Auf dem Hartmannswillerkopf im Elsass fand im Ersten Weltkrieg eine Art permanenter deutsch-französischer Krieg statt. Seit 1871 gehörte das Elsass wie Lothringen zum Deutschen Reich, aber die Franzosen trauerten um die „verlorenen Provinzen“ und machten keinen Hehl aus ihrer Absicht, sie irgendwann wieder zurückzuerobern. 1914, zu Beginn des Krieges, war die „Vogesenfront“ mit dem 956 Meter hohen Hartmannswillerkopf ein heiß umkämpftes Gebiet. Wer die Kuppe des „Hartmann“ besetzen konnte, kontrollierte alle Straßen und Bahnlinien von Cernay und Mulhouse und damit einen wichtigen Zugang zur gesamten Westfront.
So entspannen sich ab August 1914 erbitterte Kämpfe um diesen Berg, den die Soldaten bald „Menschenfresser“ nannten. Hier war der Erste Weltkrieg eine rein deutsch-französische Konfrontation. Und so blieb es auch bis 1918. Um jeden Meter wurde gerungen. Deutsche und Franzosen standen sich oft auf 50 bis 100 Meter Entfernung gegenüber. Maultiere und Menschen schafften Waffen, Ausrüstung, Nahrung in die Höhe und brachten verwundete und tote Soldaten zurück in die Hospitäler der Etappe und auf die Soldatenfriedhöfe. Auch schwerste Artillerie wurde bis auf die Bergkuppe transportiert und Schützengräben in den Fels gehauen. Auf beiden Seiten kämpften überwiegend erfahrene und sehr gut ausgebildete Spezialtruppen, Gebirgsjäger und „Chasseurs alpins“.
Es war ein erbitterter Kampf, einen „Weihnachtsfrieden“ hat es hier nicht gegeben. Die Bergkuppe wurde immer wieder von der einen Seite eingenommen und von der anderen zurückerobert. Es war allerdings in gewisser Weise ein separater Krieg, den die Öffentlichkeit nach 1915 kaum noch zur Kenntnis nahm. Denn inzwischen hatte sich die Westfront über die Marne und Verdun an die Somme und nach Flandern verlagert, sodass der Hartmannswillerkopf zwischen 1916 und 1918 nur noch ein Nebenkriegsschauplatz war. Trotzdem wurde der Krieg dort als ein unerbittlicher Zweikampf zwischen Deutschen und Franzosen weitergeführt. Ungefähr 25.000 Soldaten fielen ihm zum Opfer. Hier ging es letztlich nicht mehr um Strategie und operative Vorteile, sondern um die symbolische Inbesitznahme bzw. Behauptung des Elsass.
Nach dem Krieg und der Rückkehr des Elsass zu Frankreich wurde der „Vieil Armand“ zu einer wichtigen französischen Gedenkstätte mit einem sehr eindrucksvollen Monument ausgestaltet. Und bis in die 2000er Jahre blieb es auch dabei.
In dem Maße, wie die deutsch-französische Freundschaft wuchs, entstand auch das Bedürfnis, hier wie vor Verdun eine gemeinsame Gedenkstätte einzurichten und mit einem Info-Zentrum auszustatten. Diese Idee wurde insbesondere von der Colmarer Tourismusentwicklungsagentur mit ihrem hingebungsvoll für dieses Projekt wirkenden Direktor, Jean Klinkert, verfolgt.
Ein wissenschaftlicher Beirat aus französischen und deutschen Spezialisten des Ersten Weltkrieges, Archivaren und Verwaltungschefs der gesamten Region – bis hin nach Karlsruhe, dessen Generallandesarchiv wertvolle dokumentarische Hilfe leistet – unterstützt ihn in seiner Arbeit. Im Rahmen der Vorbereitung des „Centenaire“ war die Französische Republik bereit, 1,3 Millionen Euro in dieses Projekt zu investieren. Leider sind die deutschen Beiträge bis heute eher spärlich, insgesamt wohl nicht mehr als 200.000 Euro.
Der Grundstein zum Historial vom Hartmannswillerkopf – die elsässische Namensgebung wurde für beide Seiten verbindlich gemacht – ist 2014 von den Präsidenten François Hollande und Joachim Gauck gelegt worden. Die Einweihung des Gebäudes und der fertigen Ausstellung erfolgte am 11.
November 2017, wieder durch die beiden Staatspräsidenten, nun Emmanuel Macron und Frank-Walter Steinmeier. Die inzwischen schon eingebürgerte Bezeichnung „Historial“ ist eine Verbindung von „Histoire“ und „Mémoire“, von Geschichte und Gedenken. Das Historial vom Hartmannswillerkopf will in der Tat beides leisten: Es führt die Besucher in die Geschichte des Ortes der Kämpfe im Ersten Weltkrieg ein, und es will den Menschen von heute die Menschen von damals begreiflich machen, in ihrem Kampf für Heimat, Vaterland und Ehre. Es will den besonderen Charakter dieser deutsch-französischen Konfrontation verstehen lassen und gleichzeitig die Ereignisse in eine Gesamtgeschichte des Ersten Weltkrieges einbetten.
So wird dort zunächst ein Informationsfilm mit dokumentarischem Material aus der gesamten Zeit des Weltkrieges und seiner Vorgeschichte gezeigt. Die Besucher können dann die verschiedenen Details der Gebirgskämpfe ansehen, etwa eine Seilbahn en miniature. Auch der im Krieg verschüttete und vor wenigen Jahren ausgegrabene Kilianstollen mit den seit 100 Jahren darin liegenden Ausrüstungsgegenständen wurde hier nachgebaut. „Herzstück“ der Ausstellung ist zweifellos ein besonderer Raum, in dem Soldaten beider Nationen den Krieg erzählen, wie sie ihn Tag für Tag erleben und erleiden mussten. Diese nachgesprochenen Berichte stammen alle aus Originalquellen, aus Briefen und Tagebüchern von Soldaten, die hier am Hartmannswillerkopf kämpften. Ein bewegliches Panorama der Schlacht illustriert diese Erzählungen mit der Darstellung der jeweiligen Gefechte und Positionen.
Die dreisprachige Vermittlung der Geschichte dieser Kämpfe soll den Besuchern ein tieferes Verständnis dessen vermitteln, was sich vor hundert Jahren auf diesem heute immer noch vom Krieg zerfressenen Terrain ereignet hat. Die Besichtigung des Historial wird beschlossen mit einem Ausblick auf das Zusammenwirken Deutschlands und Frankreichs beim Aufbau eines geeinten Europas nach der Erfahrung zweier Weltkriege.
Wegweisend für die künftige Gestaltung der deutsch-französischen Erinnerungskultur ist, dass mit diesem Informationszentrum eine deutsch-französische Begegnungsstätte neuer Art realisiert werden konnte. Denn die nationalen Erinnerungen an diese Ereignisse – einschließlich der besonderen Situation des Elsass – werden hier vollkommen gleichwertig behandelt und in einen dezidiert binationalen Diskurs eingebracht.