Mehr China-Kompetenz

Trotz Differenzen: Austausch mit China pflegen

Unter der Führung des ehemaligen Präsidenten Hu Jintao hat die Kommunistische Partei (KP) erkannt, dass der Aufstieg zur Weltmacht nicht nur durch Wirtschaftswachstum zu erreichen ist. Dazu braucht es auch ein positives China-Bild. Anhaltende negative Schlagzeilen in der internationalen Presse über Billigfa briken, Copyright-Verletzungen und problematische Menschenrechtslage in China führten zum Bestreben der KP, Chinas Image im Ausland zu verbessern.

 

Für Chinas auswärtige Kulturpolitik ist die Verbreitung der Sprache und Kultur ein wichtiger Grundpfeiler. Hierbei spielen die Konfuzius-Institute als Teil einer global angelegten Strategie, um die Wahrnehmung Chinas in der Welt positiv zu beeinflussen, eine herausragende Rolle. Seit 2004 werden auf der ganzen Welt Kulturinstitute gegründet, die nach dem chinesischen Philosophen Konfuzius benannt sind. In einem beeindruckenden Tempo hat die chinesische Regierung ein weltweites Netz eigener Kultureinrichtungen geschaffen. Mittlerweile gibt es über 500 Konfuzius-Institute in 146 Ländern, die die chinesische Kultur und Sprache international vermitteln sollen. Es werden nicht nur Sprachunterricht, sondern auch verschiedene kulturelle Kurse, Filmvorführungen oder Vorträge angeboten.

 

In Deutschland wurde das erste Konfuzius-Institut im Jahre 2006 in Berlin errichtet. Anders als die deutschen Goethe-Institute werden die Konfuzius-Institute in Kooperation mit deutschen Universitäten gegründet und sind an diese angebunden. In der Regel finanziert die chinesische Seite das Lehrmaterial und die Lehrkräfte, während die Universitäten die Räumlichkeiten und Infrastruktur zur Verfügung stellen. Geleitet wird die Kultureinrichtung von einer deutsch-chinesischen Doppelspitze.

 

Das Interesse an der chinesischen Sprache und der Kultur ist über die Jahre deutlich angestiegen. Als Muttersprache von 1,4 Milliarden Menschen einer aufstrebenden Wirtschaftsmacht wird Chinesisch immer bedeutsamer. Entsprechend gab es ein großes Interesse seitens der Universitäten, sich an der Gründung der Konfuzius-Institute zu beteiligen. Jedoch war die Zusammenarbeit zwischen den deutschen Hochschulen und dem chinesischen Erziehungsministerium von Anfang an nicht unumstritten. Immer wieder wurden Befürchtungen geäußert, dass die Kommunistische Partei die Konfuzius-Institute dazu nutze, um chinesische Propaganda zu verbreiten und Einfluss auf die Universitäten und somit auf die Wissenschaftsfreiheit auszuüben.

 

Mittlerweile löst die chinesische Kulturoffensive alles andere als Begeisterung aus. In den letzten Jahren hat sich die Debatte um die Konfuzius-Institute deutlich verschärft. Seit der Machtübernahme von Xi Jinping im Jahr 2012 hat sich das Land sowohl innen- als auch außenpolitisch stark verändert. Die anhaltende Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang sowie die brutale Niederschlagung der Proteste in Hongkong sind nur zwei Beispiele der zunehmend repressiven Innen politik Chinas. Fast drei Jahre hat die chinesische Regierung an der strikten Null-Covid-Politik festgehalten, sodass ein kultureller, wissenschaftlicher und politischer Austausch zwischen China und Deutschland kaum möglich war. Pekings Nichtverurteilung Moskaus hinsichtlich der russischen Invasion in der Ukraine hat die Entfremdung verstärkt.

 

Zu Recht blicken Deutschland und Europa nun deutlich kritischer auf ihre Beziehungen zu China. Denn wenn sich China verändert, muss sich folglich auch unser Umgang mit dem Land verändern.

 

Um China zu begegnen, brauchen wir mehr China-Kompetenz

 

Heute gibt es deutschlandweit 19 chinesische Kultureinrichtungen, allerdings haben in den letzten drei Jahren aufgrund der zunehmenden Kritik an China fünf deutsche Universitäten die Kooperation mit der chinesischen Seite beendet. Es lässt sich durchaus die Frage stellen, inwieweit es sinnvoll und notwendig ist, dass die Konfuzius-Institute an den deutschen Universitäten angesiedelt sind. Zwar gibt es derzeit keinen bestätigten Fall, dass der chinesische Staat aktiv versucht, über die Konfuzius-Institute Einfluss auf das Curriculum oder die Wissenschaftsfreiheit an den deutschen Hochschulen zu nehmen. Dennoch ist es problematisch, dass an den chinesischen Kultur instituten bestimmte Themen zensiert werden – wie der Vorfall der Konfuzius-Institute in Hannover und Duisburg deutlich gezeigt hat. Im Oktober 2021 musste eine geplante Online-Lesung der beiden Institute zu einem Buch über den chinesischen Staatschef Xi Jinping auf Druck Chinas abgesagt werden. Die Tatsache, dass China finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, birgt natürlich immer die Gefahr, dass dadurch ungewollte Abhängigkeitsverhältnisse entstehen.

 

Doch die Schlussfolgerung kann nicht allein die Abschaffung der Konfuzius-Institute sein. Gerade in schwierigen Zeiten wie diesen fungieren die Institute als wichtige Kanäle zu chinesischen Partnern und Universitäten. Trotz Differenzen ist es wichtig, dass wir den Austausch mit China pflegen.

 

Die Diskussion um die mögliche Schließung von Konfuzius-Instituten macht jedoch auch eines deutlich: Deutschland braucht dringend mehr unabhängige China-Kompetenz. Derzeit fehlt es in allen Bereichen an vertiefter China-Expertise. Im Ampel-Koalitionsvertrag haben wir deshalb festgehalten, dass wir in Deutschland die China-Kompetenz ausbauen wollen. Denn nur wenn wir China besser kennen und verstehen, bleiben wir in der Auseinandersetzung mit einem selbstbewussten China handlungsfähig. Ein umfassendes Verständnis der politischen Rahmenbedingungen und Informiertheit über unser Gegenüber ermöglicht es uns, Sicherheitsrisiken besser abzuschätzen und effektive Instrumente zu entwickeln, um Kooperationsmöglichkeiten unter Wahrung unserer eigenen Interessen auszuloten.

 

Zur China-Kompetenz gehören neben fundierten Kenntnissen des Landes, der Gesellschaft und Kultur auch gute Sprachkenntnisse. Derzeit werden vom Konfuzius-Institut wichtige Sprachfähigkeiten vermittelt, die von den deutschen Hochschulen nicht übernommen werden. Deswegen müssen ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit unabhängige und umfangreiche China-Kompetenzen aufgebaut werden können und es somit nicht zu ungewollten Abhängigkeitsverhältnissen und gezielter Einflussnahme kommt.

 

Nicht nur Rivale, sondern auch Partner

 

Die Diskussion um die Konfuzius-Institute an deutschen Hochschulen spiegelt die Sorge um Chinas wachsende Einflussnahme in Deutschland wider. Nicht erst seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist deutlich geworden, dass wirtschaftliche Abhängigkeiten von China ein großes Problem darstellen. Die Coronapandemie hat uns vor Augen geführt, wie sehr wir auf chinesische Güter angewiesen sind und wie fragil globalisierte Liefer- und Produktionsketten sein können.

 

Derzeit wird unter der Federführung des Auswärtigen Amtes die erste China-Strategie der Bundesregierung ausgearbeitet, die unser Verhältnis zu China neu ausrichtet. Klar ist, dass es ein Weiter-so wie in den letzten 16 Jahren unter der Führung von Angela Merkel nicht geben wird. Der primäre Fokus auf die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen hat nicht zu der erhofften politischen Liberalisierung des Landes geführt. Im Gegenteil: Unter Xi Jinping werden immer mehr Lebensbereiche der chinesischen Bevölkerung strenger kontrolliert. Russlands völkerrechtswidriger Angriffskrieg hat uns verdeutlicht, warum wir eine De-Risking-Strategie brauchen und einseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten dringend reduzieren müssen.

 

Unser Umgang mit China orientiert sich entlang der drei von der EU formulierten Dimensionen »Partner«, »wirtschaftlicher Wettbewerber« und »systemischer Rivale«. Während die beiden letztgenannten Aspekte in der Diskussion um China dominieren, darf der Aspekt der Partnerschaft nicht aus dem Blick geraten. Denn globale Krisen und Herausforderungen wie beispielsweise der Klimawandel, Abrüstung und Ernährungssicherheit lassen sich ohne China nicht bewältigen. Wir werden daher auch künftig mit China zusammenarbeiten. Dabei gilt es, die richtige Balance zu finden: neue gemeinsame Kooperationsfelder ausloten, die im beidseitigen Interesse sind, und zugleich Risiken, insbesondere in den Bereichen der kritischen Rohstoffe und Infrastruktur, reduzieren.

 

Trotz unterschiedlicher Sichtweisen müssen wir in einem konstruktiven Dialog mit China bleiben. Es ist essenziell für die deutsch-chinesischen Beziehungen, dass nicht nur über-, sondern auch miteinander gesprochen wird. Kritische Themen müssen dabei aber selbstbewusst angesprochen und rote Linien klar benannt werden.

 

Nach drei Pandemie-Jahren ist es wichtig, dass wir den wissenschaftlichen Austausch und die kulturelle Zusammenarbeit wieder aufnehmen und fördern, um das gegenseitige Verständnis zu stärken. Auch die Konfuzius-In stitute können dazu einen Beitrag leisten.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2023.

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Michael Müller ist Mitglied des Deutschen Bundestages, Obmann der SPD-Fraktion im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, Vorsitzender der Enquete-Kommission Afghanistan und der Deutsch-Japanischen Parlamentariergruppe.
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