Fortsetzung: Wie unterstützen die Bundesländer jetzt die Kultur?

Saarland

 

Museen, Theater, Konzertsäle, Kneipen und Clubs sind geschlossen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Darunter leiden alle Kultureinrichtungen. Insbesondere für viele freiberufliche Kulturschaffende, für Künstlerinnen, für Soloselbständige und Betreiber kleinerer Veranstaltungsorte bedeutet das existenzielle Sorgen.

 

Aber gerade in der Krise gilt: Kultur ist der Kitt unserer Gesellschaft. Ich beobachte eine Welle der Kreativität und der Solidarität. Digitale Formate werden entwickelt, es entstehen neue Kooperationen, oft über bisher bestehende Grenzen hinweg. Und natürlich kommt es gerade jetzt auf politische Unterstützung an.

 

Die Soforthilfeprogramme des Landes und des Bundes helfen allen, die unverschuldet in Existenznot geraten sind. In der Landesregierung habe ich erreicht, dass bereits zugesagte Projektfördermittel weiter ausgezahlt werden – auch wenn sie etwa an eine bestimmte Veranstaltung geknüpft waren, die nun nicht stattfinden kann. Außerdem werde ich mich für eine Aufstockung des Kulturetats einsetzen.

 

Neben der Unterstützung für Künstlerinnen und Künstler sowie für Kulturschaffende und Kultureinrichtungen geht es aber auch darum, neue und kreative Zugänge zu Kultur zu eröffnen. Was brauchen Kulturschaffende, um ihre Werke in den öffentlichen Raum zu bringen?

 

Viele Antworten finden wir in der Digitalisierung. Natürlich kann die digitale Welt die analoge nicht ersetzen. Ein Konzert live zu erleben, ein Bild im Raum auf sich wirken zu lassen, sich mit anderen über ein gerade gesehenes Theaterstück oder eine Lesung auszutauschen, bleibt etwas Einzigartiges, das nicht zu ersetzen ist.

 

Aber die digitalen Möglichkeiten sind ein Zugewinn, der nicht nur helfen kann, Krisen zu überwinden. Der digitale Zugang eröffnet oft einen ganz neuen Blick auf Kultur, Einrichtungen und Akteure, ermöglicht Formate, die wir so noch nicht kannten. Das kann nicht zuletzt dabei helfen, neue Zielgruppen zu erschließen.

 

Mit der Arbeitskammer haben wir etwa die Initiative „Support your local act, don’t forget your favourite location“ gegründet. Freiberufliche saarländische Musikerinnen und Musiker geben an bekannten Veranstaltungsorten Konzerte und zeichnen Filmmitschnitte auf, die online veröffentlicht werden. Künstlerinnen und Betreiber der Veranstaltungsorte erhalten eine Gage oder ein Nutzungsentgelt.

 

Gleichzeitig müssen sich Kulturschaffende selbst in die Lage versetzen, ihren Beruf weiterhin auszuüben. Dazu brauchen sie Schulungsmöglichkeiten, Plattformen für Austausch und Vernetzung und natürlich technisches Equipment.

 

Gemeinsam mit dem Institut K8 haben wir deshalb das Projekt „Solidarisches Handeln in der Krise: Strukturinitiative für Kulturakteure im Saarland!“ ins Leben gerufen. Es geht darum, individuelle und institutionelle Bedarfe miteinander zu verbinden, um neben Solidarleistungen konkrete Beiträge für den digitalen Strukturwandel zu entwickeln. Unser Ziel ist ein genossenschaftliches Modell eines kooperativen Solidarsystems „smart.saarland“ für das Saarland.

 

Chancen sehe ich auch bei der kulturellen Bildung. Wollen wir Chancengleichheit und soziale Teilhabe für alle in unserer Gesellschaft, so muss der Zugang zur kulturellen Bildung jedem Menschen möglich sein. Digitalisierung hilft dabei. Aus unserer heutigen Gesellschaft sind die digitalen Medien nicht mehr wegzudenken. Sie helfen uns, soziale, räumliche und zeitliche Grenzen – und eben auch die Begrenzungen der Corona-Krise – zu überwinden. Davon können wir auch nach Corona profitieren.

 

Christine Streichert-Clivot ist Ministerin für Bildung und Kultur im Saarland.

 

Sachsen

 

Die Folgen der Corona-Pandemie werden die Kultur weit länger belasten als die meisten anderen Bereiche des Lebens. Wann Theater, Opernhäusern und Konzertsäle wieder bis auf den letzten Platz besetzt sein dürfen, wissen wir heute nicht. Es wird vermutlich später als früher sein, weil der Infektionsschutz es nicht erlaubt oder auch weil einige Kulturfreunde zunächst vorsichtiger bleiben. Auch die Festivalsaison, in der viele Kulturschaffende und nahe Dienstleister ihren Jahresverdienst erarbeiten, fällt dieses Jahr weitestgehend aus. Und ob in Zeiten einer angespannten wirtschaftlichen Lage Investitionen, Sponsoring und Spenden für Kultur und ihre Einrichtungen, ihre Macherinnen und Macher im gleichen Umfang wie bisher geleistet werden, muss bezweifelt werden.

 

Der Kultur droht, auf Dauer die Existenzgrundlage zu verlieren. In den vergangenen Wochen wurden wichtige Förderprogramme und Hilfspakete auf den Weg gebracht. Der Bund hat mit seinem Sofortzuschuss für Kleinunternehmer und Soloselbständige wichtige Weichen gestellt, von denen auch der Kulturbereich profitiert. Um die breite kulturelle Infrastruktur und Vielfalt jedoch zu erhalten, muss der Staat auf absehbare Zeit Theater- und Konzertbesucher sowie Kunstförderer ein Stück weit ersetzen, indem er Einnahmeausfälle ausgleicht. Das können Kommunen und Länder nicht allein bewältigen. Deshalb ist die Rettung unseres kulturellen Reichtums eine nationale Aufgabe, bei der der Bund eine tragende Rolle spielen muss. Der Freistaat Sachsen leistet bereits seinen Beitrag: Ein erster wichtiger Schritt ist unser Rettungsschirm für sächsische Kulturschaffende in Höhe von knapp 10 Millionen Euro. Dieser beruht auf einer wichtigen Grundidee: Wir wollen nicht nur Geld, sondern auch Sinn für die betroffenen Künstlerinnen und Künstler im Freistaat stiften.

 

So schaffen wir kurzfristig das Stipendienprogramm „Denkzeit“, bei dem Künstlerinnen und Künstler eine Förderung von 2.000 Euro erhalten: Wir wollen Konzepte, Ansätze und Formate fördern, die sich mit künstlerischen Mitteln theoretisch und praktisch mit den Bedarfen und Herausforderungen des gegenwärtigen gesellschaftlichen Ausnahmezustands auseinandersetzen.
Über die Kampagne des Freistaats „So geht sächsisch.“ wird Künstlerinnen und Künstlern bereits eine digitale Bühne geboten. Wir werden das Format unterstützen und neben Künstlerhonoraren auch Ausgaben für Technik ermöglichen.

 

Für die musisch-kulturelle Bildung in der Fläche sollen in einem ersten Schritt die freien Träger eine finanzielle Unterstützung erhalten. Parallel dazu arbeitet die Staatsregierung an einem Schutzschirm für Kommunen.
Von der Corona-Pandemie sind natürlich auch unsere staatlichen Kulturbetriebe betroffen, wie etwa die Semperoper und die Staatlichen Kunstsammlungen, die gerade erst die Galerie Alte Meister wiedereröffnet haben. Nicht nur zum 500. Todestag von Raffael hing die Sixtinische Madonna mutterseelenallein in den schönen neu gestalteten Sälen.

 

Unabhängig davon, wann unsere Einrichtungen wiedereröffnet werden, rechne ich damit, dass dies stufenweise erfolgt. Und dabei werden sicher Maßnahmen des Infektionsschutzes eine Rolle spielen. Unsere Kultureinrichtungen wollen wieder aufmachen, wollen spielen: Sie werden sich vieles einfallen lassen, um wieder Leben in die Museen, Theater und Kulturvereine zu bekommen, da bin ich ganz sicher.

 

Aktuell spüre ich, dass vielen Menschen hier die Kultur im alltäglichen Leben fehlt. Auch das treibt uns an, Kulturschaffende und Einrichtungen in dieser schweren Zeit zu unterstützen – damit möglichst schnell auch ein Stück Lebensqualität für unsere Bürger zurückkehrt.

 

Barbara Klepsch ist Staatsministerin für Kultur und Tourismus in Sachsen.

 

Thüringen

 

Aufgrund der hohen Verbreitung des Coronavirus wurde der kulturelle Betrieb in der gewohnten Form nahezu vollständig zum Erliegen gebracht. Dies hat die kulturellen Institutionen und ihre Träger, die Beschäftigten in der Kulturwirtschaft – darunter eine große Zahl an Solo-selbständigen bzw. prekär Beschäftigte, aber auch Vereine und Ehrenamtliche vor Herausforderungen bis hin zu existenziellen Nöten gestellt.

 

Obwohl unpolitische Politik das Bild der vermeintlich alternativlosen Entscheidungen zu oft strapazierte, gerade um finanzielle Einschränkungen des Kultursektors zu legitimieren, waren die drastischen Maßnahmen nötig, damit die Bürgerinnen und Bürger vor der Infektion geschützt werden und eine Überforderung des Gesundheitssystems vermieden wird.
Bund und Länder haben ein umfassendes Bündel sich ergänzender Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Akteurinnen und Akteure, Unternehmen sowie Institutionen von Kunst, Kultur und Medien zu stabilisieren.

 

Wer die Maßnahmen des Bundes betrachtet, stellt sich die Frage, wo eigentlich die Kulturstaatsministerin verblieben ist. Aus dem Hause Grütters ist kein Vorschlag bekannt geworden, mit der die kulturelle Infrastruktur, insbesondere in den sensiblen Bereichen der Freien Szene, Soziokultur, Literatur und Musik, kleine Verlage und Buchläden, unterstützt werden soll. Auch die Bundeskulturstiftung ist unerwartet ruhig, statt zumindest auf die Forderung des Deutschen Kulturrates nach einem Nothilfefonds für die Kultur einzugehen und einen praktikablen Vorschlag zu unterbreiten.

 

In der Corona-Krise scheint der „kooperative Kulturföderalismus“ einseitige Aufgabe der Länder und Kommunen zu sein.

 

Um die Kulturszene weiter zu stabilisieren, darf jetzt – und gerade in der zu erwartenden Rezession – nicht an der Kultur gespart werden. Welche kraftspendende und sinnstiftende Aufgabe die Kulturszene gerade in Krisenzeiten übernimmt, zeigen uns zahlreiche Beispiele. Notwendig ist eine Finanzgarantie für die Kultur. Verbunden mit dem Bekenntnis zu Flächentarifverträgen, Entfristungen von Arbeitsverträgen, wo es nicht künstlerisch anders geboten ist. Leer stehende Ladenflächen aufgrund von Geschäftsaufgaben müssen Künstlerinnen und Künstler bzw. Kulturinitiativen entgeltfrei oder zu einer symbolischen Kulturmiete zur Zwischennutzung übertragen werden. Die Stadtwerke sollten die Energiekosten für diese Objekte übernehmen. In Kombination mit einem Stipendienprogramm sollten so Leerstand in Dörfern, kleinen Gemeinden und Kleinstädten vermieden und Kultur gefördert und angesiedelt werden. In ähnlicher Weise müssen kleine Kinos unterstützt sowie Verlage und Buchläden abgesichert werden.

 

Die Corona-Krise hat die Verletzlichkeit unserer Kultur- und Kreativwirtschaft deutlich gemacht. Nach dieser Krise dürfte niemand mehr leichtfertig die Existenz der Künstlersozialkasse (KSK) infrage stellen – es sei denn, um sie in eine allgemeine Bürgerversicherung für alle aufgehen zu lassen.

 

Gleichzeitig müssen ihre Aufnahmebedingungen modernisiert und den veränderten Bedingungen der Kreativwirtschaft angepasst werden. Kreative im Kultur und Medienbereich sollten angesichts der Krise den Wert gewerkschaftlicher Organisierung erkennen. Die Gewerkschaft ver.di wiederum muss sich endlich wieder ihres verdienstvollen Erbes der IG Medien erinnern und zum Sprachrohr von Angestellten, aber auch Selbständigen der Kultur- und Medienszene werden. Sowohl in Arbeitskämpfen gegenüber – nicht zuletzt öffentlich finanzierten – Kulturbetrieben als auch in der Interessenvertretung der Soloselbständigen gegenüber öffentlichen und privaten Auftraggeberinnen und -gebern.

 

So gesehen stellen sich in der Corona-Krise alte Fragen progressiver Kulturpolitik neu und wie in einem Brennglas verstärkt.

 

Benjamin-Immanuel Hoff ist Minister für Kultur und Chef der Staatskanzlei in Thüringen. Tina Beer ist Staatssekretärin für Kultur in Thüringen.

Vorheriger ArtikelSchadensbegrenzung oder Investition in die Zukunft?
Nächster Artikel„Seriös kann die finanziellen Folgen für Kultur und Medien niemand abschätzen“