FDP: Ausgleich schaffen

Die nationale Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie

Mit der Bestätigung der EU-Urheberrechtsrichtlinie durch den Rat für Landwirtschaft und Fischerei endete am 15. April 2019 eine emotional aufgeladene Debatte – besonders umstritten waren das Leistungsschutzrecht für Presseverleger in Artikel 11 (jetzt 15) und die Angst vor sogenannten Uploadfiltern in Artikel 13 (jetzt 17). Bei der öffentlichen Auseinandersetzung konnte der Eindruck entstehen, es handle sich eher um ein unversöhnliches Ringen zweier fundamentalistischer Lager, als um eine inhaltliche und lösungsorientierte Debatte. Wie in vielen Lebenssachverhalten empfiehlt sich auch hier der nüchterne Blick mit einem gewissen Abstand.

 

Die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht wird ein Drahtseilakt. Für uns Freie Demokraten steht dabei im Fokus, sie so grundrechtsschonend, eigentumsbetonend und innovationsfreundlich wie möglich zu gestalten. Der ohnehin begrenzte Gestaltungsspielraum muss daher effektiv genutzt werden. Ziel sollte es sein, die Interessen von Kreativen und Nutzern sowie Rechteinhabern, Verwertern und Plattformen auch unter den veränderten Rahmenbedingungen des Internets zu einem fairen Ausgleich zu führen, ohne hierbei die Informations- und Meinungsfreiheit und die Freiheit des Internets unangemessen einzuschränken.

 

So wie manche Menschen glauben, Wohnungen müssten in Zeiten der Wohnungsknappheit und steigender Mietpreise vergesellschaftet werden, kämpft sich auch die Auffassung nach vorne, in einer digitalen Welt müssten Informationen frei, insbesondere kostenfrei, zugänglich sein. Dem liegt die Fehlvorstellung zugrunde, geistiges Eigentum hätte keinen Wert. Das passt nicht zu einer Welt, deren Schwungrad eine eigentumsrechtlich orientierte Wirtschaftsordnung ist und die auf der Überzeugung basiert, dass Menschen nur dann etwas riskieren und leisten, wenn sie die Früchte ihrer Arbeit ernten dürfen und die Rechtsordnung diese Ernte auch garantiert.

 

Dies ist nur durch einen effektiven Schutz geistigen Eigentums und eine angemessene Vergütung der Kreativen möglich. Welche Bedingungen „fair“ sind, bestimmt sich nach den Gesetzmäßigkeiten des Marktes. Eine Fair-Use-Regelung nach amerikanischem Vorbild erscheint dabei nicht sachgemäß, würde sie unsere Rechtsordnung mit unbestimmten Rechtsbegriffen überfrachten und die Entscheidung über die Angemessenheit der Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke auf die Gerichte derogieren. Besser wäre es, das Konzept der Pauschalvergütung, das wir aus dem Bereich der „legalen Privatkopie“ kennen, für die digitale Welt fruchtbar zu machen.

 

Natürlich darf die Umsetzung nicht zum Innovationshemmnis für Start-ups und den Mittelstand werden. Die bislang vorgesehenen Ausnahmen von Haftungsregeln sind eng gefasst, beinhalten aber selbst nach Auffassung der Bundesregierung Spielraum. Den gilt es zwingend erschöpfend zu nutzen, um dem Innovationsstandort Deutschland und Europa nicht zu schaden.

 

Zeigt sich, dass die grundrechtsschonende, eigentumsbetonende und innovationsfreundliche Umsetzung der Richtlinie an Grenzen stößt, sollte die Bundesregierung nicht davor zurückschrecken, auf EU-Ebene auf eine Änderung hinzuwirken. Nationale Alleingänge würden das Ziel einer Rechtsvereinheitlichung in den Mitgliedstaaten sonst konterkarieren.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2019.

Stephan Thomae
Stephan Thomae, MdB ist Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz im Deutschen Bundestag.
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