichnung von „Volk“ und „Nation“ vornimmt. Wirft man einen Blick in Grundsatz- und Wahlprogramme oder verfolgt öffentliche Äußerungen, dann dominieren Begriffe wie „deutsche Leitkultur“, „Ideologie des Multikulturalismus“, die „Nation als kulturelle Einheit“ oder die „Bewahrung von kultureller Identität/kulturellem Erbe“, die in ihrem Verständnis alle eines gemeinsam haben; die Vorstellungen von einer kulturellen und völkischen Homogenität des „Deutschen“, welche die „deutsche Kultur“ bedroht sehen und sie vor fremden Einflüssen verteidigen müssen. Hans-Thomas Tillschneider – Landtagsabgeordneter der AfD in Sachsen-Anhalt, der dem rechten Flügel zugerechnet wird – forderte im Herbst 2016 anlässlich eines deutsch-syrischen Tanztheaterprojekts am Anhaltischen Theater in Dessau eine „Renaissance der deutschen Kultur“ und befürchtet, dass an den Theatern in Sachsen-Anhalt nur noch „linksliberale Verfallsideologien“ Platz haben. Dahinter steckt ein nationalistisch-völkisches Gesellschaftsmodell, der Ethnopluralismus – auch bekannt unter „Umvolkung“, „Bevölkerungsaustausch“, „Eigenart der Völker“ oder „Übervölkerung“. So heißt es im AfD-Grundsatzprogramm vom Mai 2017: „Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche kulturelle Identität als Leitkultur selbstbewusst verteidigen.“ Die „deutsche Nation“ wird als statische und in sich homogene (reine) kulturelle Einheit und Wertegemeinschaft gedacht. Es wird davon ausgegangen, dass es nur eine kulturelle Zugehörigkeit zur deutschen Nation geben kann. Der Gedanke zur „Volksgemeinschaft“ ist dann nicht mehr weit. Die AfD versteht unter „deutscher Leitkultur“ die Gegenüberstellung mit einer nicht näher definierten fremdartigen und nicht integrierbaren Kultur („Multi-Kulti“), vor der sich die vermeintlich „deutsche“ Kultur zu schützen und abzugrenzen habe. Andere Kulturen, die von der AfD grundsätzlich als minderwertig angesehen werden, haben sich unterzuordnen und anzupassen. Diese Vorstellungen von einer deutschen Nationalkultur sind autoritärer kultureller Rassismus und eine Kampfansage an die kulturelle Vielfalt und freiheitliche Entfaltung von Kunst und Kultur.

 

Das Spiel mit der Zensur… Theater und Orchester
Innerhalb dieser Gedankenwelt ist es nicht überraschend, wenn im Landtagswahlprogramm der AfD Sachsen-Anhalt von 2016 stand, dass die Museen, Orchester und Theater im Land in der „Pflicht (sind), einen positiven Bezug zur eigenen Heimat zu fördern“ und die „Bühnen des Landes Sachsen-Anhalt neben den großen klassischen internationalen Werken stets auch klassische deutsche Stücke spielen und sie so inszenieren, dass sie zur Identifikation mit unserem Land anregen“. Das ist nichts weniger als die Androhung von Staatszensur und grundgesetzwidrig. Hans-Thomas Tillschneider drohte im Deutschlandfunk sogar mit der Streichung von öffentlichen Geldern für die Bühnen: „In Zukunft wird die AfD ganz genau auf die Programmatik der Bühnen schauen, Intendanten, die ein zu buntes Agitprop-Repertoire mit Regenbogen-Willkommens-Trallala auf die Bühne bringen, denen muss man die öffentlichen Subventionen komplett streichen. Wenn ein Theater nur solche Stücke spielt, ansonsten nichts Sinnvolles macht, dann sehen wir keinen Sinn mehr darin, das zu fördern, dann werden wir natürlich sagen, dass das Ding zugemacht werden muss.“ Der AfD-Abgeordnete Gottfried Backhaus – inzwischen aus der Fraktion ausgetreten – stellte auf einer Podiumsdiskussion im Theater Magdeburg im November 2016 die im Grundgesetz verbriefte Freiheit von Kunst und Kultur infrage und formulierte den Anspruch, dass „das Theater ganz einfach wieder zu einem volkspädagogischen Anspruch zurückfinden (muss). Das Theater dient der Nationalbildung.“ Die vermeintlichen „Säuberungen“ von „linken“ Ideen in Kunst und Kultur und die Androhung der Mittelkürzung sollen allein dazu dienen, die Bühne für die politischen Ideen der AfD zu bereiten.

 

Diesen Drohungen und Ankündigungen ist auf parlamentarischer Ebene – weder auf kommunaler noch Landesebene – bisher nichts gefolgt, denn obwohl die AfD seit einem Jahr im Landtag von Sachsen-Anhalt vertreten ist, gibt es bisher keinen einzigen Antrag im Kulturbereich. Vielmehr ist die AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt unter André Poggenburg tief durch Machtkämpfe gespalten und es gibt erste Austritte aus der Fraktion. Der Befund der parlamentarischen Zurückhaltung ist auch für andere Landesparlamente typisch, wo sich die Anzahl der parlamentarischen Initiativen wie Anträge, Gesetzesentwürfe und kleine und große Anfragen für den Kulturbereich in Grenzen halten. Dies verwundert nur teilweise, denn die AfD versteht sich als fundamental-oppositionelle Bewegungspartei, die sich vor allem außerparlamentarisch als „Tabubrecher“ gegen das „links-grün-versiffte“ Establishment bzw. Mainstream inszeniert und dabei auf die sozialen Medien als Verstärker zurückgreift. Sie folgt dabei der Strategie von gezielten Provokationen und Enttabuisierung. Die AfD führt einen Kampf um die Deutungshoheit von „Identität“, „Kultur“ und „Nation“, um neues rechtes Gedankengut wieder salonfähig zu machen. Der Versuch von Frauke Petry, „völkisch“ positiv umzudeuten, ist dabei nur ein Beispiel. Ein anderes, wenn André Poggenburg, Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt, Weihnachtsgrüße an die „Volksgemeinschaft“ versendet. Die AfD nutzt gesellschaftliche Diskurse und Debatten, um gezielte Tabubrüche zu erproben, um sie dann nach der einkalkulierten medialen Empörung als Distanzierung zurückzunehmen, um so die Grenzen des „politisch Sagbaren“ immer weiter aus dem demokratischen Konsens zu verschieben und zu radikalisieren. Die AfD schafft sich so ihren eigenen Resonanzraum, den sie selbst immer wieder bedient.

 

In der Kulturpolitik greift die AfD die im Grundgesetz verbriefte Freiheit von Kunst und Kultur an, will eine neue politische Kunst, die vor Re-Nationalisierung und Instrumentalisierung nicht haltmacht. Das propagierte nationalistisch-völkische Kulturverständnis steht der freiheitlich demokratischen Grundordnung diametral gegenüber. Ein transnationales Kultur- und Gesichtsverständnis wird von der AfD und ihren Vertretern abgelehnt, die diskursive Auseinandersetzung zwar nicht verweigert, aber eine Podiumsdiskussion Ende März 2017 im Magdeburger Puppentheater zeigte deutlich, dass es keine Bereitschaft gibt, sich anderen Argumenten zu öffnen. Demokratinnen und Demokraten dürfen sich weder an diese Diskurse, noch an die Äußerung von nationalistisch-völkischem Gedankengut gewöhnen, sondern die Debatte und Abgrenzung zur Programmatik der AfD suchen. Denn die AfD zeigt, dass um den Wert der Freiheit von Kunst und Kultur jedes Mal aufs Neue gerungen werden muss.

Manuela Lück
Manuela Lück ist Referentin für Bildung und Kultur sowie Arbeit, Soziales und Integration der SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt
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