„Vielfalt ist in Kultur, Sport und im Sozialen nur mithilfe vieler Freiwilliger realisierbar“

Engagement in der Bürgerstadt Leipzig

Was leistet wiederum das bürgerschaftliche Engagement für Leipzig?
„Willst du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt dir geben“, spottete einst Wilhelm Busch. Ich glaube, er hat es nicht wirklich so gemeint. Schon zu seiner Zeit spielte das Ehrenamt eine wichtige Rolle. Freiwilliges Engagement war und ist für unsere Gesellschaft höchst wertvoll. Es fördert und erhält den sozialen Zusammenhalt, handelt im täglichen Tun das Miteinander aus und stellt ein großes Potenzial für eine ausgewogene Entwicklung der Stadt und funktionierende Nachbarschaften dar.
Wir wissen, die heutige Vielfalt in der Kultur, im Sport und sozialen Bereich ist in Leipzig nur mithilfe vieler Freiwilliger realisierbar. Der Festivalbetrieb unserer Kulturstadt wäre ohne sie nicht denkbar. So unterstützen Ehrenamtliche und Volontäre alljährlich beispielsweise die Leipziger Jazz-Tage, das Internationale Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm und das Theater- und Tanzfestival euro-scene Leipzig, um nur einige zu nennen. Zahlreiche Vereine und Initiativen könnten ohne ehrenamtliche Unterstützung deutlich weniger soziale und kulturelle Angebote unterbreiten. Die Grenze, wo individuelles Engagement in staatlichen Rückzug kippt, ist schmal und gehört sensibel beobachtet. Umgekehrt stiftet staatlich unverzichtbare Arbeit häufig auch Sinn für die Engagierten. Kommunale Aufgabe ist also einerseits, die Stadtgesellschaft zu vernetzen und Möglichkeiten für Engagement zu schaffen, andererseits für eine stabile hauptamtliche Grundversorgung und strukturelle Stabilität zu sorgen.

 

Welche Auswirkungen hat derzeit die Corona-Pandemie auf die Leipziger Engagementstrukturen?
Aktuell würden viele Ehrenamtliche lieber auf die Ehrungen verzichten und sich dafür mehr Gewissheit für ihr Tun in den Zeiten der Corona-Pandemie wünschen. Die ehrenamtliche Tätigkeit lebt vom persönlichen Austausch. Doch hier gilt insbesondere, das gesundheitliche Risiko nicht zu unterschätzen, denn ein Großteil der Ehrenamtlichen gehört selbst zur Risikogruppe oder unterstützt überwiegend Zielgruppen, die zur Risikogruppe zählen. Die Folgen der Pandemie erzeugen zudem finanzielle Unsicherheiten in Vereinen und Initiativen. Spenden bleiben aufgrund der angeschlagenen Wirtschaft aus und Privathaushalte bleiben in Habachtstellung hinsichtlich der Entwicklung. Gleichzeitig müssen höhere Belastungen durch die sich stetig wandelnden Einschränkungen, die Erstellung der Hygienekonzepte und Einhaltung der Auflagen organisiert und getragen werden. Dazu kommt die Wandlung der verstärkten Kommunikation über digitale Kanäle. Die Veränderungen sind so mannigfaltig, dass es jeder Person, aber auch jeder Institution schwerfällt, Schritt zu halten.
Dennoch hat die Pandemie sehr viel Wärme und kollektive Kraft zutage befördert. Das hohe Maß an Hilfsbereitschaft von Leipziger Bürgerinnen und Bürgern im Bereich der Nachbarschaftshilfe überstieg im März und April dieses Jahres sogar die Nachfrage danach. Diese Solidarität zu spüren war für mich ein wunderbarer Lichtblick in diesen schwierigen Zeiten. Dieses Gefühl, die Früchte des eigenen Engagements sehen und spüren zu können, ist ein essenzieller Antrieb für das bürgerliche Engagement. Dass dies in Bälde für alle Bereiche unserer Gesellschaft wieder möglich ist, wünsche ich mir sehr. Wir alle brauchen es.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2020.

Skadi Jennicke & Theresa Brüheim
Skadi Jennicke ist Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur der Stadt Leipzig. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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