Verbesserungen im Stiftungsrecht sind erforderlich!

Deutscher Kulturrat plädiert für die Reform des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts (September 1999)

Bonn, den 29.09.1999. Stiftungen nehmen bereits heute einen wichtigen Stellenwert bei der Finanzierung von kulturellen Projekten, von Kultureinrichtungen und bei der Förderung junger Künstlerinnen und Künstler ein. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt derzeit in der Finanzierung von zusätzlichen Aktivitäten, die ohne das Engagement von Stiftungen nicht stattfinden könnten. Die Bedeutung von Stiftungen für die Finanzierung von kulturellen Aktivitäten und auch von Kultureinrichtungen wird in der nächsten Zeit vor allem im kommunalen Bereich wachsen. Dabei wird die öffentliche Finanzierung nach wie vor ein sicheres Standbein der Kulturfinanzierung sein müssen. Stiftungen können in der Zukunft zu einem weiteren, stabilen Standbein in der ergänzenden privaten Finanzierung von Kultur werden. Denn die Bürgerinnen und Bürger wollen sich mehr für die Gemeinschaft engagieren. Neben dem für die Kultur wichtigen ehrenamtlichen Engagement ist die Errichtung von gemeinnützigen Kulturstiftungen ein zukunftsweisender Weg für das bürgerschaftliche Engagement. Voraussetzung für mehr Engagement bei der Errichtung von Stiftungen sind Reformen im Stiftungs- und im Stiftungssteuerrecht. Sie müssen noch in 1999 auf den Weg gebracht werden. Der Deutsche Kulturrat hat in seinen steuerpolitischen Vorschlägen “Kulturförderung und Steuerrecht – Steuerpolitische Vorschläge des Deutschen Kulturrates zur Zukunftssicherung von Kultur in Deutschland und Europa” im Juni 1998 sowie “Neuer Stellenwert, neue Offenheit für Kultur auch im Steuerrecht” im Februar 1999 bereits grundlegende Vorschläge zum Stiftungssteuerrecht unterbreitet. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen hat in seinem “Standpunkt zur Weiterentwicklung des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts” ebenfalls die erforderlichen Veränderungen im Stiftungssteuerrecht benannt. Der Deutsche Kulturrat teilt diese stiftungssteuerrechtlichen Forderungen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen und verweist darauf. Darüber hinaus schlägt der Deutsche Kulturrat folgende Änderungen vor:

 

A. Erleichterungen bei der Errichtung von Stiftungen
Für die Erleichterung der Errichtung und Betätigung von Stiftungen für kulturelle Zwecke sind besonders folgende Punkte hervorzuheben:

 

1. Stiftungen sind kein Steuersparmodell
Die Gründung einer Stiftung bedeutet die dauerhafte, nicht wieder rückgängig zu machende Weggabe von Vermögen. Das in eine Stiftung eingebrachte Stiftungskapital verbleibt für immer bei dieser Stiftung. Es ist für den Stifter ewiglich verloren. Stifter dürfen darum für die Weggabe ihres Vermögens nicht noch steuerlich bestraft werden. Bestehende Hemmnisse im Stiftungssteuerrecht gilt es abzuschaffen. In den genannten steuerpolitischen Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates sowie im “Standpunkt zur Weiterentwicklung des Stiftungs- und des Stiftungssteuerrechts” des Bundesverbands Deutscher Stiftungen werden die erforderlichen steuerrechtlichen Änderungen benannt.

 

2. Stiftungsgründung aus Betriebsvermögen
Großes Potential für Stiftungen liegt bei mittelständischen Unternehmern begründet. Hier sind in den nächsten Jahre aus demografischen Gründen eine Reihe von Betriebsverkäufen oder Betriebsaufgaben zu erwarten. Viele Unternehmer wollen einen Teil ihres Vermögens in eine Stiftung überführen. Stifter, die ihre Stiftung aus dem Verkaufserlös ihres Unternehmens errichten wollen, dürfen nicht noch dadurch bestraft werden, daß die Erlöse aus dem Unternehmensverkauf zunächst versteuert werden müssen. Diese Versteuerung vermindert das für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung stehende Kapital. Weiter demotiviert es die Stifter, die schließlich einen Teil ihres Vermögens für immer weggeben.

 

3. Möglichkeit von Stiftungen, Startkapital für andere Stiftungen zur Verfügung zu stellen
Gerade in der Bildenden Kunst gibt es vielfach Sammler und Sammlerinnen, die ihre Sammlung stiften wollen, jedoch nicht über das erforderliche Kapital verfügen, eine Stiftung zu gründen, da sie ihre Mittel in die Sammlung gegeben haben. Stiftungen wären der ideale Partner für solche kapitallosen Stiftungen, um das Startkapital zur Errichtung zur Verfügung zu stellen. Hierzu gilt es die entsprechenden Veränderungen in der Abgabenordnung vorzunehmen.

 

B. Entwicklung eines stiftungs- freundlichen Klimas
In Deutschland muß sich ein stiftungsfreundliches Klima entwickeln. Nur so werden potentielle Stifter ihr Vermögen der Allgemeinheit dauerhaft und unwiderruflich zur Verfügung stellen. Hierzu sind Veränderungen im Stiftungsrecht und im Stiftungssteuerrecht dringend erforderlich. Der Deutsche Kulturrat fordert daher:

 

1. Definition von Stiftungen
Sollen für Stiftungen bzw. Stifter Vergünstigungen im Steuerrecht verankert werden, wird es erforderlich sein, Stiftungen eindeutig zu definieren. Bislang können Stiftungen eingetragene Vereine, GmbHs oder anderes sein. Sollen Stiftungen in der Zukunft gegenüber anderen Organisationsformen steuerrechtliche Vorzüge genießen – was bislang noch nicht der Fall ist –, muß die Stiftung als Rechtsform bundeseinheitlich durch den Gesetzgeber definiert werden. Es bietet sich an, Stiftungen als mitgliederlose Institutionen zu definieren, die aus den Erträgen ihres Stiftungsvermögens ihre gemeinnützigen Zwecke fördern. Der Gesetzgeber wird aufgefordert auch für die sogenannten Gemeinschaftsstiftungen (Bürgerstiftungen) eine eindeutige gesetzliche Definition zu finden. Bereits existierende Stiftungen, die andere Rechtsformen haben, genießen Bestandsschutz.

 

2. Eingrenzung von Stiftungen
Stiftungen sollen gemeinwohlorientiert sein. D.h. die zur Zeit noch nicht existierenden, aber wünschenswerten besonderen Vorzüge bei der Errichtung von Stiftungen sollten nur denjenigen zugute kommen, deren Stiftungszweck in der selbstlosen Förderung des Gemeinwohls liegt, die also gemeinnützig sind. Dies schließt Familienstiftungen, die ausschließlich dem Erhalt des Vermögens der Familie und ausschließlich dem Erhalt des Unternehmens dienen, aus. Bereits existierende Familienstiftungen genießen Bestandsschutz.

 

3. Selbständig lebensfähige Stiftungen müssen errichtet werden
Bei der Umwandlung von öffentlichen Kultureinrichtungen in Stiftungen muß darauf geachtet werden, daß selbständig lebensfähige Stiftungen gegründet werden. Insbesondere muß ein ausreichender Kapitalstock in die Stiftung eingebracht werden, damit die Stiftung aus ihren eigenen Erträgen ihre Zwecke erfüllen kann. Stiftungen, die letztlich doch wieder von den jährlichen Zuweisungen der öffentlichen Hände abhängig sind, sind keine nach vorne weisenden Einrichtungen, sondern setzen die öffentliche Haushaltsführung fort. Die Überführung von öffentlichen Kultureinrichtungen in Stiftungen, wie es z.B. derzeit vielfach zu beobachten ist, sollte daher mit großer Aufmerksamkeit verfolgt werden. Vielfach scheinen – trotz des unbestreitbar begrüßenswerten Einsatzes – nur halbherzige Lösungen gefunden worden zu sein, da der staatliche Einfluß immer noch äußerst dominant ist. Dies gilt ebenso für die in Düsseldorf von der VEBA und der Stadt Düsseldorf gegründeten Kulturstiftung Ehrenhof. Das dort gewählte Matching-Fund Modell, d.h. die VEBA gibt jeweils die Geldsumme dazu, die die Stadt zur Verfügung stellt, ist zwar eine mögliche Kulturfinanzierungsform unter kontinuierlicher Beteiligung Privater, sie ist aber keine echte Stiftungslösung. Stiftungen sind kein Mittel zur Haushaltssanierung, sondern ermöglichen die Bürgerbeteiligung. Die Überführung von öffentlichen Kultureinrichtungen in eine Stiftung kann eine große Chance sein. Insbesondere Gemeinschaftsstiftungen oder auch Bürgerstiftungen bieten sich als Modell an. Es ist vorstellbar, daß z.B. die Kommune das Museum als Kapital für die Stiftung zur Verfügung stellen und Bürgerinnen und Bürger in die Stiftung zusätzliches Kapital in Form von Zustiftungen einbringen. Dies bietet zusätzlich die Chance, die Kultureinrichtung tatsächlich bei den Bürgern in der Stadt zu verankern und somit neue Identifikationsmöglichkeiten zu eröffnen. Auf diese Weise kann entscheidend zum Erhalt der Einrichtung beigetragen werden, denn wer selber an einer Kultureinrichtung beteiligt ist, wird sich für deren Erhalt und die Fortentwicklung auch einsetzen. Wichtig ist hierbei, daß die Kommunen ein neues partnerschaftliches Verhältnis zu Bürgerinnen und Bürgern entwickeln und insofern von einem hoheitlichen Handeln Abschied nehmen. Eine neu gegründete Kulturstiftung unter Beteiligung der öffentlichen Hand muß eine eigenständige Identität entwickeln und aus den Zwängen des öffentlichen Haushaltsrecht entlassen werden.

 

4. Weiterentwicklung der Stiftungsbehörden
Stiftungsbehörden sollten ihren Aufgabenschwerpunkt vorrangig in den Bereich der Beratung von Stiftern legen. Sie verfügen über die Erfahrungen bei der Errichtung und Beaufsichtigung von Stiftungen. Nicht Genehmigung und Stiftungsaufsicht, sondern die Beratungserfahrungen der Stiftungsbehörden sollten stärker als bisher in den Vordergrund gestellt werden. Es ist nicht mehr zeitgemäß, wenn Stiftungsbehörden ihre Aufgabe in der restriktiven Auslegung von stiftungsrechtlichen Bestimmungen sehen. Sie sollten vielmehr ihre Rolle als “Geburtshelfer” von Stiftungen definieren und damit ebenfalls zur Entwicklung eines stiftungsfreundlichen Klimas beitragen. Dazu gehört auch, daß der Tätigkeitsschwerpunkt der Stiftungsbehörden von der Genehmigung auf die Beratung verlagert wird. Vorschläge zur Einrichtung eines Stiftungsregisters anstelle der Genehmigung von Stiftungen durch die Stiftungsbehörde, wie sie in den Gesetzesvorschlägen von Bündnis 90/Die Grünen- und der F.D.P.-Bundestagsfraktion formuliert sind, sind zu prüfen. Stiftungsbehörden sollten darüber hinaus eine Moderatorenrolle in der Abstimmung mit den Finanzbehörden übernehmen. Es ist nicht hinnehmbar, daß, wenn Stiftungen endlich alle Hürden der Stiftungsbehörden genommen haben, das gesamte Verfahren mit den Finanzbehörden noch einmal beginnt. Hier ist eine Abstimmung der Behörden untereinander dringend erforderlich. Der Gesetzgeber sollte eine effiziente Verzahnung beider Prüfungsverfahren verbindlich regeln. Es sollte Ziel sein, daß am Ende eine verbundene Entscheidung der Stiftungsbehörde über die Rechtsfähigkeit und Gemeinnützigkeit erfolgt.

 

5. Verfahrensbeschleunigung
Das Genehmigungsverfahren von Stiftungen muß beschleunigt werden. Dem dient eine engere Abstimmung von Stiftungsbehörde und Finanzamt. Überdies sollte durch den Gesetzgeber eine Frist vorgegeben werden, innerhalb dessen über den Antrag auf Errichtung einer Stiftung und gleichzeitiger Attestierung der Gemeinnützigkeit zu entscheiden ist. Solche Verfahrensregelung führt zu einer zügigeren Behandlung in der Verwaltung und erleichtert den Bürgerinnen und Bürgern den Umgang mit der Verwaltung.

Vorheriger ArtikelNeuer Stellenwert, neue Offenheit für Kultur auch im Steuerrecht
Nächster ArtikelKulturelle Bildung im digitalen Zeitalter