Hass-Postings, Fake News und konfrontative Meinungsmache im Social Web

Die sozialen Online-Netzwerke wie etwa Facebook und der Micro-Bloggingdienst Twitter stehen derzeit sehr in der Kritik, da sie – so der Vorwurf – zu wenig gegen Falschnachrichten und Hass-Postings unternehmen. Im so genannten Social Web finden sich zunehmend menschenverachtende Aussagen und auch Postings, die als Volksverhetzung gewertet werden können. Menschen legen Accounts und Profilseiten an, auf denen sie soziale Gruppen wie beispielsweise Flüchtlinge diskriminieren. Sie versuchen Gleichgesinnte zu finden und für ihre Anliegen zu mobilisieren – etwa, wenn es um die Verhinderung von Einrichtungen für Asylsuchende geht. Hass-Postings und Fake News gab es schon immer, doch nun sind sie zu einem omnipräsenten Thema in der Medienöffentlichkeit geworden. Der folgende Beitrag geht der Frage nach, wie es zu dieser Entwicklung und Auseinandersetzung gekommen ist und inwieweit es neue Konzepte der Medienbildung bedarf, um sich zu Mechanismen konfrontativer Meinungsmache zu positionieren.

 

Wandel von Öffentlichkeiten
Die Digitalisierung der Medien hat zur Konsequenz, dass sich politische Öffentlichkeiten und auch Möglichkeiten der politischen Partizipation verändern. Im Grunde kann nunmehr ein Einzelner auf die Konstituierung politischer Öffentlichkeit einwirken, sich im Social Web zu Wort melden und unter Umständen eine große kommunikative Reichweite erzeugen. Was im prädigitalen Zeitalter auf der Begegnungsebene, etwa am Stammtisch oder am Gartenzaun, verhandelt wurde, kann nun an die Gemeinschaft im Social Web adressiert werden. Diese Gemeinschaft kann aus Freundinnen und Freunden und Bekannten bei Facebook bestehen oder es können die Follower bei Twitter oder Instagram sein. Bisweilen kennt man die Adressatinnen und Adressaten persönlich oder aber man steht mit ihnen nur über Freundinnen und Freunde oder Dritte in Kontakt. Während die Rollen und Funktionen der Sprechenden in der Medienöffentlichkeit bis zu Beginn dieses Jahrhunderts weitgehend festgelegt waren, scheinen sie sich durch neuere Medienentwicklungen zu flexibilisieren und zu enthierarchisieren. Es entstehen neue Formen des Bürgerjournalismus (etwa Blogs) und auch sporadisch themenbezogene Gegenöffentlichkeiten (so genannte Hashtag-Publics, Rambukkana 2015), in denen die Akteure über bestimmte Themen informieren, sich politisch positionieren und mitunter auch einfach „Stimmung machen“ wollen. Eine recht bekannte Hashtag-Public entwickelte sich im Jahr 2013 mit #aufschrei, bei der zunächst auf Twitter der Sexismus im Alltag von einer Vielzahl von Akteuren kritisch diskutiert wurde. Im Verlauf der Debatte nahmen sich auch öffentlich-rechtliche Rundfunksender und überregionale Tages- und Wochenzeitungen dem gesellschaftspolitischen Thema an und es wurde eine breite öffentlichkeitswirksame Diskussion in Gang gesetzt.

 

Plattformen und Dienste wie Facebook und Twitter sind Kommunikationsräume, die für jedermann zugänglich sind. Insofern wird man auch mitunter mit Menschen und ihren Meinungen konfrontiert, mit denen man für gewöhnlich keinen oder nur sehr selten Umgang pflegt. Nutzer und Nutzerinnen, die vielleicht bislang kaum in der Öffentlichkeit gestanden und sich politisch engagiert haben, können hier zum Sprecher oder zur Sprecherin werden und sich mit ihren Anliegen selbst- oder auch fremdgesteuert Gehör verschaffen. Nicht immer sind die Kommunikationsdynamiken bei diesen Diensten berechenbar und deren Konversationsverläufe zu steuern.

Dagmar Hoffmann
Dagmar Hoffmann ist Professorin für Medien und Kommunikation an der Philosophischen Fakultät der Universität Siegen, Mitglied im Kuratorium der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (fsf) und Mitherausgeberin der Zeitschrift Diskurs Kindheits- und Jugendforschung.
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