Entwurf eines „Zweiten Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungs-gesetzes und anderer Gesetze“: Stellungnahme des Deutschen Kulturrates

Berlin, den 08.09.2000. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, hat am 10.03.2000 einen Vorschlag zur Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes vorgelegt.

 

Mit diesem Vorschlag, auf den erneut Bezug genommen wird, haben die im Deutschen Kulturrat zusammengeschlossenen Verbände der Künstler und Publizisten, der Kultureinrichtungen und der Kulturwirtschaft deutlich gemacht, dass sie gemeinsam für die soziale Sicherung der Künstler und Publizisten eintreten. Sie haben betont, dass mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz eine für diesen Personenkreis schmerzliche Lücke im sozialen Sicherungssystem geschlossen wurde; denn erst mit dessen Verabschiedung wurde allen Künstlern und Publizisten eine Absicherung im Kranken-, Pflege- und Rentenfall innerhalb des gesetzlichen Sozialversicherungssystems möglich.

 

Das Künstlersozialversicherungsgesetz gehört zu den wichtigen kultur- und sozialpolitischen Errungenschaften. Zur Sicherung und Fortentwicklung des kulturellen Lebens ist die soziale Absicherung der Künstler und Publizisten unabdingbar. Andererseits benötigt die Kulturwirtschaft als wesentlicher Teil des Kulturlebens verlässliche Kalkulationsgrundlagen und muss vor in der Größenordnung nicht mehr akzeptablen Belastungen durch die Künstlersozialabgabe geschützt werden. Für das deutsche Kulturleben ist es von entscheidender Bedeutung, dass beide, Versicherte und Verwerter, an Verbesserungen des Künstlersozialversicherungsgesetzes gleichermaßen angemessen partizipieren können. Bleiben die Interessen der abgabepflichtigen Unternehmen unberücksichtigt, wird dies nach Überzeugung des Deutschen Kulturrates nachhaltige Folgen auch für das kulturelle Leben und für die Auftragsvergabe an Künstler und Publizisten haben. Der Deutsche Kulturrat befürchtet, dass dann nach Umgehungen der Abgabepflicht gesucht werden könnte und Unternehmen ihre Verträge im Ausland schließen.

 

Die im Deutschen Kulturrat zusammengeschlossenen Verbände sind der Auffassung, dass sich das Künstlersozialversicherungsgesetz in seinen Grundzügen bewährt hat. Zum Erfolg des Künstlersozialversicherungssystems haben folgende unverzichtbare Grundlagen beigetragen:

 

Für den Deutschen Kulturrates unverzichtbare Grundlagen des Künstlersozialversicherungssystems

1. 50% der Beiträge werden von den Versicherten, die anderen 50% von den Abgabepflichtigen und dem Bund gemeinsam aufgebracht.
2. Der Bund tritt mit seinem Anteil zur Künstlersozialkasse, dem Bundeszuschuss, ein

  • für die Fälle, in denen der Versicherte seine künstlerische oder publizistische Leistung direkt an den Endverbraucher ohne Einschaltung eines professionellen Verwerters erbringt,
  • für Verwerter, die nicht zum Kreis der Abgabepflichtigen gemäß § 24 KSVG gehören (wie z.B. jene Laienchöre oder -orchester, die nur bis zu zwei Mal im Jahr
  • künstlerische und publizistische Leistungen ver-werten).
    für die Entgelte an Versicherte, die aus Leistungen von Verwertungsgesellschaften stammen.

3. Der Anteil der von der Künstlersozialkasse nicht zur Zahlung herangezogenen   Verwerter, obwohl sie nach dem KSVG zahlungspflichtig wären, wird auch vom Bund getragen.
4. Die Verwaltungskosten der Künstlersozialkasse werden vom Bund übernommen.
5. Die Verwerter bringen ihre Anteile über eine Umlagefinanzierung auf der Basis der Entgeltsummen auf.
6. Für Berufanfänger gelten Sonderregelungen.

 

Deutscher Kulturrat begrüßt Verbesserung für Versicherte
Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass seine Vorschläge zur Verbesserung des Versicherungsschutzes der Künstler und Publizisten in dem „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze“ aufgegriffen wurden. Das betrifft insbesondere:

  • die Definition der Berufsanfängerzeit bei Unterbrechungen wie beispielsweise Kindererziehungszeiten, Wehrdienst oder Zivildienst,
  • die Möglichkeit das Mindesteinkommen zweimal in sechs Jahren ohne Verlust des Versicherungsschutzes zu unterschreiten,
  • die Regelung für die Krankenversicherung der Rentner.

 

Der Deutsche Kulturrat stellt ferner mit Befriedigung fest, dass mit der Benennung der Eigenwerbung betreibenden Unternehmen unter den zur Künstlersozialabgabeverpflichteten (§24 KSVG, Satz 2) klargestellt wurde, dass die Abgabepflicht über den engen Kreis der kulturwirtschaftlichen Unternehmen hinausreicht. Der Deutsche Kulturrat verbindet damit die Erwartung, dass die Künstlersozialkasse in den Stand gesetzt wird, tatsächlich alle Verwerter künstlerischer oder publizistischer Leistungen, die nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz abgabepflichtig sind, auch tatsächlich zu erfassen, so dass die Belastungen insgesamt gerechter verteilt werden.

 

Deutscher Kulturrat fordert aus kulturpolitischen und wirtschaftlichen Gründen Verbesserungen auch für Verwerter
Der Deutsche Kulturrat fordert, dass der von ihm erarbeitete Vorschlag zur künftigen Aufbringung des so genannten Arbeitgeberanteils in das „Zweite Gesetz zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze“ Eingang findet.

 

Der Deutsche Kulturrat begreift seine bereits angeführten Vorschläge zur Reform des Künstlersozialversicherungsgesetzes als ein Gesamtpaket . D.h. die Verbände der Versicherten und die Verbände der Abgabepflichtigen setzen sich gemeinsam sowohl für eine veränderte Aufbringung des „Arbeitgeberanteils“ als auch für Verbesserungen des Versicherungsschutzes der Künstler und Publizisten ein. Beide Aspekte sind für den Deutschen Kulturrat fest miteinander verbunden. Der Deutsche Kulturrat sieht den Konsens der Versicherten und der Verwerter, der insbesondere auch für eine Akzeptanz der vom Bund ab dem 01.01.2000 aufgehobenen Spartentrennung elementar ist, in Gefahr, wenn keine Verbesserungen für die Verwerter realisiert werden.

 

1. Mangels solcher Verbesserungen im vorliegenden Gesetzesentwurf wiederholt der Deutsche Kulturrat daher seine Forderungen zur Änderung der Aufbringung des Arbeitgeberanteils noch einmal und erweitert seinen Vorschlag um einen „Korridor des Bundeszuschusses“.

  • Die Verwerter zahlen die Künstlersozialabgabe nach einem festen, für alle Unternehmen einheitlichen Abgabesatz. Der Abgabesatz für Verwerter künstlerischer und publizistischer Leistungen wird mit einem Prozentsatz von 3,3 der an Künstler und Publizisten gezahlten Entgelte festgelegt und ändert sich nur unter Berücksichtigung der allgemeinen Sozialversiche-rungssätze oder den im weiteren genannten Bedingungen.
  • Die daraus resultierende Abgabe wird durch den Bundeszuschuss auf 50% der Beitragsausgaben der Künstlersozialkasse aufgefüllt. Der Bundeszu-schuss darf nicht unter die Höhe sinken, die den vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 08.04.87 dargestellten Anforderungen entspricht. In einem solchen Fall wird der Künstlersozialabgabesatz gesenkt.
  • Steigt der Bundeszuschuss auf einen Prozentsatz von über 25% des Arbeitgeberanteils der Künstlersozialversicherung, wird der Abgabesatz der Verwerter angehoben, um eine zu hohe Belastung des Bundes zu vermeiden. Sinkt der Bundeszuschuss auf unter 17% wird der Abgabesatz der Verwerter abgesenkt, damit eine zu hohe Belastung der Verwerter vermieden wird. Dieser „Korridor des Bundeszuschusses“ gewährleistet, dass beide Seiten, die gemeinsam den so genannten Arbeitgeberanteil zur Künstlersozialkasse aufbringen, nicht über Gebühr belastet werden.
  • Der Bund ergreift Maßnahmen, um den Kreis der Abgabepflichtigen zu erweitern und die Abgabepflichtigen lückenlos zu erfassen. Dadurch wird der Zuschuss des Bundes unmittelbar verringert. Die Verbände des Kultur- und Medienbereiches werden ihn dabei unterstützen.

 

2. In dem Gesetzesentwurf wird die Künstlersozialabgabepflicht auf ausländische Verwerter, die mit inländischen Verwertern zusammenarbeiten, ausgeweitet
(§ 24, Absatz 4 KSVG). Hier wird wie zwischen inländischen Verwertern eine gesamtschuldnerische Haftung des inländischen Verwerters für den auslän-dischen Abgabepflichtigen eingeführt.

 

Diese gesamtschuldnerische Haftung lässt sich weder in der Tonträger- oder Buchbranche (z.B. bei Lizenzverträgen) noch in der Veranstaltungsbranche (z.B. bei Kooperationen mit ausländischen Gastspieldirektionen oder Tourneeveranstaltern) realisieren. Der inländische Verwerter kann nicht nachvollziehen, in welcher Höhe Entgelte vom ausländischen Lizenzgeber bzw. Tourneeveranstalter an den ausländischen Künstler gezahlt wurden. Mit einem Lizenzvertrag kauft der Lizenznehmer ein komplettes Produkt ein. Ähnlich sind die Vereinbarungen zwischen dem aus- und dem inländischen Tourneeveran-stalter. Die an den Künstler gezahlten Entgelte – und damit die Bemessungs-grundlage für die Künstlersozialabgabe – kann der inländische Verwerter nicht ermitteln.

 

Der internationale Austausch bereichert das deutsche Kulturleben und ist wesentlicher Teil einer weltoffenen Gesellschaft. Es erscheint darum aus kultur-politischen Gründen dringend geboten, dass inländische Verwerter, die mit ausländischen Verwerter zusammenarbeiten und damit die Internationalität des Kulturlebens ermöglichen, nicht durch unerfüllbare Auflagen an ihrer Arbeit gehindert werden.
Der Deutsche Kulturrat fordert daher, dass der neue §24 KSVG Absatz 4 gestrichen wird.

 

3. Von Vermittlern künstlerischer Leistungen, deren Tätigkeit mit einer Maklerfunktion umschrieben werden kann (typischerweise ist diese Tätigkeit in Teilen der Veranstaltungsbranche zu finden, nicht aber im Bereich der bildenden Kunst), wird laut dem Gesetzesentwurf in der Zukunft der Nachweis ver-langt, dass der Vertragspartner des vermittelten Künstlers seinerseits abgabepflichtig ist. Dieses ist für diese Unternehmen weder zumutbar noch kann es tatsächlich erbracht werden. Die gesetzliche Forderung wäre damit auf etwas Unmögliches gerichtet.

 

Darüber hinaus ist den typischen Vermittlern künstlerischer Leistungen (Künstleragenturen), soweit sie als Makler- oder Handelsvertreter tätig werden, eine Abgabepflicht nicht zu zumuten, das sie sich weder Eigentums- noch Nut-zungsrechte verschaffen noch diese Werke selbst der Öffentlichkeit zugänglich machen.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert daher die Streichung des § 25 KSVG, Abs. 3, Satz 2 sowie die Nichteinführung des die geltende Gesetzesfassung erweiternden Entwurfes.

 

Deutscher Kulturrat fordert Einbeziehung bei Vergabe für Gutachten zum Selbstvermarktungsanteil
Abschließend fordert der Deutsche Kulturrat, dass er bei der Vergabe des geplanten Gutachtens zur Untersuchung des Selbstvermarktungsanteils der Künstler und Publizisten gehört wird. Bei der Vergabe anderer Untersuchungen zu kulturwirtschaftlichen Fragen wurden mit der Einbeziehung des Sachverstandes der Kulturverbände bereits sehr gute Erfahrungen gesammelt. Zur Akzeptanz kulturwirtschaftlicher Gutachten oder Statistiken trägt die Neutralität und Objektivität des Gutachters entscheidend bei. Eine Einbeziehung des Sachverstandes der Kulturverbände bei der Vergabe des Gutachtens würde daher das Vertrauen in dessen Objektivität erhöhen.

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