KW 26: Wir brauchen eine Notfallallianz Kultur!

Weitere Themen im Newsletter:

  1. NEU: Politik & Kultur 7-8/22 ist erschienen
  2. Fachtagung „Frauen in Führung“ – jetzt zum Nachschauen
  3. Bündnis fordert: Kulturfrequenzen sichern!
  4. Save the Date: „Zukunft(s)land – Strukturen, Impulse und Allianzen für eine starke Kultur in ländlichen Räumen“
  5. Personalia
  6. Zeitzeichen: Unser Kolonialismus – Über den Umgang mit einem blutigen Erbe
  7. Text der Woche: Jens Balzer „Ethik der Appropriation. Kulturelle Aneignung ist ein umkämpfter Begriff“
  8. Vorankündigung: Der Deutsche Kulturrat zieht zurück nach Berlin-Mitte

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Krieg, Naturkatastrophen, keiner beschäftigt sich damit gerne. Gerade jetzt, wo uns diese Geißeln der Menschheit so nahe kommen. Aber wir müssen diesen Widerwillen überwinden und uns endlich mit dem Schutz unserer Kulturbauten und Kunstwerke vor Bomben und Hochwasser, vor Feuer und Plünderung auseinandersetzen.

 

Noch vor wenigen Monaten hätte ich mir in meinen kühnsten Albträumen nicht vorstellen können, dass Krieg in der Mitte von Europa ausbricht. Neben dem unbegreiflichen menschlichen Leid zeigt der russische Angriff gegen die Ukraine auch, dass die Kultur ein strategisches Ziel des Aggressors ist. Kulturbauten werden offensichtlich bewusst zerstört, Museen werden zielgerichtet geplündert.

 

Zeitgleich nehmen die Naturkatastrophen in einem beängstigenden Ausmaß zu. Die Überflutung im Ahrtal jährt sich am 15. Juli. Die Trauer um die 134 Opfer der Flutkatastrophe ist groß, die immensen materiellen Schäden an der Infrastruktur und den Gebäuden sind auch ein Jahr nach dem Hochwasser immer noch nicht ansatzweise beseitigt. Bibliotheken, Archive und Museen wurden beschädigt oder zerstört.

 

Wir müssen leider damit rechnen, dass materielles und immaterielles Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, Natur- und Umweltkatastrophen in der Zukunft immer mehr in Mitleidenschaft gezogen wird.

 

Wir brauchen Notfallpläne, um Kulturgut im Katastrophenfall sichern zu können. Wir brauchen Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kultureinrichtungen für den Fall der Fälle schulen zu können. Wir brauchen Einsatzpläne zur Bergung, Sicherung und Erstversorgung von beweglichem Kulturgut und zum Schutz des unbeweglichen Kulturgutes vor Ort. Wir müssen jetzt Sicherungsräume bauen, in denen das Kulturgut aus Archiven, Bibliotheken und Museen für eine Zeit in Sicherheit gebracht werden kann. Wir brauchen eine Notfallallianz Kultur!

 

Die Kulturstiftung der Länder, Blue Shield Deutschland, der Deutsche Bibliotheksverband, ICOMOS, ICOM, die UNESCO-Kommission, der staatliche Katastrophenschutz und andere arbeiten daran. Aber es bedarf einer konzentrierten Anstrengung, um diese Herkulesaufgabe zu bewältigen.

 

In einem Land, in dem man sogar fast flächendeckend die Sirenen zur Warnung der Bevölkerung aus Kostengründen demontiert hat, wird es nicht einfach werden, die erforderlichen Vorbereitungen für den Katastrophenfall zu ergreifen und die dafür notwendigen beträchtlichen Finanzmittel einzuwerben. Aber wir müssen auch im Kulturbereich endlich anfangen, an das Undenkbare zu denken, um vorbereitet zu sein.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 

PS. Ab Mitte der kommenden Woche bin ich im Urlaub. Der nächste kulturpolitische Wochenreport erscheint deshalb erst am 05. August. Ihnen ALLEN eine gute Urlaubszeit!

 


 

1. NEU: Politik & Kultur 7-8/22 ist erschienen

 

Die Sommer-Doppelausgabe Juli/August von Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, ist erschienen. Die neue Ausgabe richtet den Schwerpunkt auf das Thema „Gegen Rassismus. Und für Vielfalt“.

 

Weitere Themen der Ausgabe:

 

  • Documenta fifteen
    Es hätte doch so schön sein können: eine documenta ohne jeden Antisemitismus, aber es kam ganz anders.
  • Ukraine
    Zwischen Literaturfestivals und Kulturzerstörung: Wie ist es derzeit um die ukrainische Kultur bestellt? Berichte von Kulturschaffenden.
  • Architektur
    Radikal normal: Der Pritzker-Preisträger Diébédo Francis Kéré führt die architektonische Weltelite zurück zu den Ursprüngen des Bauens.
  • Medien
    Novellierung des Medienstaatsvertrages: Kulturberichterstattung ist kein hervorgehobener Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mehr.

 

Weitere Themen: Kulturhaushalt, Ostpolitik der SPD, Künstlerin SEO im Porträt u.v.m.

 

 


 

2. Fachtagung „Frauen in Führung“ – jetzt zum Nachschauen

 

Der Deutsche Kulturrat hat am 27. und 28. Juni zur Fachtagung „Frauen in Führung“ eingeladen: Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Kreativwirtschaft beleuchteten in Diskussionsrunden und Kurzvorträgen die Situation von Frauen im Arbeitsmarkt Kultur. Die Veranstaltung fand in der Villa Elisabeth in Berlin statt.

 

Hier können Sie die gesamte Tagung nachschauen:

 

 

Mehr dazu:

 

Neue Webseite frauen-in-kultur-und-medien.de

Auf der Webseite werden Aktivitäten rund um den Diskurs zur Gleichstellung in Kultur und Medien zusammenzutragen, unterschiedliche Akteurinnen, nationale und regionale Initiativen sichtbar gemacht und Studien vorgestellt.

 

Entdecken Sie die neue Webseite frauen-in-kultur-und-medien.de hier.

 


 

3. Bündnis fordert: Kulturfrequenzen sichern!

 

Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat sich dem Bündnis von 57 Verbänden und Unternehmen der Rundfunk- und Kulturindustrie aus 17 europäischen Ländern angeschlossen, die heute den „Aufruf an Europa“ veröffentlichen. Darin werden politische Entscheidungsträger und Regulierungsbehörden aufgefordert, das untere UHF-Band (470-694 MHz) für Rundfunk und drahtlose Produktionsmittel (PMSE: Programme Making and Special Events) zu erhalten.

 

Über die künftige Nutzung dieses Frequenzbandes nach 2030 wird auf der Weltfunkkonferenz 2023 (WRC-23) entschieden. Auf dem Spiel steht die Zukunft der meistgenutzten TV-Infrastruktur in Europa – 80 Millionen oder 43 Prozent der Haushalte in der Europäischen Union sehen über digitales terrestrisches Fernsehen fern – und von Produktionen für Kultur, Medien und Veranstaltungen aller Art. Sie nutzen Geräte wie drahtlose Mikrofone und In-Ear-Monitor-Systeme für Konzerte, Konferenzen und fast jede andere Veranstaltung.

 

Nur wenn die Nutzung des gesamten unteren UHF-Bandes auf regulatorischer Ebene wie bisher erhalten bleibt, können Rundfunk und PMSE effizient Frequenzen gemeinsam nutzen und Innovationen entwickeln. Ohne die europaweit harmonisierte Sicherung des Spektrums wird Kultur, Inhalteproduktion und terrestrisches Fernsehen nicht mehr wie bisher möglich sein.

 


 

4. Save the Date: „Zukunft(s)land – Strukturen, Impulse und Allianzen für eine starke Kultur in ländlichen Räumen“

 

Ländliche Räume tragen auf ganz unterschiedliche Weisen einen Großteil zum vielfältigen Kulturangebot in Deutschland bei. Wie aber dürfen wir uns die Zukunft ländlicher Räume im kulturellen Kontext vorstellen? Wie können wir kulturelle Infrastrukturen in ländlichen Räume stärken, sichtbar machen und vorhandene Potentiale nutzen und ausbauen?

 

Mit Blick auf diese Fragen veranstalten der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und der Deutsche Kulturrat die Mitte September stattfindende, zweitägige Konferenz „Zukunft(s)land – Strukturen, Impulse und Allianzen für eine starke Kultur in ländlichen Räumen“.

 

Datum: 14. & 15.09.2022
Ort: An den Speichern 10, 48157 | Münster-Coerde

 

Die 2-tägige, teilhybride Konferenz beleuchtet den Status Quo und die Entwicklungs­potenziale kultureller Strukturen ländlicher Räume. Ziel ist es, den aktuellen Diskurs zu kulturellen Infrastrukturen in Stadt und Land mit Fokus auf Letzterem abzubilden und ausgehend vom Beispiel Westfalen-Lippe den Blick auf die Bundesebene zu werfen.

 

Im Fokus steht die praktische Ausrichtung der Konferenz, die sich in erster Linie an Künstler:innen, Kulturschaffende, Kultureinrichtungen und Kulturverwaltungen richtet. Das Programm besteht aus Impulsen, und Podien sowie – an Tag 2 – aus Workshops und einer abschließenden Exkursion zum Center for Literature auf Burg Hülshoff.

 

Den Link zur digitalen Anmeldung, zum Livestream sowie Einzel­heiten zum Programm finden Sie in Kürze hier.

 


 

5. Zur Person …

 

Daniela Schneckenburger ist neue Beigeordnete beim Deutschen Städtetag

 

Daniela Schneckenburger hat ihre Arbeit als Dezernentin für Bildung, Integration, Kultur, Sport und Gleichstellung beim Deutschen Städtetag aufgenommen. Bereits im Januar wurde sie vom Deutschen Städtetag zur Beigeordneten gewählt. 2015 wurde Schneckenburger zur Dezernentin des Kinder- und Jugendbereiches der Stadt Dortmund gewählt. Sie leitet das Dezernat 4 mit den Fachbereichen Schulverwaltungsamt, Jugendamt und dem Eigenbetrieb FABIDO. Von 2006 bis 2010 war sie Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen. Der vorherige Beigeordneter und Leiter des Dezernats Bildung, Kultur, Sport und Gleichstellung des Deutschen Städtetages, Klaus Hebborn, ist Ende Januar 2022 in den Ruhestand gegangen.

 

Karin Schmidt-Friderichs bleibt Vorsteherin des Börsenvereins

 

Die Verbandsmitglieder des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels haben auf der Hauptversammlung am 21. Juni Karin Schmidt-Friderichs, Verlegerin des Hermann Schmidt Verlags in Mainz, in ihre zweite Amtszeit als Vorsteherin gewählt. Auch der Schatzmeister im Vorstand, Klaus Gravemann vom Bücherhaus am Münster, wurde wiedergewählt. Für das Sortiment hat die Hauptversammlung erneut Annerose Beurich von der Buchhandlung stories! in Hamburg in den Vorstand gewählt. Die Verlage vertritt zukünftig Birte Hackenjos von der Haufe Group und den Zwischenbuchhandel Stefan Könemann von der Könemann Vertriebs GmbH. Die Amtszeit des Vorstands beträgt drei Jahre, sie beginnt am Samstag nach der Frankfurter Buchmesse, am 29. Oktober 2022.

 

Lena Gorelik erhält den Literaturpreis »Text & Sprache 2022«

 

Der jährlich vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI vergebene Literaturpreis »Text und Sprache« geht 2022 an Lena Gorelik. »Die Erzählerin und Essayistin Lena Gorelik besticht mit ihrer klaren, differenzierten Haltung zu brisanten gesellschaftspolitischen Themen. Sie gehört zur Generation der in den Neunzigerjahren mit ihrer Familie als russisch-jüdischer Kontingentflüchtling eingewanderten Autor*innen, die einen Kultur- und Sprachwechsel verkraften mussten und sich schreibend mit ihrer doppelten Identität auseinandersetzen«, so die Jury. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung wird der in München lebenden Autorin im Rahmen der 71. Jahrestagung des Kulturkreises im Oktober 2022 in Frankfurt am Main verliehen.

 

Gewinner des Preises für digitales Miteinander

 

Der Preis für digitales Miteinander ist eine Auszeichnung der Initiative »Digital für alle«, die seit 2020 jedes Jahr anlässlich des bundesweiten Digitaltags vergeben wird. Mit dem Preis werden in zwei Kategorien Initiativen und Projekte ausgezeichnet, die erfolgreich digitale Technologien für das Gemeinwohl einsetzen. Die diesjährigen Gewinnerinnen und Gewinner des Preises für digitales Miteinander sind in der Kategorie »Digitale Teilhabe« der Berliner Verein »Neue Chance e.V.«, der wohnungslosen Menschen Wege zur digitalen Teilhabe eröffnet, sowie die digitale Plattform für Bürgerbeteiligung »Senf.app« in der Kategorie »Digitales Engagement«. Der Preis ist insgesamt mit 20.000 Euro dotiert.

 


 

6. Zeitzeichen: Unser Kolonialismus – Über den Umgang mit einem blutigen Erbe

 

Der Kolonialismus der Deutschen war lange ein wenig beleuchtetes Thema in der gesellschaftlichen Debatte. Dabei wirkt er bis heute nach in Politik, Kultur, aber eben auch in Theologie und Kirche. Der postkoloniale Ansatz will diese Strukturen offenlegen. Doch seine Vertreter treffen auf Widerstand. Zurecht? Zeitzeichen – Die evangelischen Kommentare zu Religion und Gesellschaft haben dem Thema in der Juli-Ausgabe den Schwerpunkt gewidmet.

 

Im Zuge der kolonialen Feldzüge der Europäer in anderen Kontinenten kamen auch zahlreiche Kulturgüter in die Museen der westlichen Metropolen. Aber ist deswegen alles, was dort aus kolonialen Kontexten gezeigt wird, Beutekunst? Und wann müssen solche Stücke zurückgegeben werden? Ich durfte einen Überblick über die Debatte geben und Stellung bezieht.

 

Lesen Sie meinen Artikel hier.

 

Wir haben mit unseren Unrechtshandlungen, die ein Ausdruck des kolonialen Denkens der damaligen Zeit waren, eine dauerhafte Verantwortung übernommen. Noch immer behandeln wir die Länder des globalen Südens nicht wie Partner auf Augenhöhe. Jetzt rauben wir ihnen nicht mehr ihre Kunst, sondern behindern sie bewusst bei ihrer ökonomischen Entwicklung durch unsere nur zu unserem eigenen Nutzen geschaffenen internationalen Handelsabkommen. Wir haben unser koloniales Denken erst dann überwunden, wenn wir die Länder des globalen Südens als Partner behandeln. Der Kolonialismus wird nur durch gerechte Handelsabkommen überwunden werden.

 

Deshalb, die Rückgabe von geraubtem Kulturgut ist der erste richtige Schritt, aber eben nur der erste.

 


 

7. Text der Woche: Jens Balzer „Ethik der Appropriation. Kulturelle Aneignung ist ein umkämpfter Begriff“

 

März 2022: Eine deutsche Musikerin wird von einem Konzert der Bewegung „Fridays for Future“ (FfF) ausgeladen, weil sie als weiße Person Dreadlocks trägt. Das, so die Begründung der FfF-Ortsgruppe Hannover, sei rassistisch und kolonialistisch. März 2021: Eine Politikerin der Grünen gerät in einen Sturm der Empörung, weil sie auf einem Parteitag auf die Frage, was sie als Kind werden wollte, antwortet: „Indianerhäuptling“. Die Sequenz wird aus dem Parteitagsvideo herausgeschnitten, und sie muss sich für ihre unsensible, kolonialistische Ausdrucksweise entschuldigen. Beide Frauen – so die Vorwürfe – haben sich der kulturellen Aneignung schuldig gemacht: Als Angehörige einer herrschenden Kultur haben sie sich Artefakte unterdrückter, ehemals versklavter oder sonst wie marginalisierter Kulturen angeeignet, ohne dazu das Recht zu besitzen.

 

Jens Balzer ist Journalist und Buchautor.

 

 


 

8. Vorankündigung: Der Deutsche Kulturrat zieht zurück nach Berlin-Mitte

 

Ende August/Anfang September zieht das Team des Deutschen Kulturrates – nach einer kurzen Übergangszeit am Ostkreuz – zurück nach Berlin-Mitte: in die Chausseestraße 10, 10115 Berlin.

 

Unser neues Büro liegt direkt gegenüber den berühmten Dorotheenstädtischen Friedhof. Er ist 17.000 Quadratmetern groß und steht vollständig unter Denkmalschutz. Zahlreiche bedeutende und prominente Persönlichkeiten haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Unter ihnen: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Karl Friedrich Schinkel, Johann Gottlieb Fichte, Heinrich Mann, Johannes R. Becher, Bertolt Brecht, Helene Weigel, Egon Bahr, Thomas Brasch, Paul Dessau, Steffy und Hanns Eisler, John Heartfield, Ernst Litfaß, Herbert Marcuse und Johannes Rau.

 

Der Bahnhof Friedrichstraße und der Berliner Hauptbahnhof liegen in unmittelbarer Umgebung.

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