Robert Staats - 29. September 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Urheberrecht

Privatkopien und Korrekturen


Die Schranken des Urheberrechts II

Wie zuletzt beschrieben, handelt es sich bei den Schranken des Urheberrechts um gesetzlich erlaubte Nutzungen. Wer einen Blick in den einschlägigen Abschnitt 6 des Urheberrechtsgesetzes wirft, wird schnell feststellen, dass der Zweck, der mit den Schrankenregelungen verfolgt wird, höchst unterschiedlich sein kann. Neben gesetzlich erlaubten Nutzungen zugunsten der Rechtspflege finden sich solche für Menschen mit Behinderungen; die Herstellung von Sammlungen für den religiösen Gebrauch wird ebenso privilegiert wie die Nutzung von verwaisten Werken oder die Verwendung von Zeitungsartikeln in Pressespiegeln. Auch Zitate, Vervielfältigungen von Werkteilen oder Werken geringen Umfangs in Schulen und Hochschulen, das sogenannte Text und Data Mining oder der Kopienversand durch Bibliotheken sind unter bestimmten Voraussetzungen ohne Einwilligung der Rechtsinhaber zulässig. Von besonders großer Bedeutung ist aber die „Privatkopie“-Schranke. Hierauf soll im Folgenden eingegangen werden.

 

Die einschlägige Schrankenbestimmung erlaubt – wenig überraschend – Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch. Kein Urheber, Verleger, Tonträgerhersteller oder Filmproduzent kann sich dagegen wehren, dass im Rahmen des Gesetzes Werke für private Zwecke kopiert werden. Das gilt für analoge Vervielfältigungen auf Papier in gleicher Weise wie für digitale Abspeicherungen. Unzulässig sind allerdings in der Regel Kopien von ganzen Büchern oder von Noten. Gleiches gilt, wenn für die Vervielfältigung eine „offensichtlich rechtswidrige“ Vorlage verwendet wird. Diese Formulierung wurde im Jahr 2003 als Kompromiss in den Gesetzestext aufgenommen, nachdem heftig darüber gestritten worden war, ob Kopien nur von einer legalen Quelle angefertigt werden dürfen. Unzulässig, weil offensichtlich rechtswidrig, ist beispielsweise der Download von Werken, die auf illegalen Tauschplattformen zur Verfügung gestellt werden. Auch Kinofilme, die bereits vor der Veröffentlichung im Netz kursieren, dürfen nicht vervielfältigt werden.

 

Zulässig ist in jedem Fall nur die Herstellung von einzelnen Vervielfältigungen, worunter in der Praxis bis zu sieben Kopien verstanden werden; gesetzlich abgesichert ist diese „magische“ Obergrenze allerdings nicht. Unzulässig ist die Privatkopie schließlich auch dann, wenn das Werk durch einen wirksamen Kopierschutz gesichert ist. Dieser darf nicht umgangen werden.

 

Private Vervielfältigungen finden ununterbrochen in großem Umfang statt. Bereits seit Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes im Jahr 1966 gibt es deshalb einen gesetzlichen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung. Dieser Vergütungsanspruch richtet sich aber nicht gegen den einzelnen Nutzer, sondern ist von den Herstellern oder Importeuren der Geräte und Speichermedien zu bezahlen, die für Vervielfältigungen verwendet werden. Die Vergütungsansprüche können dabei nur von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden, welche die sogenannten Gesamtverträge mit den Herstellerverbänden abschließen oder – notfalls – die Vergütungsansprüche gerichtlich durchsetzen. Bei jedem Kauf eines PCs, Tablets, Mobiltelefons, USB-Sticks oder auch einer Smartwatch ist deshalb eine Urhebervergütung enthalten, die an die Verwertungsgesellschaften gezahlt und von diesen an die Urheber und Rechtsinhaber weitergegeben wird.

 

Es liegt auf der Hand, dass die Geräte- und Speichermedienvergütung bei den Herstellerverbänden als Vergütungsschuldnern wenig beliebt ist. Das ändert aber nichts daran, dass gesetzlich erlaubte Privatkopien nach europäischem und nationalem Recht zwingend zu vergüten sind und ein vergleichbar effektives Vergütungsmodell bisher nicht erfunden wurde. Gerade durch die Digitalisierung haben sich die Möglichkeiten, private Kopien anzufertigen, enorm erhöht. Auch die Nutzung von Streaming-Diensten bedeutet – jedenfalls nach Auffassung der Verwertungsgesellschaften – keineswegs das Ende der Privatkopie; die Herstellerverbände sehen dies allerdings anders. Eine spannende Frage ist in diesem Zusammenhang auch, inwieweit für das „Cloud Computing“ eine Speichermedienvergütung zu zahlen ist. Mit dieser Problematik wird sich voraussichtlich demnächst der Europäische Gerichtshof befassen, nachdem das Oberlandesgericht Wien vor wenigen Tagen einen entsprechenden Vorlagebeschluss gefasst hat (OLG Wien, Beschluss vom 7. September 2020 – Az. 33R50/20w).

 

Neben der Geräte- und Speichermedienvergütung kennt das Urheberrechtsgesetz noch einen weiteren Vergütungsanspruch für die Anfertigung von gesetzlich erlaubten Kopien, die sogenannte Betreibervergütung. Diese Vergütung ist von den Großbetreibern von Vervielfältigungsgeräten, wie Schulen, Universitäten, Bibliotheken oder Copyshops zu bezahlen; der Anspruch kann ebenfalls nur von Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden. Problematisch ist allerdings, dass bis heute eine Betreibervergütung nur dann gezahlt werden muss, wenn die Vervielfältigung auf Papier angefertigt wird. Bei Abspeicherungen auf digitalen Speichermedien, wie sie bereits seit vielen Jahren gängige Praxis sind, geht dieser Vergütungsanspruch dagegen ins Leere. Verwertungsgesellschaften, Urheberverbände und nicht zuletzt der Deutsche Kulturrat setzen sich deshalb dafür ein, die Betreibervergütung endlich an die digitale Wirklichkeit anzupassen. Es ist zu wünschen, dass die aktuellen Gesetzgebungsverfahren zum Urheberrecht für die überfällige Korrektur genutzt werden.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2020.


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