Im Jahr 2016 erhielt Bob Dylan den Nobelpreis für Literatur „für seine poetischen Neuschöpfungen“, wie es in der Begründung hieß. Seine Texte zu interpretieren, sie auf eine Botschaft festzuschreiben – hat er immer abgelehnt. Denn sie selbst sind Botschaft, sind Ausdruck seiner künstlerischen Suche – immer neu, immer unvollkommen, bei aller Meisterschaft. Derzeit gibt es Rufe nach mehr „deutscher Literatur“ in den Schulen, mehr „deutschen“ Klassikern auf den Bühnen. Ein Abgeordneter und Mitglied des Kulturausschusses, dem ich angehöre, kündigte per Twitter an, er wolle die „Entsiffung des Kulturbetriebes in Angriff nehmen“. Ein Kulturkampf soll hier angezettelt werden gegen eine vielschichtige, pluralistische, demokratische Gesellschaft. Die Kulturpolitik ist hier ein zentrales Feld der Auseinandersetzung. Kulturen befinden sich aber immer im Wandel. In Austausch, nicht Abschottung entsteht Kunst. Sie ist Veränderung, Suche, immer ihre eigene Zukunft, wie bei Dylan. Das macht sie zum Gegenstand des kritischen Diskurses, der Identifikation, der Auseinandersetzung mit dem Anderen wie dem Eigenen. Kunst muss zweckfrei sein, unabhängig von kommerziellem Erfolg oder moralisch-erzieherischem Auftrag. „Wir müssen uns diesen beiden Bedrohungen – der Uniformisierung und dem Identitären – sorgfältig und beharrlich widersetzen“, schreibt François Jullien 2018 und fordert, das interkulturelle Zwiegespräch „…als neue Dimension der Welt und der Kultur zur Entfaltung zu bringen“. Widerstand zu leisten gegen jede Form der Vereinnahmung, Normierung und Abschottung sehe ich als zentrale Aufgabe grüner Kulturpolitik an.
Konkret ist mein Ziel, die Rechte der Kunstschaffenden zu stärken, vor allem ihre soziale Lage zu verbessern. Im Koalitionsvertrag der möglichen Großen Koalition heißt es hierzu nur, die Künstlersozialversicherung soll erhalten und „an die neuen Erwerbsbiografien angepasst werden“. Der Vertrag erwähnt, dass noch 2018 eine „sachgerechte Anschlussregelung beim Arbeitslosen“ kommen soll. Wir als grüne Bundestagsfraktion wollen mehr, nämlich die soziale Absicherung von Kreativen und Selbstständigen mit geringem Einkommen durch die Einbeziehung in die sozialen Sicherungssysteme.
Selbstständige Kreative sind oft von sogenannter „freiwilliger Weiterversicherung“ ausgeschlossen. Wir wollen die Anwartschaftszeit auf vier Monate verkürzen und den Zugang erleichtern. Außerdem müssen, auch jenseits von Festanstellungen, angemessene Vergütungen für kreative Arbeit sowie sozial-, arbeits- und vertragsrechtliche Mindeststandards sichergestellt werden. Die Kulturförderung des Bundes muss transparenter und gerechter werden durch verbesserte soziale Standards und mehr Geschlechtergerechtigkeit. Zudem ist mir wichtig, die kulturelle Teilhabe zu fördern. Zentrale Aufgabe grüner Kulturpolitik ist die Stärkung der Erinnerungskultur in Bezug auf den Nationalsozialismus, auch für bisher wenig beachtete Opfergruppen. Zentrales Anliegen bleibt die Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Zudem stehen eine systematische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte sowie eine verstärkte Provenienzforschung für außereuropäische Sammlungen aus. Ziel gerade der NS-Aufarbeitung ist dabei nicht, einen Schlussstrich zu ziehen. Den kann es nicht geben wie die Cellistin und Auschwitzüberlebende, Anita Lasker-Wallfisch, anlässlich der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus sagte. Das Ziel müsse vielmehr sein, „dass so etwas nie, aber auch nie wieder hier geschehen kann“.