Am 21. September 2008 wurde die Lutherdekade 2008-2017 in der Lutherstadt Wittenberg festlich eröffnet. Dies war der Start für eine Fülle von Initiativen und Veranstaltungen, die auf das 500-jährige Reformationsjubiläum im Jahr 2017 hinführen.
Mit dem Thesenanschlag Luthers und der dadurch ausgelösten Reformation verbinden sich eine Vielzahl von kirchlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entwicklungen, die ganz Europa geprägt haben. Die Bundesregierung hat sich daher frühzeitig engagiert und zur Planung und Durchführung der Lutherdekade und des Reformationsjubiläums zusammen mit der EKD, den verschiedenen Landeskirchen, den Landesregierungen von Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen sowie den Lutherstädten eine gemeinsame organisatorische Struktur geschaffen: Über die grundsätzliche inhaltliche Ausrichtung und Schwerpunktsetzung beraten Kirchenvertreter und Politiker im Kuratorium. Dessen Empfehlungen werden im Lenkungsausschuss, dem eigentlichen Arbeitsgremium, umgesetzt. Verschiedene Arbeitsgruppen begleiten und unterstützen die Gremien, Experten der Reformationsgeschichte erarbeiten im wissenschaftlichen Beirat die konzeptionellen Grundlagen hierfür.
Das Engagement der Bundesregierung gründet vor allem auf der historischen Bedeutung der Reformation mit der durch sie begonnenen Herausbildung der deutschen Sprache, der Profilierung von Menschenrechten und der Demokratisierung der Bildung. In einem von den Regierungsfraktionen hierzu am 26. Juni 2008 im Deutschen Bundestag eingebrachten Beschlussantrag heißt es: „Die Reformation als ein zentrales Ereignis in der Geschichte des christlich geprägten Europas hat die Entwicklung eines Menschenbildes gefördert, das von einem neuen christlichen Freiheitsbegriff maßgeblich beeinflusst wurde. Sie war wichtig für die Ausbildung von Eigenverantwortlichkeit und die Gewissensentscheidung des Einzelnen. Damit konnten sich die Aufklärung, die Herausbildung der Menschenrechte und die Demokratie entwickeln.“
Die Übertragung der Bibel ins Deutsche durch Martin Luther ist wesentlich für die Entwicklung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache. Weite Teile der Bevölkerung erhielten einen bis dahin ungeahnten Zugang zur Bildung. Ausschlaggebend hierfür ist auch die Bedeutung des Wortes in den protestantischen Kirchen, sei es gesprochen, gelesen oder in Kirchenliedern gesungen. Die Universitäten der protestantischen Länder des 17. Jahrhunderts schließlich übernahmen eine führende Rolle in der Entwicklung der modernen Wissenschaften. Nicht zuletzt konnte dadurch ein Zusammengehörigkeitsgefühl der in einer Vielzahl von Einzelstaaten lebenden Deutschen entstehen. Im Ergebnis löste der von Martin Luther und den anderen Reformatoren initiierte Prozess einen Modernisierungsschub aus, der schließlich alle Bereiche der Gesellschaft erfasste.
„Deutschland ist Luther-Land.“
Dies wirkt bis heute ungebrochen fort. Die reiche Kulturlandschaft in Deutschland, insbesondere der kulturelle Reichtum in den Kernländern der Reformation Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen beruht in wesentlichen Teilen auf den Fundamenten, die in der Zeit der Reformation gelegt wurden. Und die Tatsache, dass sich die katholischen Zentren Deutschlands diesen Modernisierungstendenzen nicht verschlossen, sondern in der Gegenreformation eigene Akzente setzten, sorgte für eine fruchtbare Konkurrenz und führte zu einer kulturellen Vielfalt auf hohem Niveau. Hierauf können wir mit Recht stolz sein. Dies gilt es in Erinnerung zu rufen und für die Zukunft zu bewahren.
Deutschland ist „Luther-Land“. Auf diese knappe Aussage lässt sich der Blick vom Ausland auf die Reformation und die Person Martin Luthers konzentrieren. Von Deutschland ausgehend verbreitete sich die Reformation in der ganzen Welt. Für alle christlichen Konfessionen ist Deutschland unstreitig die Wiege der Reformation. Dieses birgt ein immenses touristisches und damit auch wirtschaftliches Potential, das wir tatkräftig nutzen sollten.
Als besondere touristische Attraktionen sind die Luthergedenkstätten in Eisleben und Wittenberg, die Wartburg bei Eisenach sowie das Augustinerkloster in Erfurt weltweit bekannt. Die Luthergedenkstätten und die Wartburg wurden zum UNESCO-Weltkulturerbe der Menschheit erklärt. Die Luthergedenkstätten deshalb, weil sie „einen bedeutsamen Abschnitt in der menschlichen Geschichte repräsentieren und als authentische Schauplätze der Reformation von außergewöhnlicher universeller Bedeutung sind“. Neben den Lutherstätten sind viele weitere Orte mit dem Reformator verbunden: Augsburg, Coburg, Eisenach, Erfurt, Leipzig, Mansfeld-Lutherstadt, Marburg, Möhra, Nürnberg, Schmalkalden, Torgau und Worms. Hinzu kommen Kirchenbauten, die kulturgeschichtlich mit der Reformation in Verbindung stehen. Martin Luther bietet mit seiner Persönlichkeit und mit seinem Wirken vielfache Anknüpfungspunkte für Kulturinteressierte, religiöse Gruppen und Vertreter von Kirchen und Universitäten.
Deutschland kann sich daher im Rahmen der Kampagnen zur Lutherdekade und zum Reformationsjubiläum 2017 einmal mehr als offenes und gastfreundliches Land präsentieren.
Der Bund bekennt sich zu seiner Verantwortung, die reformationsgeschichtlichen Gedenkstätten, insbesondere in Wittenberg und Eisleben, zu pflegen und zu erhalten, das reformatorische Erbe zu bewahren sowie Forschung und Lehre im Zusammenhang mit Reformation und Reformationsgeschichte zu fördern. Zu diesem Zweck stellt mein Haus der Stiftung Luthergedenkstätten im Rahmen der institutionellen Förderung für ihre kulturellen und wissenschaftlichen Aktivitäten jährlich 824.000 Euro (2009: 905.000 Euro) zur Verfügung. Darüber hinaus haben wir uns in den letzten Jahren mit Projektmitteln an der Generalsanierung und der Neukonzeption der Dauerausstellung und der Neugestaltung der Freiflächen in Höhe von 3,6 Mio. Euro beteiligt.
Wegen der politischen und kulturellen Bedeutung des Reformationsjubiläums 2017 im nationalen und internationalen Kontext wird sich die Bundesregierung auch an der Förderung von Veranstaltungen und Maßnahmen innerhalb der Lutherdekade und während des eigentlichen Jubiläumsjahres beteiligen.
Denn auch hier gilt, dass nur derjenige die Zukunft gestalten kann, der sich der eigenen Vergangenheit bewusst ist.
Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 01/2009 erschienen.