Krieg gegen die Wissenschaft?

Ein Bericht des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in New York

Seit seiner Amtsübernahme am 20. Januar hat der neue US-Präsident Donald J. Trump die Welt in Atem gehalten – mit Präsidialdekreten, einem mindestens ungewöhnlichen Kommunikationsstil und allerhand erstaunlichen Ankündigungen. Doch was bedeutet der Regierungswechsel für die Welt der Wissenschaft?

 

Gleich am Tag nach der Amtsübernahme wurden die Befürchtungen Vieler wahr, dass die Regierung eine wohlüberlegte Strategie gegen die wissenschaftliche Darstellung von Fakten fahren wird: So löschten die neuen Hausherren umgehend die Webseiten des Weißen Hauses, die zuvor Informationen zu Themen wie dem Klimawandel, Rechten von Bürgern und auch der „LGBT“-Gemeinde bereitgehalten hatten. Ferner wurde den Mitarbeitern der Nationalen Umweltbehörde EPA untersagt, mit der Presse zu sprechen oder neue Erkenntnisse über soziale Medien zu verbreiten. Dies alles lässt in „postfaktischen“ Zeiten nichts Gutes für die wissenschaftliche Meinungsfreiheit ahnen.

 

Forschungsförderung ist ebenfalls ein Thema, das die Gemüter bewegt. In seinem Haushaltsplan kündigte Trump an, zur Gegenfinanzierung der gesteigerten Militärausgaben unter anderem die Budgets der beiden großen Forschungsfördereinrichtungen, der National Institutes of Health (NIH, Kürzungsvorschlag: 22 Prozent) und der National Science Foundation (NSF, allgemeine Kürzungsrate von 13 Prozent), zu beschneiden und zwei Einrichtungen gleich ganz abzuschaffen, nämlich die Kulturfördereinrichtung National Endowment for the Arts (NEA) sowie das National Endowment for the Humanities (NEH). Grund genug für die New York Times, Ende März mit der Schlagzeile „The Trump Administration’s War on Science“ aufzuwarten. Diese radikalen Pläne haben allerdings einen herben Dämpfer erfahren. Anfang Mai wurde im Kongress mit überparteilicher Mehrheit der Haushalt für das laufende Jahr beschlossen, in dem von derartigen Kürzungen nicht die Rede war. Im Gegenteil, einige der fraglichen Budgets wurden sogar erhöht. Aber das ist noch immer kein Grund für Entwarnung, denn das Haushaltsjahr endet am 20. September 2017 – und dann geht das Gerangel um die Gelder wieder los.

 

Dies alles für sich genommen ist schon genug Sprengstoff, um die Wissenschaftler in den USA zu verunsichern. Hinzu kommt der Wunsch des Präsidenten, per Dekret die Einreise von Bürgern aus sechs vornehmlich muslimischen Ländern zu erschweren oder gar zu verbieten. Auch wenn der sogenannte „travel ban“ im zweiten Anlauf erneut von einem Bundesrichter vorläufig außer Kraft gesetzt wurde, sind die Auswirkungen dieser fremdenfeindlichen Politik schon jetzt an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen spürbar. Abgesagte Auslandsreisen von Forschern aus den fraglichen Ländern, die derzeit in den USA leben und arbeiten, abgesagte Kongressteilnahmen von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, die entweder selbst vom Einreisestopp bedroht sind oder aus Solidarität mit ihren Kollegen nicht mehr in die USA reisen wollen und vermutlich bald auch jede Menge Absagen von internationalen Studierenden, die Studienplätze an US-Colleges nicht antreten werden, sind das traurige Ergebnis. Im März meldeten rund 40 Prozent der Universitäten und Colleges laut einer jüngsten Umfrage der American Association of Collegiate Registrars and Admission Officers (AACRO) ein deutlich nachlassendes Interesse der internationalen Klientel. Man muss abwarten, wie sich dieser Trend am Ende in den tatsächlichen Einschreibezahlen niederschlägt. Aber das Signal ist beunruhigend, zumal wenn man hört, dass die Konkurrenz beim nördlichen Nachbarn Kanada zurzeit einen echten Ansturm erlebt. Problematisch dürfte auch die Anwerbung hoch qualifizierter Arbeitskräfte für Technologieunternehmen und Universitäten werden, falls ein Präsidialdekret vom 18. April in die Tat umgesetzt wird. Mit diesem Plan will Trump unter dem Schlagwort „American Hire“ erreichen, dass weniger der zeitlich befristeten „H1B“-Visa an Ausländer vergeben werden – genau jene Visa also, mit denen jedes Jahr ausländische Spitzenwissenschaftler und Tüftler in die USA geholt werden.

 

Das Fernbleiben internationaler Studierender hätte übrigens auch ganz handfeste wirtschaftliche Konsequenzen. Wie das Institute of International Education (IIE) schreibt, trugen die studentischen Gäste aus aller Welt im Jahr 2015 fast 36 Milliarden Dollar zur US-Wirtschaftsleistung bei, wobei dieses Geld zu 75 Prozent aus dem Ausland – also vermutlich zumeist den Heimatländern der Studierenden – stammt.

 

Schon unter Präsident Obama sah sich die amerikanische Gesellschaft ungelösten Fragen in Bezug auf die Bildung und Ausbildung der jüngeren Generation gegenüber. Die steigenden Studiengebühren und die Frage, wie man Kindern bildungsferner Schichten den Zugang zu höherer Bildung erleichtert, sind eine Herausforderung. Gerade der letzte Punkt ist angesichts des demografischen Wandels und des ständigen Wachstums der hispanischen Bevölkerungsgruppe ein Thema, für das dringend Strategien entwickelt werden müssen. Die andere Herausforderung ist das Problem, dass es neben Colleges und Universitäten praktisch keine geregelte Berufsausbildung im Sinne des deutschen „Dualen Bildungssystems“ gibt.

 

Dies alles sind freilich Probleme, die vornehmlich innerhalb des Landes selbst gelöst werden müssen. Die internationale Welt von Wissenschaft und Hochschule kann ihre Partner in den USA dennoch unterstützen. Es muss darum gehen, aktiv den akademischen Kontakt und den wissenschaftspolitischen Diskurs mit den Partnern zu suchen. Deutschland kann sich mit seiner traditionsreichen, gleichzeitig hoch modernen Bildungs- und Forschungslandschaft und dem breiten gesellschaftlichen Verständnis für den Wert der Wissenschaft auf der einen Seite und der Wertschätzung einer weltoffenen Gesellschaft auf der anderen Seite als zuverlässiger und potenter Partner anbieten. Eine ausgestreckte Hand, die viele jenseits des Atlantiks sicher gerne ergreifen werden.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 4/2017.

Nina Lemmens
Nina Lemmens leitet die Außenstelle des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in New York
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