Über den Berg sind wir dennoch nicht

Für die Film- und Fernsehwirtschaft wurde viel erreicht

Als es im März 2020 in Deutschland zum ersten Lockdown kam, wurde sehr schnell deutlich: Die gesamte Bandbreite der Kulturwirtschaft in Deutschland wird durch die Corona-Pandemie schwer in Mitleidenschaft gezogen. Dies schloss auch den Bereich der Film- und Fernsehproduktion ein. So wurden in diesen Wochen zahlreiche Produktionen unterbrochen oder sogar eingestellt, nahezu die gesamte deutsche Kinoproduktion kam zum Stillstand. Die Produktionswirtschaft stand vor dem Problem, dass Covid-19-bedingte Drehunterbrechungen nicht über Versicherungen abgedeckt werden. Jeder weitere Drehtag wurde damit zu einem existenziellen Risiko für Produzentinnen und Produzenten, denn der überwiegend von kleinen und mittleren Unternehmen geprägten Branche fehlt das finanzielle Fundament, um solche Risiken allein zu schultern. Kurzfristig verhandelte Unterstützungsleistungen mit den Sendern sollten zudem nicht unverändert fortwähren.

 

Verglichen mit dieser Ausgangssituation im Frühjahr 2020 hat sich inzwischen – auch durch das Engagement der Produzentenallianz – einiges bewegt. Bereits Ende März erreichte die Produzentenallianz im Rahmen kurzfristig angesetzter und virtuell stattgefundener Tarifverhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sowie dem Bundesverband Schauspiel Bühne, Film, Fernsehen, Sprache (BFFS) einen wichtigen Meilenstein: einen branchenbezogenen Kurzarbeits-Tarifvertrag für Filmproduktionen und Filmproduktionsunternehmen.

 

Zudem intensivierte die Produktionswirtschaft die Forderung nach einem Ausfallfonds, der Produktionsunternehmen im Falle coronabedingter Drehunterbrechungen unterstützt. Ein Ergebnis davon war die Einrichtung des Ausfallfonds I durch den Bund im September 2020. Dieser deckt allerdings nur Kino- und High-End-Serien-Produktionen ab. Damit blieb der wirtschaftlich weitaus größere Bereich der Fernsehproduktion zunächst weiter ungeschützt, weshalb in der Folge die Produzentenallianz ab August 2020 massiv auf die Etablierung eines Ausfallfonds II drängte. Der Ausfallfonds II ist nun seit Januar 2021 – rückwirkend für November 2020 – aktiv und kann von Produktionsunternehmen über ein Anmeldeverfahren genutzt werden. Beide Ausfallfonds sind für die Branche von großer Bedeutung, da sie den existenziellen Druck für viele Unternehmen mildern können.

 

Auch auf die Frage, wie am Dreh­ort zu verfahren ist, entwickelte die Branche zügig eine Antwort. Die Produzentenallianz brachte dazu bereits im Mai 2020 einen Leitfadenentwurf ein, damit Produktionen unter strengen hygienischen Auflagen weiterlaufen können. Teile dieses Leitfadens wurden schließlich von der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) in ihren Arbeitsschutzstandard übernommen. Dieser Arbeitsschutzstandard wird seither immer wieder an die aktuelle Situation angepasst und gibt Produzentinnen und Produzenten eine wichtige Orientierung bei der Planung von Produktionen unter besonderen hygienischen Sicherheitsmaßnahmen.

 

Insgesamt konnte in den vergangenen Monaten also einiges für die Produktionswirtschaft in Deutschland erreicht werden, was dazu geführt hat, dass wieder deutlich mehr produziert wird als noch zu Beginn der Pandemie. Wir sind jedoch längst nicht über den Berg. Die Filmförderungsanstalt des Bundes, die Sender und die Verleiher haben infolge der Covid-19-Pandemie mit knappen Mitteln zu kämpfen, weshalb die Finanzierung ausreichend budgetierter Filme schwieriger geworden ist. Und wie der neuerliche Lockdown zeigt, bleibt die Situation für Unternehmen fragil. So, wie auch andere Branchen, müssen Produktionsunternehmen deshalb angemessen an staatlichen Hilfsprogrammen partizipieren können. Die Abwicklung der Maßnahmen lässt teilweise zu wünschen übrig. Hier muss Deutschland besser werden. Außerdem belastet die ausgebliebene Erhöhung des Rundfunkbeitrags – und damit mögliche Kürzungen im Programm – zusätzlich die Branche. Schließlich sind die öffentlich-rechtlichen Sender ein großer Auftraggeber. All das macht das Jahr 2021 für die Produktionswirtschaft nicht einfacher.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 3/2021.

Christoph Palmer
Christoph Palmer ist Geschäftsführer der Produzentenallianz.
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