Urheberinnen und Urheber substanziell an den Profiten teilhaben zu lassen, die mit ihren Werken im europäischen digitalen Binnenmarkt erwirtschaftet werden, das ist ein Hauptziel der Urheberrechtsrichtlinie. Die Richtlinie geht davon aus, dass die Marktteilnehmer sich über die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken in der digitalen Welt mit Lizenzen vertraglich einigen sollen. Gleichzeitig setzt die Richtlinie dort im öffentlichen Interesse den Urheberrechten verbindliche Schranken, z. B. für die Zwecke von Text und Data-Mining, für den Unterricht, die Forschung oder die Erhaltung des Kulturerbes, wo es im öffentlichen Interesse geboten erscheint. So wird die Richtlinie ihr erklärtes Ziel erreichen, Anreize für Innovation, Kreativität, Investitionen und Produktionen neuer Inhalte im digitalen Umfeld zu schaffen. Die Vehemenz, mit der große Internetkonzerne gegen einen Abschluss der europäischen Urheberrechtsrichtlinie lobbyiert haben, ist ein untrügliches Zeichen: Die Richtlinie wird ihre Wirkung entfalten; wir sind auf dem richtigen Weg.
Bei der Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie kann der deutsche Gesetzgeber an vielen Stellen auf schon bestehende Regelungen aufbauen. Denn das deutsche Recht hat in weiten Teilen Modell gestanden für die Richtlinie. Zugleich sind bei etlichen Regelungen keine grundsätzlichen inhaltlichen Differenzen zu erwarten. Beispielsweise wird die Verankerung der Verlegerbeteiligung kultur- und rechtspolitisch parteiübergreifend in Deutschland unterstützt. Auch die oben genannten Schranken finden allgemeine Zustimmung. Bei der Umsetzungsarbeit ist vor allem gesetzgeberisches Handwerkszeug gefragt. Es gilt, die europäischen Definitionen weiter zu schärfen und praxistauglich zu fassen. Die besten Voraussetzungen also für eine zügige Umsetzung der Richtlinie.
Weniger einmütig dürfte die Diskussion zur Umsetzung des inzwischen berühmt-berüchtigten Artikels 17 der Richtlinie werden, die Plattformverantwortlichkeit. Der Schlüssel gegen überobligatorische Löschungen liegt in der Vertragsfreundlichkeit der Richtlinie.
Künftig erschöpft sich die Verantwortlichkeit einer Plattform nicht mehr in einer bloßen Sekundärhaftung. Stattdessen müssen Plattformen Lizenzen erwerben, wenn ihr Hauptzweck darin besteht, urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich zugänglich zu machen. Damit gilt fortan auch in der digitalen Welt das urheberrechtliche Grundprinzip, dass die Verfügungsgewalt über Werke bei ihren Urheberinnen oder Urhebern liegt. Um dieser Lizenzpflicht Schlagkraft zu verleihen, muss es attraktiver sein, eine Lizenz zu erwerben, als die Werke weiter ohne Lizenz zu nutzen. Da ist es nur konsequent, wenn die Plattform, die keine Lizenzen vereinbart hat, weiter für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich bleibt, solange sie sich nicht angemessen um Lizenzen bemüht hat und ihr Bestes getan hat, um die Verletzung zu verhindern.
Richtlinien lassen den Mitgliedstaaten immer Umsetzungsspielraum. Der richtige Weg für die Umsetzung der Plattformverantwortlichkeit besteht darin, solche Regelungen zu treffen, die es einer Plattform leicht machen, umfassend, vorab, transparent und rechtssicher Lizenzen zu erwerben. Der Preis bleibt Verhandlungssache.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2019.