Thomas Rath und Sven Scherz-Schade - 29. April 2022 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Modekultur

Modestandort Deutschland stärken


Thomas Rath im Gespräch

Der 1966 in Köln geborene Thomas Rath entwirft Modekreationen, hauptsächlich für Frauen. Er prägt seine Ideen als „Semi Couture“. Die Kleidung ist stets so klassisch gestaltet, dass sie jenseits von kurzzeitigen Trends und Strömungen über Jahre hinaus getragen werden kann. Der Hauptsitz seines Unternehmens ist in Düsseldorf. Thomas Rath ist als Designer und Unternehmer, aber auch als Entertainer tätig. Er war unter anderem einer der Juroren in der von ProSieben ausgestrahlten Fernsehsendung Germany’s Next Topmodel. Sven Scherz-Schade spricht mit ihm unter anderem über die wirtschaftlichen Aspekte von Mode.

 

Sven Scherz-Schade: Herr Rath, Sie haben als Modedesigner vieles erreicht, mit großem Erfolg über Jahre sehr beständig gearbeitet, vor allem unter Ihrer Scalptura „Semi Couture“ Ihre Modeideen international erfolgreich vermarktet. Wie sehr ist Ihre Arbeit in der Modekultur noch immer eine künstlerische Tätigkeit?

Thomas Rath: Ich sehe mich nicht als Künstler. Ich sehe mich als Designer und ich liebe es, neue Designs zu entwickeln. Ich bin ein sehr großer Ästhet und entwickle gerne schöne Dinge. Es mag diese Unterscheidungen und Trennungen zwischen künstlerischer und anderweitiger Tätigkeit geben und diese Unterscheidungen mögen in bestimmten Zusammenhängen auch ihre Berechtigung haben. Auf mich aber trifft das nicht zu. Ich entwickle neue Designs. Nennen Sie es künstlerisch. Für mich ist es mein Beruf und meine Leidenschaft.

 

Überwiegt bei Ihnen aber die Arbeit als Unternehmer, also die wirtschaftliche Tätigkeit? Geht beides Hand in Hand oder ließe sich
das trennen?

Ich bin aus voller Leidenschaft Unternehmer und auch Designer und ich kann beides sehr gut verbinden, ja mehr noch: Beides gehört für mich zusammen. Wobei es schon eine gewisse Einteilung gibt, da mein Mann Sandro für alles Wirtschaftliche zuständig ist und ich für den kreativen Part. Dennoch lässt sich das eine nicht ohne das andere denken.

 

Wie zufrieden sind Sie mit dem Standort Deutschland für die Modekultur?

Die Modewirtschaft in Deutschland ist stark. Das sehen wir an Umsatzzahlen, am Konsum und am guten Wirtschaftswachstum im Bereich der Mode. In dieser Hinsicht kann man hier sehr zufrieden sein. Allerdings ist Mode eben auch ein Bereich, der über das Wirtschaftliche hinaus ganz andere Aufmerksamkeiten anspricht. Dazu kann ich nur sagen: Deutschland ist kein internationaler Modestandort. Insofern setzt das einem Modedesigner in Deutschland gewisse Grenzen. Am Ende des Tages muss man überlegen, was einem ist wichtiger ist: die Modewirtschaft oder der Modezirkus.

 

„Modezirkus“, das klingt ein bisschen abwertend. Noch vor wenigen Jahrzehnten lag die Aufmerksamkeit der internationalen Modeszene fast ausschließlich auf Paris, Mailand oder London, zumindest in der Haute Couture. Hat es die Modekultur in Deutschland dadurch schwer?

 

Den „Modezirkus“ meine ich nicht abwertend. Ich will aber gerne deutlich machen, dass die genannte Aufmerksamkeit der internationalen Modeszene eine ganz andere Qualität darstellt. Deutschland ist kein Haute-Couture-Land. War es früher nicht und ist es bis heute nicht. Die Modewirtschaft in Deutschland ist aber dennoch stark. Bei uns wird Mode konsumiert, aber nicht zelebriert. Und dieses Zelebrieren kann mitunter schon zirkusähnliche Ausmaße annehmen.

 

Sie sind „Europäischer Design-­Ambassador“ – was hat es damit auf sich?

Ich bin 2014 offiziell vom VDMD, dem Verband deutscher Mode- und Textil-Designer, zum Europäischen Design-Botschafter für Deutschland ausgezeichnet worden. Seitdem arbeite ich eng mit dem VDMD zusammen, um den Modestandort Deutschland zu stärken. Es geht darum, in Kontakten und Gesprächen mal mehr, mal weniger konkret die Belange des Modestandorts zu thematisieren. Ich habe den Unternehmenssitz in Düsseldorf und das bedeutet uns auch sehr viel. Der VDMD ist ein starkes Netzwerk von über 620 freiberuflichen wie festangestellten Mode-, Textil-, Home-, Interieur- und Accessoire-Designern und er vertritt deren Interessen europaweit. Der Titel des Design-Botschafters soll signalisieren, dass ich für den Modestandort Deutschland mit meinem Namen einstehe. Aber seit letztem Jahr habe ich noch einen anderen Titel verliehen bekommen, über den ich mich sehr gefreut habe. Ich wurde 2021 vom Council für Kunst und Design und VDMD zum „Designer des Jahres“ ausgezeichnet.

 

Design und Gestaltung erfahren gegenwärtig ganz neue Anforderungen in Hinblick auf umweltverträgliche Materialen, Arbeitsprozesse, Lieferketten etc. Wer Mode trägt, ist immer auch kommerzielle Verbraucher. Hat das Ihre Arbeit in den letzten Jahren verändert?

Mode ist immer ein Prozess, der sich ständig und stetig verändert. Man muss sich jede Saison verändern, sonst bleibt man stehen. Ich verliere aber nie meine Kundin aus den Augen. Ich weiß ganz genau, wen ich anziehe.

 

Ihr Lebenswerk wäre ohne das Medium Fernsehen ein komplett anderes. Sie waren im TV aktiv als Juror bei der Sendung Germany’s Next Topmodel, Sie haben kooperiert mit dem Teleshopping-Sender QVC und gegenwärtig mit HSE. Warum ist Ihnen die TV-Verknüpfung wichtig?

Ich bin Entertainer und Modeunternehmer zugleich. Das Fernsehen z. B. ist für mich eine gute Plattform, auf der ich meiner Kundin genau erklären kann, wie ich mir die Kollektion vorstelle. Ich kann dort auch einige Stylingtipps geben. Die Kundinnen und Kunden bekommen die Modeberatung damit aus erster Hand von mir als Designer.

 

Können Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung Empfehlungen ableiten, wie die kreative Modebranche in Deutschland auf dem Markt auftreten bzw. sich einen Markt mittels der Medien schaffen sollte?

Wir müssen uns in Deutschland auf unsere Kunden konzentrieren und dürfen diese nicht aus dem Fokus verlieren. Dieser Gefahr unterliegt man leicht. Wir machen Mode in erster Linie für unsere Kundschaft und die müssen wir bedienen. Ich würde sagen: Heutzutage sind die Medien genauso wichtig wie damals auch. Allerdings haben sich die Wege verändert. Früher hat man etwa große Kampagnen geshootet in den Modezeitschriften. Heutzutage arbeitet man mit Influencern zusammen, die als Werbeplattform dienen.

 

Laut Wikipedia haben Sie sich das Zeichnen autodidaktisch beigebracht. Stimmt das?

Ja, das stimmt. Ich habe mir damals, als ich bei Basler Mode anfing, alles genau angeschaut und angeeignet. Ich sauge alles auf wie ein Schwamm. Und vom Stylisten bei Basler wurde ich zum Jungdesigner.

 

Wie gut ist denn der Ausbildungsort Deutschland für die Modekultur? Modedesign studiert man sechs bis sieben Semester im Bachelor und dann zwei bis vier Semester im Master. Damit ist man bei uns doch gleichauf mit allen europäischen Nachbarn, oder nicht?

Man muss sich im Klaren darüber sein, dass es – wie oben schon gesagt – in Deutschland um Modebusiness und um Wirtschaft geht. Das versuche ich auch, allen Jungdesignern zu erklären. Die Branche hat hier wenig mit Glitzer und Glamour zu tun. Es ist in erster Linie harte Arbeit und diesen Preis muss man zahlen.

 

Wie sehr schauen Sie auf die Abschlüsse und Noten bei Bewerbern, die für Thomas Rath arbeiten wollen? Was raten Sie Berufseinsteigern?

Mich beeindrucken ehrlich gesagt in erster Linie nicht die Abschlüsse. Entweder man hat es im Blut oder nicht. Und das merke ich sofort. Das Allerwichtigste in der Branche ist, fleißig zu sein und sich Zeit zu geben. Heutzutage wollen alle sofort ihre eigene Kollektion und in den Luxushäusern dieser Welt hängen. Dieser Wunschgedanke geht aber nicht auf und er kostet eine Menge Geld. Mein Tipp: immer schön fleißig sein und seine Erfahrungen sammeln.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/22.


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