Tanz in der Schule

Die Entwicklung von Tanz in der Schule
Alle Initiativen und Tanzprojekte zeichnen sich durch eine große inhaltliche, strukturelle wie personelle Vielfalt aus. Neben zeitlich befristeten Projekten in Form von halbjährlichen Arbeitsgemeinschaften oder einmaligen Angeboten gibt es Tanzklassen, die im Fächerkanon der Schulen einen festen Platz erhalten haben. Häuser wie die bayerische Staatsoper München, das Theater Bielefeld oder das Radialsystem Berlin wachsen mit Schulkassen zu fruchtbaren Gemeinschaften zusammen. Sie alle setzen sich für Tanz als Kunstform für und von Kindern und Heranwachsenden ein. Hauptakteure sind die Tänzerinnen und Tänzer, Tanzpädagoginnen und Tanzpädagogen und Choreografinnen und Choreografen, die sich vor allem als Künstlerinnen und Künstler verstehen, die die Kinder und Jugendliche an explorative Arbeitsweisen, körperpraktische Erkundungen und kreative Produktionen heranführen wollen. Sie trauen ihnen oft mehr zu als die hauptamtlichen Lehrkräfte, die an Stoffpläne sowie Leistungsüberprüfungen gebunden sind und finden einen besonderen Zugang zu sozial benachteiligten Gruppen. Denn sie kennen „das Gefühl der Entwurzelung […] und das Problem des Anfangs, das Ertragen des inneren Chaos, das Suchen nach einer Verankerung, das Ausprobieren, Verwerfen, Sich-Entscheiden für eine Form, das Verantworten dieser Entscheidung“ (Hildegard Kagerer (1991): Das Fremde hört nicht auf. Schule, ein Ort der gesellschaftlichen Weichenstellung. Neue Sammlung 31, 4, S. 592).

 

Die Vermittlung von Tanz verlangt von ihnen im System von Schule ganz besondere Fähigkeiten und Qualifikationen, die sie kaum im Rahmen ihrer Ausbildung als Tänzerinnen oder Tänzer erwerben konnten. So wurden im Zuge von Tanzplan Deutschland, einer Initiative der Kulturstiftung des Bundes, Module entwickelt, die sich genau dieser schulspezifischen Aufgabe und Herausforderung widmen. Unter dem Dach des 2007 gegründeten Bundesverband Tanz in Schulen schlossen sich zeitgleich mit den Aktivitäten von Tanzplan Deutschland zahlreiche Initiativen, Institutionen und Einzelpersonen zusammen, um neben der Verbreitung und strukturellen Stärkung von Tanz an Schulen vor allem die Qualität der Angebote zu entwickeln und nachhaltig zu sichern. Mit der Formulierung von Gelingensbedingungen wie Qualifikationen und Kompetenzen, die für eine professionelle Leitung von TanzinSchule-Projekten notwendig sind, hat sich der Verband zu einer Anlaufstelle für Beratung, fachliche Begleitung und Qualitätsmanagement entwickelt. Mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) konnte er zu Evaluierungsmaßnahmen anstoßen, die – weitere Förderung vorausgesetzt – nicht nur die Qualität von Tanz an Schulen empirisch erfassen, sondern auch zu weiteren Forschungsfragen des spezifischen Bildungsbeitrags von Tanz anregen. Damit kann die noch junge Entwicklung von Tanz als Teilbereich kultureller Bildung an Schulen nicht nur in wissenschaftlicher Hinsicht notwendige Fortschritte machen, sondern auch zu curricularen Überlegungen in schulischen wie außerschulischen Bildungseinrichtungen beitragen.

 

Ausblick und Notwendigkeiten
Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Tanz einen nicht mehr zu leugnenden Stellenwert in der Schule hat und als Teilbereich kultureller Bildung selbstverständlicher geworden ist. Die zahlreichen Initiativen sowie Förderprogramme auf Bund- und Länderebene sind ein sichtbares Zeichen dieser Bedeutungszuweisung. Dennoch darf dieser Aufschwung nicht überbewertet werden. Noch leben viele der Projekte von dem Engagement einzelner Tänzerinnen und Tänzer, Lehrerinnen und Lehrer sowie Vermittlerinnen und Vermittler. Das Bemühen Tanz als individuelle und kulturelle Ausdrucksform allen Schülerinnen und Schülern zugänglich machen zu wollen und Tanz in die Kultur- und Bildungslandschaft einzubinden, kann nur dann erfolgreich fortgesetzt werden, wenn die verantwortlichen Bildungs- und Kulturpolitiker ihre Unterstützung nicht nur zusagen, sondern auch tatkräftig umsetzen, denn Sonntagsreden und Alltagshandeln klaffen fast nirgendwo so eklatant auseinander wie in der kulturellen Bildung. Darüber hinaus sind die erst zaghaft begonnenen Forschungsversuche fortzusetzen, um die Spezifik dieser Kunstform im Kontext von Bildung herauszuarbeiten, weniger in ihrer möglichen Funktion für das Lernen in den „nützlichen“ Fächern als vielmehr im Hinblick auf seine ganz eigene Zugangsweise der Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im November 2013.

Antje Klinge
Antje Klinge ist Vorstandsmitglied im Bundesverband Tanz in Schulen e.V..
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