Wie ist es um die kulturelle Inklusion in Deutschland bestellt? Kathrin Hahne leitet die Gruppe Grundsatzfragen der Kulturpolitik, Denkmal- und Kulturgutschutz bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Politik & Kultur hat nachgefragt, welche Rolle das Thema Inklusion für die BKM spielt.
Welche Idee steht hinter dem BKM-Programm „Kulturelle Vermittlung und Integration“? Welchen kulturellen und gesellschaftlichen Mehrwert leistet es?
Kulturelle Teilhabe trägt zum sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland bei. Sie ist ein wichtiger Motor für die Partizipation aller Menschen an vielgestaltigen, gesellschaftlichen Prozessen. Die direkte Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur prägt ein Individuum. Sie ist ein wichtiger Aspekt der Persönlichkeitsbildung und ermöglicht die Entfaltung kreativer Talente und Wahrnehmungen.
Es ist deshalb eines der wichtigsten kulturpolitischen Anliegen des Bundes, alle Menschen für kulturelle Angebote zu begeistern – gerade auch Menschen mit Einschränkungen. Insbesondere sollen jene erreicht werden, die bisher nur selten oder auch gar keinen Zugang zu Kultur haben konnten.
Der Bund unterstützt alljährlich mit dem Förderprogramm „Kulturelle Vermittlung und Integration“ Modellprojekte kultureller Einrichtungen, um unter anderem die Teilhabe von Menschen mit Behinderung an Kunst und Kultur weiter zu stärken. Gefördert werden mehrjährige, strukturbildende Vorhaben mit jeweils bis zu 300.000 Euro.
Wer kann sich für eine Zuwendung bewerben?
Das BKM-Förderprogramm „Kulturelle Vermittlung und Integration“ richtet sich insbesondere an die vom Bund geförderten Kultureinrichtungen. Diese haben eine wichtige Funktion, wenn es darum geht, noch intensiver als bisher kulturelle Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Behinderung zu eröffnen. Es sind aber auch Projektförderungen für nicht vom Bund geförderte Einrichtungen möglich, wenn es sich um Modellvorhaben von gesamtstaatlicher Relevanz handelt.
Das Programm besteht seit zwölf Jahren. Welche Leuchtturmprojekte sind daraus bereits entstanden?
In den letzten zwölf Jahren wurden zahlreiche Leuchtturmprojekte realisiert. Sie sollen strukturelle Veränderungsprozesse in den Einrichtungen und bei den Akteuren anstoßen.
Aktuell fördert Kulturstaatsministerin Monika Grütters z. B. das Projekt „Ausnahmen sind hier die Regel“ vom Haus Bastian, dem neuen Zentrum für Bildung und Vermittlung der Staatlichen Museen zu Berlin. Dabei werden neue Ansätze für inklusive Bildungsarbeit entwickelt. Das Projekt erarbeitet gemeinsam mit Museen, Bildungseinrichtungen und Betroffenen-Verbänden Formate, die inklusive Prozesse für kreative und gestalterische Projekte nutzbar machen.
Mit dem Projekt „Konzert für alle“ möchte das Rundfunk Sinfonieorchester Berlin Angebote für Menschen mit Behinderung erarbeiten und nachhaltig in der Programmstruktur des Orchesters verankern. Das Projekt richtet sich vor allem an gehörlose Menschen und Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Das Projekt „Zugängliches Theater“ der Münchner Kammerspiele ermöglicht es Menschen mit Behinderung, Theater aktiv mitzugestalten und zu erleben. Als Pilotprojekt für ein inklusives Stadttheater angelegt, soll es fortlaufend evaluiert und in dauerhafte Strukturen und Prozesse überführt werden. Durch eine umfassende Dokumentation will das Projekt auch Vorbild für andere Einrichtungen sein, die das innovative Format adaptieren können.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2021.