Raus aus der eigenen Filterblase

Das Christian Jensen Kolleg in Breklum interpretiert Mission neu

 

Mit Anfang 40 zählen Sie zu den jungen Stimmen in der modernen „Missionsarbeit“. Wie beurteilen Sie den Generationswechsel, der allmählich in diesem Arbeitsfeld stattfindet?

Persönlich denke ich, dass es vor allem ein Wechsel von Formen und Sprachmustern sein wird: Wie rede ich über meinen Glauben und in welchen Formen verorte ich ihn?

 

Aktuell haben wir noch eine Generation, die ihre Anliegen sehr stark aus politischem Impetus heraus vertritt. Aber jetzt müssen die Jüngeren übernehmen. Die werden das aber nicht in der Weise tun, wie es in den letzten Jahrzehnten gelaufen ist.

 

Viele Themen sind natürlich immer noch relevant, z. B. die Verantwortung für die Schöpfung. Dass wir uns selbst begrenzen müssen, wenn wir diesen Planeten retten wollen, ist ein zutiefst biblisches Bild. Oder die Frage der Nächstenliebe: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Dieser Satz aus dem Neuen Testament wird wieder aktuell, wenn wir auf die Geschehnisse an den Grenzen Europas im Mittelmeer schauen.

 

Wie gehen wir mit denen um, die nicht unmittelbar zu Familie und Freunden gehören, sondern die uns erst mal fremd sind? Da ist das christliche Grundanliegen sehr aktuell. Aber wir müssen unsere guten Inhalte auch so an jüngere Generationen herantragen, dass sie damit was anfangen können. Aus meiner Sicht ist das die größte Frage des Generationswechsels: Wie können wir das hinkriegen? Wie können wir digitale Zusammenkünfte und Dialog für unsere Themen nutzen? In anderen Bereichen ist das längst normal, im kirchlichen Bereich bislang eher die Ausnahme.

 

Welche Impulse wollen Sie als Leiterin des Christian Jensen Kollegs setzen? Welche „neuen Formen“ fördern Sie?

Mir ist es wichtig, zu zeigen, dass wir mit unseren Themen aktuell sind. Christian Jensen hat da weit vorausgedacht. Er wusste, es ist wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen und uns mit anderen Denkmustern und Kulturen zu konfrontieren. Das ist modern und zeitgemäß. Allerdings besteht für eine kirchliche Einrichtung heute die Herausforderung weniger darin, unsere Inhalte nach Indien oder Südamerika zu tragen. Wir wissen, dass dort die Kirchen wachsen, im Gegensatz zu jenen in Europa.

 

Wir müssen vielmehr nach innen schauen. Da sehe ich für uns große Herausforderungen. Wenn ich nach Deutschland gucke, sehe ich verhärtete Fronten innerhalb unserer Gesellschaft. Viele Gruppen reden nicht mehr miteinander. Wir sind nach innen nicht mehr sprachfähig. Es ist einfacher, sich mit einer indischen Partnergruppe zu treffen, als zu sagen: Ich rede jetzt mit Menschen, die die AfD wählen – aber nie sagen würden: „Ich bin rechtsextrem“. Im August hatten wir einen Workshop „Diskutieren lernen mit Andersdenkenden“. Da war dieser „Clash der Kulturen“ viel, viel stärker.

 

Das ist eine ganz große Aufgabe, die ich im weitesten Sinn als unseren missionarischen Auftrag verstehe. Nicht im Sinne von: „Ich erzähle euch, dass ihr alle zum Christentum wechseln sollt“ – das hat Jesus in der Weise auch nicht gemacht. Sondern: Wir wollen Räume öffnen, wo Menschen miteinander in Austausch kommen können, die es von allein niemals tun würden. Raus aus der eigenen Blase, rein in das gemeinschaftliche Denken. Das machen wir in Breklum. Vor Kurzem gab es einen Workshoptag mit Jugendlichen, die bei „Fridays for Future“ organisiert sind. Sie wollten die Verantwortungsträger aus dem Kreis Nordfriesland treffen. Die Jugendlichen haben dabei zum ersten Mal politische Verantwortliche und Fachleute von Firmen der regenerativen Energien getroffen. Das klingt banal, aber es passiert ansonsten selten. Man lebt aneinander vorbei und trifft sich selten. Dies zu ändern und Räume der Begegnung über kulturelle Grenzen hinweg zu schaffen, ist unser Anspruch als kirchliches Bildungskolleg.

 

Vielen Dank.

 

Dieses Interwiev ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2019.

Nora Steen und Theresa Brüheim
Nora Steen ist Pastorin, Theologische Leiterin und Geschäftsführerin des Christian Jensen Kolleg. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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