Sexualisierte Gewalt im Kulturbereich: Hinschauen und Handeln

Schwerpunkt in Politik & Kultur 3/2024

Berlin, den 01.03.2024. Die frisch erschienene März-Ausgabe der Zeitung des Deutschen Kulturrates Politik & Kultur setzt sich in ihrem Schwerpunkt (Seite 5 – 27) mit dem Thema Sexualisierte Gewalt im Kulturbereich auseinander. In zwanzig Beiträgen wird sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema befasst. Die Beiträge verbindet, dass zum Hinsehen und Handeln aufgerufen wird.

 

Der Herausgeber von Politik & Kultur und Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, spannt in seinem Einleitungsbeitrag „Hinsehen und Handeln“ den Bogen von der Metoo-Bewegung, den Debatten und Veränderungsprozessen an künstlerischen Hochschulen, in Unternehmen und Verbänden bis hin zum aktuellen Dialogprozess „Respektvoll Arbeiten in Kunst, Kultur und Medien“ des Deutschen Kulturrates. Der Soziologe Dirk Baecker, Zeppelin Universität, betrachtet das System Kulturbetrieb und befasst sich insbesondere mit den strukturellen Bedingungen innerhalb des Kulturbetriebs, die einerseits den Übermut der Regelverletzungen befördert und gleichzeitig nach einem Ventil sucht, um mit der Überforderung fertig zu werden. Der Kulturbeauftragte der EKD, Johann Hinrich Claussen, nimmt die jüngst erschienen Forum-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche zum Anlass, um sich besonders mit der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt zu befassen. Er sieht das Erfordernis, sich von idealisierten Selbstbildern zu verabschieden.

 

Aus unterschiedlichen Blickwinkeln wird sich mit Schutzkonzepten, Selbstverpflichtungen und beruflichen Standards in der kulturellen Bildung mit Kindern und Jugendlichen auseinandergesetzt. Esther Anne Adrian und Anna Müller stellen das dachverbandliche Schutzkonzept der Bundesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung vor und informieren über Qualifikationsmaßnahmen. Jaš Otrin betont, dass in Ballettschulen gegenseitiges Vertrauen die Basis der Zusammenarbeit ist und berichtet über das Regelwerk des Deutschen Berufsverbands für Tanzpädagogik. Britta Rens stellt das Schutzkonzept des Verbands deutscher Musikschulen vor und appelliert eine positive Fehlerkultur zu entwickeln, damit Missstände beseitigt werden. Holger Krimmer gibt über die Arbeit am Schutzkonzept des Deutschen Bibliotheksverbands Auskunft. Irene Ostertag, Bund Deutscher Amateurtheater, setzt sich mit den besonderen Herausforderungen der Etablierung von Schutzkonzepten bei ehrenamtlichen Vereinen auseinander. Ihr Credo ist, dass es wesentlich auf die Umsetzung in den verschiedenen Vereinen vor Ort ankommt. Stefanie Lohaus informiert über die Arbeit des Bündnisses gegen Sexismus und wirbt dafür sich diesem, sektorübergreifenden Bündnis anzuschließen.

 

Anne Kirschning, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, eröffnet die Auseinandersetzung mit dem Thema sexualisierte Gewalt an Kunst- und Musikhochschulen. Sie stellt die Handlungsempfehlungen zum Umgang mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt an Kunst- und Musikhochschulen vor und berichtet über universitätsinterne Entwicklungsprozesse. Christian Fischer, Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen, stellt sich den Fragen von Theresa Brüheim zum Umgang mit sexualisierter Gewalt an den Musikhochschulen. Er berichtet von den nationalen und europäischen Diskussions- und Umsetzungsprozessen. Sein Fazit ist, dass es einfacher geworden ist, über sexualisierte Gewalt zu sprechen. Christian Russo, Ausbildungskonferenz Tanz, berichtet im Interview mit Barbara Haack, dass sich jede Tanzhochschule in den letzten 15 Jahren mit dem Thema sexualisierte Gewalt auseinandergesetzt und eigene Wege entwickelt hat. Wichtig ist ihm ein stärkeres Selbstbewusstsein, ein Empowerment der Studierenden untereinander. Arne Zerbst, Kunsthochschulenrektorenkonferenz, unterstreicht im Interview mit Barbara Haack, dass Kunst etwas sehr Persönliches ist und die Kunsthochschulen daher sowohl das Thema sexualisierte Gewalt als auch Diskriminierung im Fokus haben.

 

Wie der Prozess von der Verständigung auf einen Verhaltenskodex bis zur Transformation abläuft, veranschaulicht Claudia Schmitz am Beispiel des Deutschen Bühnenvereins. Sie ermutigt, dass Rückschläge kein Ausdruck von Scheitern sind, sondern vielmehr das Prozesshafte untermauern. Cornelia Fach-Petersen gibt unter der Überschrift Nulltoleranzhaltung in ihren Antworten auf fünf Fragen Auskunft zum Umgang mit sexualisierter Gewalt und vor allem Prävention im MDR. Gerald Mertens, unisono Deutsche Musik- und Orchestervereinigung, eröffnet eine weitere Dimension die sexualisierte unter Kolleginnen und Kollegen in einem Ensemble. Wie präventiv Maßnahmen ergriffen werden können, ist das Thema von Hikmet El-Hammouri. Er rückt die Arbeit von Personalräten in öffentlichen Kultureinrichtungen in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Christine Christianus, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte des Saarländischen Staatstheaters, gibt im Interview mit Lisa Weber Auskunft über Abläufe und Verfahren bei sexualisierter Gewalt im Saarländischen Staatstheater.

 

Lisa Gerstmayr informiert über Dokumente zum Umgang mit sexualisierter Gewalt, die auf der Website „Frauen in Kultur und Medien“ des Deutschen Kulturrates zugänglich gemacht werden. Maren Lansink und Marina Fischer stellen die Arbeit der Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Gewalt, Themis, vor. Sie berichten von der Zunahme an Beratungsanfragen und die Anfrage nach Präventionsangeboten.

 

Herausgeber von Politik & Kultur und Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte: „Der Schwerpunkt „Hinsehen und Handeln – sexualisierte Gewalt im Kulturbereich“ verschließt nicht die Augen vor Missständen im Kulturbereich, macht aber zugleich deutlich, was in den verschiedenen Kulturinstitutionen geleistet wird, um sexualisierte Gewalt zu verhindern bzw. ihr entschieden entgegenzutreten. Der Deutsche Kulturrat hat im Juni 2023 den Dialogprozess „Respektvoll Arbeiten in Kunst, Kultur und Medien“  begonnen. Fast hundert Mitgliedsverbände aus den Sektionen des Deutschen Kulturrates beteiligen sich aktiv daran. Zusätzlich wird externer Sachverstand herangezogen. Thematisiert werden in diesem Dialogprozess die Spannungsfelder Prävention und sexualisierte Gewalt, Empowerment und Diskriminierung sowie Verantwortung und Machtmissbrauch. Im Juni dieses Jahres sollen die Arbeiten am Positionspapier abgeschlossen sein und es dem Sprecherrat des Deutschen Kulturrates zur Diskussion und Verabschiedung übergeben werden. Es ist geplant, diese Selbstverpflichtung einschließlich Forderungen an Politik und Verwaltung noch vor der Sommerpause der Öffentlichkeit vorzustellen.“

 


 

 

 

 

 

 

 

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