Position zum E-Lending in den öffentlichen Bibliotheken: Bibliotheken

Debatte zur digitalen Ausleihe und der Kampagne "Fair Lesen"

Im März 2021 hatte der Bundesrat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der eine Lösung für Autorinnen und Autoren, Verlage und Bibliotheken herbeiführen kann und der verzögerten Bereitstellung neuer E-Books entgegenwirkt. Der juristisch klug als Kompromiss konzipierte Vorschlag sieht für die E-Book-Ausleihe vor, dass Verlage nicht kommerziell tä­tigen Bibliotheken zu „angemessenen Bedingungen“ ein Nutzungsrecht für neu erscheinende E-Books anbieten müssen.

 

Aus unserer Sicht kann nur auf dieser Grundlage die von allen Seiten geforderten „angemessenen Bedingungen“ miteinander verhandelt werden. Das Bundeskartellamt hatte erneut bestätigt, dass der Börsenverein des Deutschen Buchhandels als Vertreter der Verlage und der Deutsche Bibliotheksverband als Vertreter der Bibliotheken über Lizenzbedingungen für den digitalen Verleih keine Rahmenvereinbarungen aushandeln dürfen. Daher muss der Gesetzgeber handeln, um eine gesetzlich geregelte Grundlage für faire Lizenzmodelle zu schaffen.

 

Mit einem Gesamtjahresetat von ca. 112 Millionen Euro kaufen Öffentliche Bibliotheken ihre Medien zur gemeinsamen Nutzung durch Menschen in ihren jeweiligen Einzugsgebieten. Zum Schutz des Buchmarktes wird bei der E-Ausleihe mit restriktiven Leihmodellen die analoge Ausleihe nachgebildet, indem zeitgleich nur eine Person mit Bibliotheksausweis ausleihen kann und die Lizenzen zeitlich befristet sind. Ein E-Book wird durchschnittlich sechsmal jährlich ausgeliehen. Lizenzen sind für Bibliotheken im Allgemeinen teurer als für Endkunden, da das Recht zum Verleih darin mitbezahlt wird. Es ist irreführend, dieses Modell des niederschwelligen, aber zum Schutz des Buchmarktes künstlich verknappten Zuganges mit unbegrenzten Flatrates von kommerziellen Anbietern zu vergleichen.

 

„Fair Lesen“ vermittelt den gänzlich unzutreffenden Eindruck, dass die Öffentlichen Bibliotheken allein für Marktentwicklungen von E-Books verantwortlich seien. Bund und Bundesländer zahlen zusätzlich für jede Ausleihe von physischen Werken eine „Bibliothekstantiem“ als Vergütung für Autoren. Im Jahr 2018 waren dies 15 Millionen Euro, die über die VG Wort an die Autoren ausgeschüttet wurden, bei 350 Millionen Ausleihen waren dies rechnerisch 4,3 Cent pro Ausleihe. Fakt ist, dass sich der dbv bereits seit 2012 dafür einsetzt, dass Bund und Länder diese Bibliothekstantieme auch für die Ausleihe von E-Books einsetzen.

 

Der dbv als Vertreter der Bibliotheken ist bereit, die Gespräche fortzuführen und sich gemeinsam mit den Autoren und Verlagen dafür einzusetzen, dass Bund und Länder die Bibliothekstantieme erweitern und erhöhen. Bibliotheken tragen zur gesellschaftlichen Teilhabe und zur Chancengleichheit bei. Als Partner für Bildung, Kultur und Wissenschaft zählen sie zum Kernbereich der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Sie erfüllen ihren gesellschaftlichen Auftrag, allen Menschen Zugang zum Wissen der Welt zu ermöglichen, auch digital, und bieten seit fast 15 Jahren auch E-Books zur Ausleihe an.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2021.

Andreas Degkwitz
Andreas Degkwitz ist Vorsitzender des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. (dbv) und Direktor der Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität zu Berlin.
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