Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zum Entwurf der Mitteilung der Kommission „Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts auf Tarifverträge über die Arbeitsbedingungen von Solo-Selbständigen“

Berlin, den 21.02.2022. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass die EU-Kommission mit dem Entwurf für eine Mitteilung „Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts auf Tarifverträge über die Arbeitsbedingungen von Solo-Selbständigen“ ihre Initiative für die Stärkung der Rechte Solo-Selbständiger weiterentwickelt. Der Deutsche Kulturrat hatte sich bereits am 28.05.2021 im Grundsatz positiv zu diesem Vorhaben in der Konsultation zur Initiative der Generaldirektion Wettbewerb „Collective bargainining agreements for self-employed – assessing the scope application of EU competition rules“ positioniert. In der genannten Positionierung hatte sich der Deutsche Kulturrat für die Option 4 ausgesprochen, da diese alle Solo-Selbständigen der verschiedenen Tätigkeitsbereiche inklusive der Freien Berufe sowie Unternehmen aller Größen umfasst und sich nicht auf eine Vermittlungsform wie bspw. digitale Plattformen beschränkt. Daher erachtet der Deutsche Kulturrat es als grundsätzlich richtig, dass der nunmehr vorgelegte Mitteilungsentwurf sich nicht nur auf Plattformen bezieht.

 

In der Regel hält sich der Deutsche Kulturrat aufgrund der Tarifautonomie in tarifvertraglichen Fragen zurück. Da es sich hier aber um eine Weichenstellung auf der europäischen Ebene des Wettbewerbsrechts handelt, die Verhandlungen von Vereinigungen von Solo-Selbständigen mit Vereinigungen von Auftraggebern zu Arbeitsbedingungen zum Gegenstand hat, ohne gegen das Wettbewerbsrecht zu verstoßen, positioniert sich der Deutsche Kulturrat.

 

Im Deutschen Kulturrat haben sich Verbände der Künstlerinnen und Künstler, der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, der Kultureinrichtungen und der Kulturvereine zusammengeschlossen – dazu gehören unter anderem Arbeitgeber-organisationen und Gewerkschaften aus dem Kultur- und Medienbereich, die Tarifverträge abschließen sowie Berufsverbände, die Solo-Selbständige vertreten. Der Deutsche Kulturrat setzt sich für gute Arbeit im Kultur- und Medienbereich ein. Solo-Selbständige und abhängig Beschäftigte aus dem Kultur- und Medienbereich haben wie Angehörige anderer Berufsgruppen das Recht auf Mitgestaltung ihrer Arbeitsbedingungen.

 

Im Kultur- und Mediensektor sind traditionell viele als Solo-Selbständige tätig. Dieses liegt bei Künstlerinnen und Künstlern in ihrer Berufsausübung als solcher begründet. Über den engen Kreis der Künstlerinnen und Künstler hinaus hat die Solo-Selbständigkeit in anderen Arbeitsfeldern des Kultur- und Mediensektors an Bedeutung gewonnen und ist inzwischen für diesen Bereich konstitutiv. Neben einzelnen Solo-Selbständigen, die sich aufgrund ihres Renommees oder der Spezifik ihrer Leistungen in einer starken Verhandlungsposition befinden, sind im Markt viele Solo-Selbständige tätig, die sich in einer schwachen Verhandlungsposition befinden.

 

Zum Mitteilungsentwurf der Kommission Leitlinien zur Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts auf Tarifverträge über die Arbeitsbedingungen von Solo-Selbständigen“ stellt der Deutsche Kulturrat fest:

 

  • Der Deutsche Kulturrat begrüßt die Feststellung der Kommission, dass Solo-Selbständige, die „Seite an Seite“ mit Arbeitnehmern für dieselbe Gegenpartei, also Arbeitgeber, Auftraggeber bzw. Auftraggebergruppen arbeiten, einen Nutzen aus Tarifverhandlungen ziehen können und von Seiten der Kommission diese Solo-Selbständigen nicht unter Art. 101 AEUV fallen.
  • Der Deutsche Kulturrat begrüßt ferner, dass andere EU-rechtliche oder nationale Bestimmungen, die darauf abzielen, die vertragliche Stellung von Urhebern oder ausübenden Künstlern zu stärken, wie bspw. das Urhebervertragsrecht, als Referenzpunkt für Tarifverträge von Urhebern oder ausübenden Künstlern dienen sollen und daher die EU-Kommission nicht gegen entsprechende Regelungen vorgehen bzw. Art. 101 AEUV nicht anwenden wird.
  • Der Deutsche Kulturrat stellt fest, dass mit dieser Leitlinie auch Solo-Selbständige, die von verschiedenen Auftraggebern beschäftigt werden, die ihrerseits aus derselben Quelle finanziert werden, zu Verhandlungen mit dem Geldgeber ermächtigt werden.
  • Der Deutsche Kulturrat stellt fest, dass es darüber hinaus zahlreiche Solo-Selbständige in der Kultur- und Medienbranche gibt, die sich ebenfalls in einer schlechten Verhandlungsposition befinden und von den bisher vorgeschlagenen Regelungen nicht erfasst werden. Der Deutsche Kulturrat fordert, für diese Gruppe Kollektivvereinbarungen bzw. Empfehlungen von Mindeststandards durch Berufsverbände hinsichtlich der Arbeitsbedingungen wettbewerbsrechtlich zu eröffnen.
  • Der Deutsche Kulturrat kritisiert, dass mit Blick auf die Betriebsgrößen nur solche Unternehmen im Anwendungsbereich genannt werden, die 10 Arbeitnehmer und mehr oder einen Jahresumsatz von mehr als 2 Mio. Euro haben. Es steht zu befürchten, dass viele Unternehmen in der Kultur- und Medienbranche diese Vorgabe nicht erfüllen und deshalb das Anliegen der Leitlinie in vielen Fällen ins Leere laufen wird. Der Deutsche Kulturrat fordert zumindest die genannten Größen sowohl bezüglich der Zahl der Arbeitnehmer als auch bezüglich des Umsatzes nach unten zu korrigieren. Vorzugswürdig Im Sinne einer Stärkung aller Solo-Selbständigen wäre, die Grenzen zu streichen.

 

Der Deutsche Kulturrat ist davon überzeugt, dass das gemeinsame Ziel, das Einkommensniveau von Solo-Selbständigen im Kultur- und Medienbereich zu erhöhen und deren soziale Absicherung zu verbessern, nur im Zusammenwirken von Gesetzgeber, Verbänden und Gewerkschaften der Solo-Selbständigen sowie der Auftraggeber erreicht werden kann.

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