Die Entscheidung ist getroffen

Warum Berlin ein Freiheits- und Einheitsdenkmal braucht

Berlin, die deutsche Hauptstadt, braucht ein Freiheits- und Einheitsdenkmal.
Das war der Gedanke, als ich 1998 zusammen mit dem damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, Florian Mausbach, eine Bürgerinitiative zur Errichtung solch eines Denkmals auf der Berliner Schlossfreiheit startete, dem Logenplatz der deutschen Geschichte, wie die taz einmal schrieb.
Und das ist heute immer noch richtig, auch nachdem der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages im April dieses Jahres beschlossen hatte, der Bundesregierung zu empfehlen, dieses Projekt nicht weiter zu verfolgen. Doch wer ist der „Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages“? Hatte nicht der Deutsche Bundestag in Gänze beschlossen, solch ein Denkmal geradezu und gegenüber als Kontrapunkt zum Wiederausbau des Berliner Stadtschlosses zu errichten? Und gab es nicht einen erfolgreich durchgeführten Wettbewerb mit einem klaren Ergebnis: Das Architekturbüro Milla & Partner gewann mit einem Entwurf, der den Initiatoren der Denkmalsidee sehr nahe kam. Der alte Sockel des früheren Kaiser-Wilhelm-Denkmals wird „aufgehoben“ und einer neuen Bestimmung zugeführt. Nicht Bärbel Bohley oder Helmut Kohl werden auf den Sockel gestellt, sondern alle Bürger können ihn „erobern“. „Bürger in Bewegung“, so die Idee an der auch Sascha Waltz beteiligt war, bezeichnet ein aktives Denkmal, bei dem die Besucher selbst zu Akteuren werden, indem sie zuerst sich und dann den aufgehobenen Sockel wie eine Waage in Bewegung setzen, langsam nur, aber bestimmt. Keiner bezweifelt, dass damit Berlin um eine Attraktion reicher würde. Nur muss es eben gebaut werden.

 

Die Fortsetzung des Baus, der durchgeplant ist und für den eine Grundsteinlegung ansteht, verhindert derzeit nicht nur der Haushaltsausschuss, sondern Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und wohl neue Berliner CDU-Vorsitzende, Monika Grütters. Sie bestreitet inzwischen gar nicht mehr, dass es nicht um die Kosten geht, also der Haushaltsausschuss nur instrumentalisiert wurde. Bei einer Paneldiskussion am 5. September 2016 wurde ihre eigentliche Absicht deutlich. In ihrer Eingangsrede, nachdem sie sich positiv zu einem „Waldmops-Denkmal“, mit dem die Stadt Brandenburg an der Havel Loriot ehrt, geäußert hatte, sagte sie: „Wir haben aber umgekehrt ganz offensichtlich Schwierigkeiten, historischen Ereignissen selbst ein Denkmal zu setzen. Nicht zuletzt mit Blick auf das ergebnislose Ringen um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin und Leipzig treibt mich die Frage um, warum wir uns im 21. Jahrhundert so ungeheuer schwertun, für unser gemeinsames – nationales – Erinnern – für Freude und Stolz genauso wie für Trauer und Scham – eine Formensprache zu finden, die bei der Mehrheit der Menschen im doppelten Wortsinn ankommt und von der Gesellschaft getragen wird.“

 

Nun hat genau dazu seit 1998 eine Debatte stattgefunden, aber eher weniger emotional und leidenschaftlich als wir uns das gewünscht hatten. So war es auch bei der folgenden Podiumsdiskussion. Alle Panellisten Christoph Stölzl, Christopher Clark, aber auch der Kulturausschussvorsitzende Siegmund Ehrmann und Anna Kaminsky von der Stiftung Aufarbeitung sprachen sich für ein positives Erinnern aus; genauso wie 1998 schon fast alle angeschriebenen Meinungsträger von Jörg Immendorff über Ignatz Bubis bis zu Joachim Fest, die alle ein Denkmal an diesem Ort unterstützten und unseren Offenen Brief unterzeichneten.

 

Interessant an der Diskussion war, dass der eigentlich von Monika Grütters intendierte Zweck, nicht über den im Wettbewerb erfolgreichen und von Bernd Neumann, Grütters Vorgänger, beauftragten Entwurf von Milla & Partner zu sprechen und ihn endgültig zu beerdigen, verfehlt wurde. Denn es ist schlicht eine Unwahrheit, wenn die BKM von einem „ergebnislosen Ringen um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal“ spricht.

 

Natürlich darf man Formensprache und Ikonographie von künstlerischen Entwürfen und auch Denkmalen unterschiedlich bewerten. Aber genau deshalb werden Juryentscheidungen getroffen und rechtsverbindliche Verfahren durchgeführt: Damit eben nicht der Geschmack der Kulturstaatsministerin in Gutsfrauenmanier durchgesetzt wird bzw. nachträglich zum Zuge kommt.

 

Doch es gibt noch einen, vielleicht sogar den entscheidenden Punkt in der Debatte um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal. Ich hatte am Tag nach der für uns alle völlig überraschenden Entscheidung des Haushaltsausschusses im Tagesspiegel vom 15. April 2016 geschrieben, wenn das Denkmal scheitern sollte, dann aufgrund einer „unheiligen Allianzen von Kleingeistern“. Die gibt es leider immer noch. Wesentlich aber ist jetzt eine positive Bewegung zur Umsetzung der Denkmalsidee auf der Schlossfreiheit – welche Symbolik: nicht der Sockel des alten Nationaldenkmals, sondern auch der Ort, wo früher die Bediensteten des Schlosses in einfachen Bauten wohnten. Es braucht jetzt mehr als freundliche Anteilnahme. Es braucht Begeisterung der Deutschen für das, was uns gemeinsam 1989 mit der Friedlichen Revolution und 1990 mit der Deutschen Einheit gelungen ist. Nur eine öffentliche Auseinandersetzung mit den vielen Gründen dafür wird die Abgeordneten des Deutschen Bundestages überzeugen, solch ein Denkmal zu bauen: Die Entscheidung dafür ist bereits getroffen. Wer sie aufheben will, muss klar sagen, warum und wofür jetzt der eingeschlagene Weg verlassen werden soll. Den Initiatoren ging es immer auch um diesen Ort. Was soll da nach zwei Wettbewerben wirklich Neues aus einer Debatte folgen?

 

Das Denkmal braucht auch die Unterstützung der vielen Organisationen im Deutschen Kulturrat, damit es ein aktives und freudiges Erinnern an Freiheit und Einheit in der Mitte der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland gibt. Bitte nutzen Sie ihren Einfluss auf die BKM.

 

Der Text ist zuerst in Politik & Kultur 06/2016 erschienen.

Günter Nooke
Günter Nooke ist Afrikabeauftragter der Bundeskanzlerin und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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