Bund-Länder-Papier zur Kolonialismus-Debatte: Der Blick auf das Thema muss noch deutlich erweitert werden

Bund, Länder, Kommunen legen erstes Eckpunktepapier zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten vor

Berlin, den 14.03.2019. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass die Staatsministerin des Bundes für Kultur und Medien, die Staatsministerin im Auswärtigen Amt für internationale Kulturpolitik, die Kulturministerinnen und Kulturminister der Länder und die kommunalen Spitzenverbände gestern „Erste Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ vorgelegt haben. Der Deutsche Kulturrat hatte in seinen „Vorschlägen zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ vom 20.02.2019 ein solches abgestimmtes Gesamtkonzept gefordert.

 

Als wichtig erachtet der Deutsche Kulturrat, dass im Eckpunktepapier von Bund, Ländern und Kommunen klargestellt wird, dass das während des Kolonialismus geschehene Unrecht nicht vergessen werden darf. Für ebenso wichtig erachtet er, dass im genannten Eckpunktepapier eine klare Unterscheidung zur Aufarbeitung NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut gemacht wird.

 

Der Deutsche Kulturrat ist erfreut, dass im Eckpunktepapier von Bund, Ländern und Kommunen viele Aspekte angesprochen werden, die er selbst in seiner Stellungnahme gefordert hat. Dazu gehört beispielsweise die unmissverständliche Aussage, dass bei der Aufarbeitung von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten menschlichen Überresten Vorrang eingeräumt werden soll und sie zurückgeführt werden müssen. Weiter gehört dazu, dass der Dialog mit der Zivilgesellschaft geführt, sowie der internationale Austausch gefördert werden soll.

 

Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass im Eckpunktepapier von Bund, Ländern und Kommunen die Kirchen nicht adressiert werden und eine Schwerpunktsetzungen (nur) auf Museen erfolgt. Er hätte sich gewünscht, dass der im Bibliotheksbereich begonnene Auseinandersetzungsprozess im Eckpunktepapier Erwähnung gefunden hätte. Weiter bedauert der Deutsche Kulturrat, dass der von ihm geforderte Ombudsmann oder Ethik-Beirat, der bei Zweifelsfällen angerufen werden kann, im Ersten Eckpunktepapier keine Aufnahme fand. Er wird an dieser Forderung festhalten. Ferner sieht der Deutsche Kulturrat nach wie vor Handlungsbedarf, sich nicht ausschließlich auf die Rückgabe von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten zu fokussieren, sondern sich auch für einen gerechten Welthandel stark zu machen, um das bis heute fortwährende koloniale Unrecht durch besseren Marktzugang der betroffenen Länder abzumildern.

 

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Das erste gemeinsame Eckpunktepapier von Bund, Ländern und Kommunen zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten ist ein guter Auftakt für die erst wenige Monate alte Kulturministerkonferenz und ein Zeichen guter Zusammenarbeit im kooperativen Kulturföderalismus. Es ist gut, wenn Bund, Länder und Kommunen bei diesen wichtigen kulturpolitischen Fragen an einem Strick ziehen und sich auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Schon in der Überschrift stellen die Autoren des Papiers klar, dass es sich um eine erste Positionierung handelt, der hoffentlich bald weitere folgen werden. Der Blick auf das Thema muss noch deutlich erweitert werden. Die kolonialen Strukturen leben auch heute noch fort. Deutschland hatte zwar „nur“ wenige Jahrzehnte „eigene“ Kolonien, doch ist Deutschland schon vorher und nachher, bis heute, Teil der kolonialen Strukturen zum Nachteil der Länder des Südens. Deshalb können die Fragen des Umgangs mit kolonialen Gütern nicht getrennt vom Einsatz für einen gerechten Welthandel behandelt werden.“

 


 

  • Die ersten Eckpunkte zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten der Staatsministerin des Bundes für Kultur und Medien, der Staatsministerin im Auswärtigen Amt für internationale Kulturpolitik, der Kulturministerinnen und Kulturminister der Länder und der kommunalen Spitzenverbändekann können hier abgerufen werden.
  • Die Stellungnahme des Deutschen Kulturrates „Vorschläge zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ ist hier zu finden.
Vorheriger ArtikelKampf gegen Rechts: Kulturministerkonferenz stärkt Kulturinitiativen und -einrichtungen den Rücken
Nächster ArtikelGoogle, Facebook & Co.: Eine europäische gesetzliche Regelung ist Notwehr