Zeitlos, wiederverwendbar, reparabel

Nachhaltiges Industriedesign

Was bedeutet Nachhaltigkeit im Bereich Industriedesign? Theresa Brüheim hat bei Susanne Ewert, Inhaberin der Industriedesign-Agentur zielFORM londonberlin nachgefragt.

 

Theresa Brüheim: Frau Ewert, was bedeutet für Sie Nachhaltigkeit speziell auch im Industriedesign?
Susanne Ewert: Früher wurde Nachhaltigkeit im Industriedesign lediglich mit den verwendeten Rohstoffen verbunden. Das ist inzwischen nicht mehr so. Ausgehend von der Definition zur Nachhaltigkeit, sollte die Produkt- und Designentwicklung durch die Anwendung der drei Strategien: Suffizienz, Konsistenz und Effizienz erfolgen.

Konkret bedeutet Nachhaltigkeit für mich, dass bei der Entwicklung der Mensch und seine Bedürfnisse im Fokus stehen. Wir stellen uns Fragen zur Zielgruppe, der Anwendung und dem Nutzen des Produkts. Der Endverbraucher soll sein Produkt lieben, es gebrauchen und nicht so schnell wegwerfen oder sich etwas Neues kaufen. Ein nachhaltiges Produkt ist nie mit vielen Extras überfrachtet. Die wesentlichen Details wie Bedienung, Ergonomie und Funktionalität müssen im Designprozess berücksichtigt werden. Darüber hinaus können wir in der Entwicklung auf die Herstellung eingehen, beispielsweise indem nicht so viele unterschiedliche Materialien verwendet werden. Schlussendlich sollte ein Produkt derart gestaltet sein, dass es leicht zu reparieren ist und seine Bestandteile wieder recycelt werden können.

 

Können Sie ein Beispiel geben, welche nachhaltigen Produkte Sie in Ihrer Agentur zielFORM londonberlin entwickelt haben?
Wir haben z. B. für die Firma Herlitz eine Hefter- und Mappenserie für Schule, Studium und Beruf designt. Eines dieser Produkte wird aus recyceltem Kunststoff angeboten. Wir haben unseren Kunden unterstützt, dieses nachhaltige Produkt gestalterisch umzusetzen. Die Farbauswahl bei recyceltem Kunststoff ist aufgrund seiner Zusammensetzung jedoch nicht einfach. Nach intensiver Recherche und Abstimmungen konnten wir drei ansprechende Farben – dunkelblau, rot und orange – definieren. Letztlich wurde das Produkt mit dem Blauen Engel ausgezeichnet und für den ecodesign award nominiert.
Ein anderes Beispiel aus der Industrie, dem Investitionsgüterdesign, ist ein Lüftungsgerät. Dieses technisch innovative Produkt soll eine lange Lebensdauer haben, die durch unser bedienerfreundliches, klares und zeitloses Design unterstützt wird. Das Produkt besteht aus zwei Gehäusen, einem Innenraumgehäuse und einem Außengehäuse. Wir haben das Produkt so designt, dass die Gehäuse gleich sind und nur durch adaptive Einsätze für den Innen- und Außenbereich angepasst wurden. Unser Kunde konnte mit diesem Konzept Kosten für den Werkzeugbau und die Kunststoffspritzwerkzeuge nebst Material einsparen. Diese Punkte einer wirtschaftlichen, ressourcen- und umweltschonenden Gestaltung, gepaart mit einem langen Lebenszyklus des Produktes, gehören zu einer nachhaltigen Produktentwicklung, die wir bei zielFORM londonberlin stets berücksichtigen.

 

Wenn Sie so ein Produkt designen, folgen Sie da bestimmten Leitlinien der Nachhaltigkeit?
Wie gesagt, stehen der Mensch bzw. die Zielgruppe für das neue Produkt bei uns im Mittelpunkt – das Produkt muss auf sie zugeschnitten sein. Wir achten in der Designentwicklung darauf, dass das Produkt einen definierten Nutzen hat, selbsterklärend, innovativ und technisch wie formal durchdacht ist.
Prinzipiell wäre es für eine nachhaltige Gestaltung wichtig, dem Entwicklungszyklus des gesamten Designprozesses, angefangen von dem Produktkonzept bis einschließlich der Konstruktion, mehr Zeit zu geben. Unsere Welt wird immer schneller und es werden so viele Produkte auf den Markt geworfen, die nicht richtig durchdacht sind, weil weder Produkt-manager, noch Designer oder Konstrukteur Zeit dafür bekommen, alles im Detail zu durchdenken. Jeder kennt das, wenn er ein Produkt kauft, das in Haptik und Funktionalität nicht überzeugt und leicht kaputtgeht. Gut durchdachte Produkte sind hingegen ergonomisch, wirtschaftlich und auf den Endkunden bezogen gestaltet und besitzen eine längere Lebensdauer. Im „Consumer-Bereich“, z. B. bei Elektrokleingeräten, ist es sicher teilweise schwierig, weil manche Produkte technisch schnell überholt sind. Da können wir im Designprozess nur immer wieder unserem Auftraggeber Anregungen für eine nachhaltige Gestaltung geben.

 

Bei vielen Ihrer Produkte besteht der Nachhaltigkeitsaspekt also weniger im Material, als eher in Bezug auf die Zielgruppe und die Wirtschaftlichkeit?
Genau. Und auch darin, dass wir versuchen, Einfluss darauf zu nehmen, wie und wo das Produkt hergestellt wird. Gute Produkte mit hochwertigen Oberflächen bedürfen auch eines hochwertigen Werkzeuges aus bestem Grundmaterial.
Letztendlich definiert unser Auftraggeber, wie viel das Produkt in
der Produktion kosten darf, er bestimmt das Material und den Produktionsort. Wir sprechen dann lediglich Empfehlungen aufgrund unserer langjährigen Erfahrung als Designer aus.

 

Welche Trends im nachhaltigen Industriedesign gibt es gerade?
Viele. Ich würde hier aber nicht von Trends reden. Es gibt einige Institutionen und Vereine, die sich mit dem Thema der nachhaltigen Entwicklung, auch in Bezug auf die Produktentwicklung und dem Design, auseinandersetzen. An den Hochschulen werden inzwischen spezielle Studiengänge zum „sustainable design“ angeboten. Die Designverbände informieren unter anderem in Publikationen und Workshops über technologische wie gesellschaftliche Entwicklungen. Mit ausgerichteten Wettbewerben wie z. B. dem ecodesign award in Berlin werden die innovativen, nachhaltigen Entwicklungen der Hersteller und Designer publik gemacht und anerkannt.
Wie eingangs erwähnt, bezieht sich der Nachhaltigkeitsgedanke heute nicht allein auf die Umweltaspekte. Die Bedürfnisse und das Konsumverhalten des Endverbrauchers zu überdenken und die Ergonomie sowie den Nutzen eines Produktes zu betrachten, sind Teil einer nachhaltigen Produktgestaltung, wie wir sie verstehen und umsetzen.

 

Ein gutes Schlusswort zum Thema Nachhaltigkeit. Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 1/2018.

Susanne Ewert und Theresa Brüheim
Susanne Ewert ist, gemeinsam mit Clemens Koschel, Inhaberin der Agentur zielFORM londonberlin und Mitglied der adhoc-AG Nachhaltigkeit im Deutschen Kulturrat. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
Vorheriger ArtikelDer Name ist Programm
Nächster ArtikelGute Haushalter