Olaf Zimmermann - 28. September 2021 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Klima & Kultur

Kultur für gutes Klima


Kultureller Wandel ist Voraussetzung für erfolgreiche Nachhaltigkeitspolitik

Der gerade zurückliegende Bundestagswahlkampf war in weiten Teilen ein Klimawahlkampf. Bündnis 90/Die Grünen sind mit dem Ziel angetreten, Deutschland schneller als bislang auf den Pfad der Klimaneutralität zu bringen. Die SPD setzte insbesondere auf Innovationen in Unternehmen und erneuerbare Energien. Das Mantra von Olaf Scholz war, dass die Unternehmen nur darauf warten, endlich klimaneutraler zu wirtschaften und hier vor allem verlässliche Zusagen mit Blick auf die Stromversorgung brauchen. Die CDU holte den Ladenhüter Atomkraft wieder hervor und bedauerte, den Atomausstieg vor dem Kohleausstieg vereinbart zu haben. Und auch die FDP unterstrich, dass Klima ein wichtiges Thema sei. Sie setzte dabei vor allem auf die Erneuerungskraft aus den Unternehmen.

 

Die nächste Bundesregierung – egal wie sie auch immer zusammengesetzt sein wird – wird also das Thema Klima in den Mittelpunkt rücken. Und das ist auch richtig so. Man erinnere sich nur an die verheerenden Auswirkungen der Hochwasser im Juli dieses Jahres in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen, an das nun schon einige Jahre zurückliegende Elbehochwasser in Sachsen, an die Hochwasser im Jahr 2013 in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und anderen Ländern, an die Waldbrände in Brandenburg und anderes mehr.

 

Der menschengemachte Klimawandel ist längst kein Zukunftsthema mehr, sondern seine Auswirkungen sind bittere Realität – auch hier in Deutschland. Zuerst bekommen die Menschen sie zu spüren, die unmittelbar davon betroffen sind, die in den Hochwasser-, in den Waldbrandgebieten oder in Regionen mit Stürmen bzw. Tornados leben. Betroffen sind aber auch Kultureinrichtungen. Viele Städte und Gemeinden wurden an Flüssen gegründet. Flüsse eigneten sich zum Warentransport, sie trugen und tragen Menschen von A nach B, an Flüssen befinden sich zahlreiche historische Kulturorte und -einrichtungen. Historische Gärten oder auch das Weltnaturerbe Wattenmeer, die unter Welterbe stehenden Buchenwälder und andere mehr sind durch den Klimawandel akut gefährdet.

 

Klimapolitik in der jetzt anstehenden 20. Wahlperiode heißt also auch Kulturschutzpolitik. Es geht darum, Konzepte zu entwickeln, wie historische Kulturorte vor Hochwasser und anderen Katastrophen gesichert werden können. Dabei wird es darauf ankommen, einen Ausgleich zwischen Denkmalschutz, Erhalt der historischen Substanz und dem Schutz vor den Gefahren durch Hochwasser, Dürre oder Brände zu finden. In diesem Zusammenhang gilt es auch, die Häuser der Kulturinstitutionen in den Blick zu nehmen. Viele dieser Häuser sind nicht einmal annäherungsweise klimaneutral. Viele, wie z. B. umgenutzte Industriebauten, sind für ganz andere Zwecke einmal gebaut worden. Es wird auch darum gehen, die Gebäude unter Klimagesichtspunkten ganz neu zu betrachten, und vor allem sollten alle diejenigen, die beim Strukturwandel in den Braunkohlerevieren an Kulturnutzungen denken, genau abwägen, ob die Gebäude unter Klimagesichtspunkten dies überhaupt hergeben. Es wäre doch ein Hohn, wenn der Braunkohleabbau aus Klimaschutzgründen gestoppt, aber bei der Nachnutzung der Orte nicht auf Klimaneutralität geachtet würde.

 

Kulturklimapolitik bedeutet aber auch Stadtpolitik. Eine Stadtpolitik, die für Naturkatastrophen gerüstet ist, die Hochwasser verkraften kann – Schwammstadt ist dafür das Stichwort. Eine Stadtpolitik, die eine lebenswerte Stadt im Blick hat. Mit Innenstädten, in denen sich die Menschen gerne aufhalten. Eine Stadtpolitik, in der Kultur nicht allein ein Kostenfaktor ist, sondern Diskursräume bietet und damit zum Zusammenhalt beiträgt. Eine Stadtpolitik, in der Wohnen bezahlbar und vor allem klimagerecht ist. Gerade das Bauen ist derzeit ein Klimakiller. Hier kommt es darauf an, Klimaneutralität auch im Bauen umzusetzen. Architektinnen und Architekten sind hier besonders gefordert. Der Deutsche Kulturrat wird daher künftig ein besonderes Augenmerk hierauf richten, die Expertise aus seiner Mitgliedschaft noch stärker nutzen und dieses Thema klarer akzentuieren. Vielleicht wird die EU-Initiative eines Neuen Europäischen Bauhauses dieser Fragestellung weitere Impulse geben. Hingewiesen sei auf die Resolution der Mitgliederversammlung des Deutschen Kulturrates vom September 2019 zum Klimapaket der Bundesregierung „Klimaschutz braucht kulturellen Wandel„.

 

Das entscheidende Moment und auch die zentrale Herausforderung für den Kulturbereich ist meines Erachtens deutlich zu machen, dass Klima- und Nachhaltigkeitspolitik einen grundlegenden kulturellen Wandel bedeuten. Das Entscheidende wird dabei sein, zu verdeutlichen, dass Klima- und Nachhaltigkeitspolitik kein Verlust, sondern ein Gewinn ist. Ein Gewinn an Lebensqualität im ländlichen Raum, aber besonders auch in den Städten. Denn saubere Luft, der Schutz vor Naturkatastrophen, keine glühend heißen Sommer, sondern erträgliche Temperaturen, eine Nahversorgung, die einen Ort lebenswert machen und anderes, das alles bedeutet mehr Lebensqualität für alle Menschen. Der Kulturbereich kann mit seiner Expertise gerade auch im Design, in der Architektur und in der Stadtplanung einer der Motoren für die Nachhaltigkeitspolitik sein. Und er kann darüber hinaus die Diskursräume bieten, um den kulturellen Wandel für alle begreifbar zu machen. Selbst wenn die neue Regierung – wie auch immer sie zusammengesetzt sein wird – sich als Klimaregierung aufstellen wird, ohne Kultur und Kulturpolitik wird die Veränderung nicht gelingen. Daher gutes Klima für die Kultur, Kultur für gutes Klima!

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 09/2021.


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