Deutschsprachige Science-Fiction fördern

Drei Fragen an den Science Fiction Club Deutschland

Der Science Fiction Club Deutschland – eine bundesweite Vereinigung von Freunden der Science-Fiction in Literatur, Film und elektronischen Medien – ist der älteste und mitgliederstärkste Science-Fiction-Club in Deutschland. Der Vorstandsvorsitzender Thomas Recktenwald berichtet, wie es zur Gründung kam, wie sich der SFCD heute versteht und wie der Deutsche Science Fiction Preis vergeben wird.

 

Den Science Fiction Club Deutschland (SFCD) gibt es bereits seit 1955. Wie kam es zur Gründung?

Als Anfang der 1950er Jahre das westdeutsche Publikum mit Science-Fiction-Literatur, hauptsächlich in Form von Leihbüchern und Heftromanen, in Berührung kam, fanden sich rasch Gleichgesinnte zusammen, die, wie zwei Jahrzehnte zuvor in Großbritannien oder den USA, Science-Fiction-Clubs ins Leben riefen und mit den damals eingeschränkten Möglichkeiten um weitere Mitglieder warben, z. B durch Handzettel in Buchhandlungen oder Annoncen in Science-Fiction-Publikationen. Walter Ernsting, der damals die Science-Fiction-Reihen des Pabel-Verlags betreute, gab darin die Gründung eines überregionalen Vereins, des SFCD, bekannt und ermutigte die Leserschaft, der Organisation beizutreten. Seine ursprüngliche Intention war eine Art Leserbindung, schließlich gab es damals etliche mehr oder weniger langlebige Konkurrenten, die sich auf das in Deutschland weitgehend unbekannte Genre stürzten und um das spärliche Taschengeld der meist jugendlichen und überwiegend männlichen Leser kämpften. Die meisten Mitglieder des SFCD wollten sich aber nicht vor einen bestimmten Karren spannen lassen, und so emanzipierte sich der Verein bald von seinem Gründervater und fand zu seiner bis heute unabhängigen Ausprägung.

 

Wie versteht sich der SFCD heute – und was macht er genau? Wer engagiert sich beim SFCD?

Aufgrund seiner langen Tradition verfügt der SFCD über umfangreiche Ressourcen, die auch von Personen außerhalb des Vereins genutzt werden können. Unser Archiv an Fan-Magazinen reicht bis in die 1950er Jahre zurück, und mit Tonbandaufzeichnungen von Veranstaltungen wurde 1959 begonnen. Der Verein unterstützt Projekte im In- und Ausland, um deutschsprachige Science-Fiction zu fördern, und unterhält Beziehungen zu gleichgesinnten Organisationen, z. B. der Phantastischen Bibliothek Wetzlar. Mitglieder haben die Möglichkeit, an den Clubpublikationen „Andromeda Nachrichten“ und „Andromeda SF Magazin“ mitzuarbeiten; Autorinnen und Autoren können ihre Manuskripte für die Buchreihe „Andro SF“ einreichen oder sich an Ausschreibungen für themenspezifische Anthologien beteiligen. Als zentrale Anlaufstelle wird der SFCD oft von ausländischen Personen oder Vereinen kontaktiert, die mehr über deutschsprachige Science-Fiction erfahren wollen oder Mitarbeit für ihre Publikationen oder Veranstaltungen suchen. Die Spanne reicht von den Veranstaltern der European Science Fiction Convention 2022 in Luxembourg bis zum Athener Science-Fiction-Club „Aleph“.

 

Jährlich verleiht der SFCD den „Deutschen Science Fiction Preis“ für den besten deutschsprachigen Roman und die beste deutschsprachige Kurzgeschichte. Wie ist der Preis entstanden? Welche Kriterien spielen bei der Preisvergabe eine Rolle?

1984 wurde eine Kampagne gestartet, die Clubmitglieder jährlich über das ihrer Meinung nach beste Science-Fiction-Werk in den Kategorien „Roman“ und „Kurzgeschichte“ in deutschsprachiger Erstveröffentlichung abstimmen zu lassen, das im jeweiligen Vorjahr erschienen war. Jedes Mitglied durfte Nominierungen einreichen, der Initiator machte aber zur Bedingung, dass sich für ein repräsentatives Ergebnis mindestens ein Viertel der Mitgliedschaft – also etwa 80 Personen – an der Abstimmung beteiligen sollte.

Diese Zahl ließ sich in den darauffolgenden Jahren allerdings nur mit Mühe erreichen, so dass 1988 der Vorschlag umgesetzt wurde, ein Komitee aus engagierten Mitgliedern zu bilden, die sich bemühten, jeden infrage kommenden Text zumindest anzulesen und zu begutachten. Seitdem kümmern sich zwischen acht und zwölf Personen, die nicht unbedingt dem Verein angehören müssen, in wechselnder Besetzung darum, aus der

Flut an Neuerscheinungen sechs bis acht Romane und rund ein Dutzend Storys zu nominieren, die dann von allen im Komitee gelesen werden sollten. Erfüllen Werke die technischen Voraussetzungen, also eine Erstveröffentlichung in deutscher Sprache im Jahr vor der Preisverleihung, so bewertet jedes Komiteemitglied die Texte sowohl nach literarischen Gesichtspunkten als auch nach Science-Fiction-spezifischen Kriterien wie innovativen Ideen oder schlüssigem Entwurf einer künftigen Gesellschaft. Neben einer Punktvergabe muss die Entscheidung auch schriftlich begründet werden. Die Preisverleihung findet auf dem Jahrestreffen des SFCD statt. Beide Preisträger erhalten neben Urkunde und Medaille jeweils ein Preisgeld in Höhe von 1.000 Euro.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2021.

Thomas Recktenwald
Thomas Recktenwald ist Vorstandsvorsitzender des Science Fiction Clubs Deutschland.
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