Auch 70 Jahre nach der Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte müssen wir feststellen: Menschenrechtsverletzungen unterschiedlicher Dimension lassen sich weltweit immer noch nicht effektiv genug verhindern. Zwar wurden durchaus Fortschritte erzielt, etwa im Bereich der Todesstrafe oder bei Gleichstellungsfragen. Doch untergraben beispielsweise Krieg, bewaffnete Konflikte, Armut, Korruption oder Rassismus weiter täglich die Menschenrechte vor allem von Minderheiten, Frauen und Kindern.
Es ist richtig, einen Schwerpunkt der internationalen Bemühungen bei der Bekämpfung der Hauptursachen von Menschenrechtsverletzungen zu setzen. Trotzdem sollte auch gegen die vielerorts zu schwach ausgeprägte Menschenrechtsbildung angegangen werden. Fehlendes oder lückenhaftes Wissen über Menschenrechte zeigt sich nicht nur in bildungsschwachen oder autoritären Staaten, sondern auch zunehmend in entwickelten und demokratischen Ländern. So trägt auch die mangelnde Menschenrechtsbildung z. B. in Staaten wie der Türkei, Russland, den Philippinen, aber auch Polen oder Ungarn mit dazu bei, dass politische Führungsfiguren Wahlen gewinnen, die sich nicht für Rechtsstaat und Menschenrechte einsetzen, sondern diese Werte zum Teil systematisch verletzen. Doch auch in westeuropäischen Staaten und in Deutschland wird das abnehmende Bewusstsein und die fehlende Wertschätzung z. B. für das Recht auf Privatsphäre oder für Presse- und Meinungsfreiheit ein Problem.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit begreift ihre Aufgabe der politischen Bildung vor diesem Hintergrund als klaren Auftrag zur Menschenrechtsbildung und zwar im In- und Ausland, ganz in der Tradition ihres Namensgebers Friedrich Naumann und seiner Idee der Staatsbürgerschule. Im Ausland führt die Stiftung seit Jahrzehnten mit internationalen und lokalen Partnern Menschenrechtsschulungen in unterschiedlichsten Formaten durch: in Myanmar durch Grund- und Menschenrechtskurse für die allgemeine Bevölkerung; im Libanon und Marokko durch gezielte Fortbildungen für Polizisten, Gefängnispersonal und sogar Gefängnisinsassen; in Thailand durch die Entwicklung der erfolgreichen Gesellschaftsspiele „Rights Cards“ und „Rights Bingo“ für Kinder und Jugendliche; in Westafrika im Rahmen des jährlichen Kulturfestivals „Menschenrechtswochen“ oder in öffentlichen Rechtsberatungsformaten wie „Law Clinics“ zu Transgenderrechten in Indien oder gegen religiös bedingte Frauendiskriminierung in Malaysia. Besondere Aufmerksamkeit widmet die Stiftung dabei der Aus- und Fortbildung von Journalisten, um so die Presse- und Meinungsfreiheit zu fördern. Hiermit begann auch bereits Mitte der 1960er Jahre die Auslandsarbeit der Stiftung in Tunesien und Marokko. Heute wird dieser Bereich durch das Internationale Journalisten und Mediendialogprogramm der Stiftung weltweit fortgesetzt, das unter anderem durch seine „Diwan“-Reihe auch Exil-Journalisten fördert.
Für die Zukunft sollte Menschenrechtsbildung wieder stärker ins Bewusstsein der Bildungsarbeit gerückt werden, und zwar in Deutschland, Europa und weltweit: Es ist wichtig, die Bildungsarbeit für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte zu stärken und auf die aktuellen Herausforderungen, ob nun beispielsweise Digitalisierung, Globalisierung oder „Shrinking Spaces“, auszurichten. Freiheit und Menschenrechte waren nie selbstverständlich und auch Menschenrechtsbildung ist ein Teil des lebenslangen Lernens. Vor allem mit Blick auf die neuen Herausforderungen im Zuge der Digitalisierung, z. B. im Umgang mit Internet und sozialen Medien ist dies unausweichlich. Die politischen Stiftungen können zur Menschenrechtsbildung mit ihrem großen Erfahrungsschatz in der weltweiten Bildungsarbeit einen wichtigen Beitrag leisten. Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat ihr nationales und internationales Menschen- und Bürgerrechtsprogramm neu aufgestellt und wird im Jahr 2018 – dem Jahr ihres 60. Stiftungsjubiläums – ihren ersten Menschenrechtsbericht vorlegen. Dieser soll in Fragen moderner Menschenrechtsbildung Denk- und Diskussionsanstoß bieten.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2018.