„On The Same Page“

Unsere Gesellschaft braucht das freie Wort!

Ein demokratischer Meinungsbildungsprozess braucht eine Debattenkultur
Eine freie und demokratische Gesellschaft schränkt die Meinungsäußerungen ihrer Bürger nicht ein. Der Staat muss im Gegenteil dafür sorgen, dass jeder Mensch seine Stimme kritisch erheben kann. Für bestimmte Gruppen wie Journalisten und Künstler gilt das in ganz besonderem Maße. Nur eine freie und unabhängige Presse garantiert Meinungsvielfalt und einen demokratischen Meinungsbildungsprozess. Nur die Freiheit der Kunst gewährleistet eine kreative und vielschichtige Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen. Die Gesellschaft kann und muss daraus entstehende extreme Standpunkte nicht nur aushalten, sondern sich mit ihnen auseinandersetzen.

 

Aleida Assmann fordert, dass den Menschenrechten eine Art von Gesellschaftsvertrag zur Seite gestellt wird, mit dem die Menschen verpflichtet werden, die Rechte anderer nicht nur zu respektieren, sondern auch für sie einzutreten. Das freie Wort nicht nur als Angebot, sondern als Verpflichtung. Das bedeutet auch, dass man seine Stimme nicht nur erheben kann, sondern sogar erheben muss, wenn man der Meinung ist, dass gewisse Entwicklungen auf der Welt und in unserer Gesellschaft in die falsche Richtung führen. Gerade darin liegt das Potenzial einer freien demokratisch verfassten Gesellschaft.

 

Zugegebenermaßen ist dies nicht immer einfach. Die gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskussionen sind von einer starken Polarisierung gekennzeichnet, die es für viele Menschen problematisch macht, sich zu beteiligen. Anstelle von Argumenten werden Beleidigungen ausgetauscht, wer am lautesten schreit, glaubt sich im Recht. Das Selbstverständnis, sich in Diskussionen oder Diskursen auszutauschen und zu überzeugen, ohne dem anderen die Meinung zu nehmen, ist in vielen Situationen einer Haltung des gegenseitigen Überschreiens gewichen. Hier gegenzusteuern, diese Notwendigkeit wird mittlerweile von vielen gesehen. Der Deutsche Bundestag hat es sich nach der Bundestagswahl im vergangenen Jahr beispielsweise zur Pflicht gemacht, dem Populismus vor allem mit Sachlichkeit und der Kraft der Argumente zu begegnen. Das entlarvt Propaganda und fördert einen konstruktiven Meinungsaustausch. Wenn dieser nicht mehr stattfinden kann, stirbt die Meinungsfreiheit und die Demokratie wird geschwächt. Deshalb brauchen wir eine neue Debattenkultur, die diese Voraussetzungen erfüllt.

 

Meinungen, die uns nicht nur fremd, sondern sogar gefährlich erscheinen, bilden dabei eine besondere Herausforderung. Die Frage nach dem Umgang mit Positionen aus den extremen Rändern des politischen Spektrums hat mit der lebhaften Debatte um die Präsenz rechter Verlage auf der letzten Frankfurter Buchmesse eine für unsere Branche neue Dringlichkeit erreicht.

 

Die Haltung des Börsenvereins und der Buchmesse dazu war und ist glasklar: Die einzige Instanz, die in einer demokratischen Gesellschaft Meinungsäußerungen verbieten darf, ist das unabhängige Gerichtswesen. Deshalb dürfen Verlage, Autoren oder Buchtitel, solange sie nicht gegen Gesetze verstoßen, auf der Buchmesse präsent sein.

 

Das bedeutet nicht, dass wir schweigen müssen, wenn Menschen diese Plattform dazu nutzen, um die Grundwerte unserer Gesellschaft anzugreifen. Im Gegenteil wollen bzw. müssen wir ihnen die Werte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, für die wir als Demokraten sowie als Buch- und Medienbranche stehen, entgegenhalten – Werte wie Freiheit, Vielfalt und Toleranz.

 

Und gerade deswegen ist es uns mit „On The Same Page“ ein Anliegen, das 70-jährige Bestehen der UN-Menschenrechtscharta in den Mittelpunkt der diesjährigen Frankfurter Buchmesse zu stellen, dem weltweit größten Treffpunkt für Menschen, die Inhalte veröffentlichen und verbreiten.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 5/2018.

Alexander Skipis
Alexander Skipis ist Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.
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