Olaf Zimmermann - 29. September 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Texte zur Kulturpolitik

Mode


„Es erfüllt uns mit Stolz und großer Freude, dass unser langfristiges Ziel in der kulturellen Bildung, für das sich die Stiftung Mercator mit großer Überzeugung und erheblichen finanziellen Mitteln seit mehr als zehn Jahren eingesetzt hat, statt wie ursprünglich geplant im Jahr 2025 tatsächlich bereits Ende des Jahres 2022 erreicht sein wird. Dieses Ziel bestand darin, dass die kulturelle Bildung als Teil allgemeiner Bildung in den Strukturen und Qualitätsvorgaben aller 16 Bundesländer nachhaltig verankert wird. Mit dem Erreichen dieses Ziels ist es im Sinne der Arbeitsweise der Stiftung Mercator folgerichtig, dass kulturelle Bildung in der neuen, auf fünf Jahre angelegten Strategie kein Schwerpunktthema mehr sein wird.“

 

Ja, meint die Stiftung Mercator das wirklich ernst?

 

Der Rat für Kulturelle Bildung, der von einem Stiftungskonsortium unter Führung der Mercator-Stiftung finanziert wird und der seine Arbeit ebenfalls einstellen soll, hat immer das genaue Gegenteil gesagt. Und in der gerade vom Deutschen Musikrat vorgelegten Studie „Musikunterricht in der Grundschule“ wird ein vollständig anderes Bild von der kulturellen Bildungswirklichkeit in den Schulen gezeigt.

 

Natürlich kann eine Stiftung mit ihrem Geld machen, was sie will, aber sie sollte uns bitte nicht für dumm verkaufen, was das Erreichen ihrer strategischen Ziele angeht. Die kulturelle Bildung ist ein Notstandsbereich. Gerade jetzt in der Coronakrise zeigt sich, dass auf Musik, Kunst, Theater in den Schulen besonders gerne verzichtet wird. Aber auch schon vor Corona war die kulturelle Bildung das ungeliebte Kind in der Schule.

 

Der Deutsche Kulturrat hatte mit der Konzeption kulturelle Bildung 1985 den Stein der kulturellen Bildung ins Rollen gebracht. Dieser Konzeption folgten 1994 und 2005 Nachfolgekonzeptionen. Ein Thema war geboren oder war es doch nur eine Mode?

 

Sind wir ehrlich zu uns selbst, das Thema kulturelle Bildung hat in den letzten Jahren deutlich an Strahlkraft verloren. Kulturelle Bildung ist offensichtlich eine Mode, eine neue Kollektion muss her. Deshalb will wohl die Stiftung Mercator und wie man hört auch weitere andere Stiftungen sich dieses Aufgabengebietes entledigen. Kulturelle Bildung ist nicht mehr hip, schafft keine „gute Presse“ mehr.

 

Aber, ich befürchte, wir sind an der Entwicklung nicht ganz unschuldig. Kultureller Bildung fehlt oftmals in der politischen Debatte die Leichtigkeit. Sie gilt als fachlich überladen. Vielleicht sollten die Stiftung Mercator und andere die kulturelle Bildung nicht aus ihrem Aufgabengebiet verbannen, sondern helfen, dass sie wieder trendiger wird. Denn auch das ist Mode!

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2020.


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