Kulturelle Bildung an der Volkshochschule

Volkshochschule in Deutschland – das ist weit mehr als die Summe der rund 900 Einrichtungen in Städten, Gemeinden und Landkreisen: Organisiert auf Landesebene in 16 VHS-Landesverbänden mit dem Deutschen Volkshochschul-Verband e.V. (DVV) als Dachverband sind die Volkshochschulen die größte Institution der allgemeinen Erwachsenenbildung in Deutschland. Als Förderer der Weiterbildung und der Bildungsarbeit in Volkshochschulen unterstützt der DVV den fachlichen Austausch seiner Mitglieder, entwickelt Grundsätze und Leitlinien sowie neue Lernformate und vertritt die Interessen der Volkshochschulen auf der Bundes-, europäischen sowie der internationalen Ebene.

 

Volkshochschulen sind bedeutsame Institutionen für (inter-)kulturellen Austausch, für die Förderung eines umfassenden kulturellen Verständnisses und für vielfältige kreative Praxis innerhalb der öffentlich verantworteten Weiterbildung. Kulturelle Bildung ist explizit im Portfolio der Volkshochschulen verankert, das die Programmbereiche „Politik – Gesellschaft – Umwelt“, „Kultur – Gestalten“, „Gesundheit“, „Sprachen“, „Arbeit – Beruf“ und „Grundbildung – Schulabschlüsse“ umfasst: Im Programmbereich „Kultur – Gestalten“ fanden im Jahr 2016 knapp 113.000 Veranstaltungen mit rund 1,6 Millionen Unterrichtseinheiten (à 45 Minuten) statt, die von mehr als 1,7 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmern besucht wurden. Mit rund 19 Prozent der Belegungen ist „Kultur – Gestalten“ der drittgrößte Programmbereich an den Volkshochschulen (s. Volkshochschul-Statistik). Ein weit gefasster Kulturbegriff sorgt zudem dafür, dass kulturelle Bildung an Volkshochschulen über den eigentlichen Programmbereich hinaus in verschiedene Bildungsfelder hineinwirkt und Lernprozesse unterstützt. Und „letztlich ist die Volkshochschule selbst ein unverwechselbarer kultureller Ort“, konstatiert das Selbstverständnis der Volkshochschularbeit (DVV 2011, 35).

 

Volkshochschulen als Orte des interkulturellen Dialogs
Mit Angeboten der kulturellen Bildung fördern Volkshochschulen die gesellschaftliche Integration von Zugewanderten. Das umfangreiche Angebot an Integrationskursen und Kursen in Deutsch als Zweitsprache bestärkt Volkshochschulen in ihrer Rolle als kommunale Integrationszentren. In dieser Rolle sind Volkshochschulen insbesondere seit 2015 und in Folge des verstärkten Zuzugs von Geflüchteten gefordert und engagiert. Dort, wo gesellschaftliche Integration stattfindet, nämlich vor Ort in der Kommune, sind die Volkshochschulen unverzichtbare Orte der Begegnung. Gerade Angebote der kulturellen Bildung bringen Zugewanderte und Einheimische in Kontakt und fördern den interkulturellen und interreligiösen Dialog. Zudem unterstützt gerade die kulturelle Bildung Neuzugewanderte bei der sozialen Orientierung in ihrem neuen Lebensumfeld und ebnet den Zugang zu anderen öffentlichen (Kultur-)Einrichtungen. Kreative Bildungsangebote bieten zudem niedrigschwellige Sprechanlässe, um die deutsche Sprache zu trainieren. Volkshochschulen bieten in diesem Zusammenhang beispielsweise Handarbeitskurse an. Oder sie ermöglichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Integrationskursen, lokale Kultureinrichtungen kennenzulernen und bilden sie zu Kulturlotsinnen und -lotsen aus.

 

Kulturelle Bildung als Teil der Allgemeinbildung
Im Selbstverständnis der Volkshochschulen ist kulturelle Bildung zentraler Bestandteil von Allgemeinbildung. Kulturelle Bildung unterstützt mithin den Einzelnen in der Entfaltung seiner Potenziale und fördert eine aktive und souveräne gesellschaftliche Teilhabe. Ausgehend von diesem Bildungsverständnis bieten Volkshochschulen – angepasst an lokale und regionale Bedarfe und Voraussetzungen – ein vielfältiges Programm in der kulturellen Bildung. Es umfasst sowohl theoretisch-rezeptive als auch praktisch-kreative Angebote und wird in der Volkshochschul-Statistik sowie in vielen Volkshochschul-Programmheften in folgende Fachgebiete gegliedert:

 

  • Literatur
  • Tanz und Theater
  • Kunst- und Kulturgeschichte
  • Malen, Zeichnen, Drucktechnik
  • Plastisches Gestalten
  • Handwerk und Kunsthandwerk
  • Textiles Gestalten
  • Foto, Film, Audio und sonstige Medienpraxis
  • Musik

 

Neben der Vielzahl der Fachgebiete zeichnet sich der Programmbereich „Kultur – Gestalten“ durch eine ebenso große Vielfalt an Veranstaltungsformaten aus: Das Angebot reicht von Einzelvorträgen über kurze Workshops und wöchentliche Kurse bis zu mehrtägigen Studienreisen, Sommerateliers und langfristig angelegten Lehrgängen.

Kulturzentrum Volkshochschule
Mit ihrem Angebot im Programmbereich Kultur – Gestalten und auch darüber hinaus versteht sich die Volkshochschule als Ort für Kultur: Neben Exkursionen zu lokalen oder regionalen Kulturinstitutionen, die häufig mit einem „Blick hinter die Kulissen“ verbunden sind, organisieren Volkshochschulen eigene Kulturveranstaltungen wie Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und Theater- oder Kinoabende. Je nach Thematik sind diese Veranstaltungen in unterschiedlichen Programmbereichen angesiedelt, etwa Ausstellungen zu Themen der Zeitgeschichte im Bereich der politischen Bildung oder fremdsprachige Kinofilme im Bereich „Sprachen“. Für Kulturveranstaltungen im Programmbereich Kultur – Gestalten können häufig regional oder überregional bekannte Künstlerinnen und Künstler gewonnen werden. Daneben bietet die Volkshochschule ein Forum etwa für eine Ausstellung mit Werken aus VHS-Kursen oder für den Auftritt eines VHS-Chors oder -Orchesters. In struktur-schwachen ländlichen Räumen ist die Volkshochschule oft der einzig verbliebene Ort öffentlicher Kulturpraxis.

 

Trends und Tendenzen im Programmbereich „Kultur – Gestalten“
Die praktisch-kreativen Angebote stellen den größeren Teil des Programmbereichs „Kultur – Gestalten“ dar; eine Entwicklung, die sich in den vergangenen Jahren verstärkt hat. Sie basiert auf einer zunehmenden Produkt-, Prozess- und Erlebnisorientierung bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie auf einem allgemeinen „Do It Yourself“-Trend, den Volkshochschulen aufgreifen. Auch andere gesellschaftliche Entwicklungen oder Trends spiegeln sich im VHS-Angebot wider und lassen sich an der VHS-Statistik ablesen. So war beispielsweise das Fachgebiet „Medienpraxis“ 2016 doppelt so groß wie zehn Jahre zuvor: Mit der zunehmenden Verbreitung der Digitalfotografie ist auch das VHS-Angebot an entsprechenden Einführungs- und Aufbaukursen gewachsen. Hinzu kommen Angebote zu weiteren digitalen Medien, etwa dem 3D-Druck, und auch MakerSpaces etablieren sich langsam an den Volkshochschulen.

 

Das Fachgebiet „Tanz“ ist in den vergangenen Jahren ebenfalls deutlich gewachsen und verzeichnet mittlerweile die meisten Teilnahmen innerhalb des Programmbereichs. Dies lässt sich auch mit dem gesellschaftlichen Megatrend „Gesundheit“ begründen, der sich nicht allein in einem stetigen Zuwachs im VHS-Programmbereich Gesundheitsbildung zeigt, sondern auch in verwandten Fachbereichen. Am zweitstärksten sind Kurse im Fachgebiet „Malen, Zeichnen, Drucktechniken“ nachgefragt.

 

Die Statistik verdeutlicht, dass Volkshochschulen flexibel agieren und mit ihrem Angebot auch im Programmbereich Kultur – Gestalten aktiv auf gesellschaftliche Entwicklungen eingehen.

 

Fächerübergreifend arbeiten, gesellschaftliche Teilhabe fördern

Es ist eine besondere Stärke der Volkshochschulen, dass ihr Programm alle Bildungsfelder umfasst. Das versetzt sie in die Lage, fachbereichsübergreifend zu arbeiten. Für diesen interdisziplinären Ansatz steht das vom Deutschen Volkshochschul-Verband entwickelte Ferienbildungskonzept „talentCAMPus“. Als Teil des Förderprogramms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) haben Volkshochschulen in der ersten Förderphase (2013 – 2017) rund 2.000 talentCAMPus-Projekte in rund 240 Städten, Gemeinden und Landkreisen angeboten und damit bundesweit etwa 45.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 18 Jahren erreicht. Die talentCAMPus-Ferienbildung richtet sich an Kinder und Jugendliche aus bildungsbenachteiligten Milieus. Kulturelle Lernangebote zielen darauf ab, die Persönlichkeit zu

stärken und die eigenen Potenziale zu entfalten. Dies unterstützt den Lernerfolg auch in anderen Bereichen, wie Sprache oder Medienbildung.

 

Ziele und Zielgruppen der kulturellen Bildung an Volkshochschulen
Volkshochschulen arbeiten stetig an der (Weiter-)Entwicklung zielgruppen-spezifischer Formate, um Menschen aller gesellschaftlichen Gruppen für Angebote der Breiten- und Hochkultur zu interessieren. Das Ziel ist, Menschen durch ganzheitliches Lernen in ihrer Persönlichkeitsbildung sowie bei der Entfaltung ihrer kreativen, sozialen und kommunikativen Fähigkeiten zu unterstützen. Kulturelle Bildung unterstützt die individuelle Aneignung von Kunst- und Kulturtechniken, trägt zum Verständnis von Kunst und Kultur und zum Erhalt kulturellen Wissens bei und fördert Integration und Inklusion.

Voraussetzung für ein umfassendes Angebot der Kulturellen Bildung ist allerdings eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Volkshochschulen, um soziale Selektion zu vermeiden und allen Menschen die Chance zur Teilhabe an kultureller Bildung zu geben. Die Bedeutung der „sozialen, kreativen und kommunikativen Potenziale der kulturellen Erwachsenenbildung“ hat die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ 2007 festgehalten. Volkshochschulen leisten dazu seit ihrer Gründung vor rund 100 Jahren einen wichtigen Beitrag.

 

Literatur

Deutscher Volkshochschul-Verband (Hrsg.): Die Volkshochschule. Bildung in öffentlicher Verantwortung. 2011.

 

Weitere Informationen

www.dvv-vhs.de/themenfelder/kulturelle-bildung/

www.talentcampus.de

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im April 2018.

Ulrich Aengenvoort
Ulrich Aengenvoort ist Verbandsdirektor des Deutschen Volkshochschul-Verbandes
Vorheriger ArtikelWas ist Erwachsenenbildung?
Nächster ArtikelKunst und Kultur in der katholischen Erwachsenenbildung