Michael Spitzbarth - 29. April 2022 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Modekultur

Kompromisslos fair produziert


Fünf Fragen an Michael Spitzbarth

Nach dem Textildesign-Studium und einigen Jahren Arbeitserfahrung in der Bekleidungsindustrie war für Michael Spitzbarth klar, diese Branche muss sich ändern: Die Natur hatte genug geblutet, Zeit dies zu stoppen. Das Label bleed war geboren. Politik & Kultur fragt nach, wofür bleed heute steht – und was sich wirklich geändert hat.

 

Welche Idee steht hinter bleed? Welche Bedeutung hat der Name?

 

Für die Beantwortung dieser Frage muss ich einen etwas größeren Zeitsprung zurückmachen in das Jahr 2008. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mein Textildesignstudium bereits beendet und einige Jahre als Freelancer in der Modebranche gearbeitet. ­Außerdem war und bin ich leidenschaftlicher Skateboarder. Damals gab es kaum an nachhaltiger und fairer Mode interessierte Labels und gerade in der Urban- und Sportswear war ökologische Mode quasi ein Fremdwort. Für mich war nach einigen Jahren Arbeit in der dreckigen Modeindus­trie jedoch klar: Es muss sich was ändern. Die Natur hatte genug für unsere Kleidung geblutet. Und so gründete ich im Jahr 2008 mein eigenes Fair ­Fashion Label: bleed. Ein Label, für das nichts und niemand bluten soll, weder Mensch, Tier noch Umwelt. Oder etwas positiver: We bleed for nature!

 

bleed ist 100% ECO, 100% FAIR – was bedeutet das genau? Wieso ist Ihnen dies wichtig?

 

Das ist quasi die Kurzfassung unserer Firmenphilosophie: 100% ECO, 100% FAIR – und nicht zu vergessen – 100% YEAH. Ich fange vielleicht mal mit den ersten beiden Punkten an: Eco und Fair. Für uns als Label bedeutet das, dass wir auf faire, soziale und ökologische Produktion ohne Kompromisse setzen. Das fängt schon im Designprozess an, immer mit der Frage im Hinterkopf: Was ist überhaupt mit ökologischen Materialien möglich? Auch bei der Materialauswahl selbst gibt es einiges zu beachten: Wo kommt das Material her? Wie viel Wasser, Herbizide und Pestizide werden im Anbau verbraucht? Wie energieintensiv ist die Produktion? Bei der Auswahl unserer Produzenten setzen wir auf soziale und nachhaltige Standards, das GOTS-Zertifikat ist da z. B. ein guter Ausgangspunkt. Als Familienunternehmen stehen wir zudem für Unabhängigkeit, langsames Wachstum und Transparenz. Wir unterstützen unsere Region mit unseren Steuern und der Beteiligung an lokalen Projekten und regionalen Strukturen. Besonders wichtig ist uns als Label aber auch der dritte Punkt unsere Firmenphilosophie: 100% YEAH. Denn wir wollen zeigen, dass ökologische und faire Mode ganz und gar nicht langweilig ist. Ganz im Gegenteil: Nachhaltiger Konsum kann Spaß machen und bedeutet nicht, Abstriche in Hinblick auf Style und Funk­tion machen zu müssen.

 

Mit welchen Materialien arbeiten Sie bei bleed? Was zeichnet diese aus?

 

Wir arbeiten ausschließlich mit veganen Materialien, viele davon pflanzlichen Ursprungs. Neben der klassischen Biobaumwolle gibt es eine große Bandbreite an pflanzlichen Fasern, die einerseits unglaublich angenehm auf der Haut liegen, andererseits jedoch großartige funktionale Eigenschaften haben, die sich auch für Sportswear eignen. Hierzu zählen zum Beispiel Hanf, Lyocell (TENCEL®) und Modal (TENCEL®). Als Lederalternative haben sich bei uns Kork und Jacroki® etabliert. Jede Saison arbeiten wir aufs Neue daran, innovative und funktionale Kleidung zu kreieren, die den Spagat zwischen Funktion, Nachhaltigkeit und Design schafft. Bei einigen Kleidungsstücken wie den Sympatex-Funktionsjacken verwenden wir auch Materialien auf Basis von Polyester. Dies ist jedoch bei uns immer recycelt, sortenrein und kreislauffähig. Generell beschäftigen wir uns bei jedem unserer Produkte auch mit der Frage: Was passiert nach der Lebensdauer mit diesem Kleidungsstück? In den letzten Jahren haben wir viele der Produkte so weiterentwickelt, dass sie biologisch abbaubar sind. Die neueste Innovation ist biologisch abbaubares Elasthan, sodass auch von den bleed Jeans nach einiger Zeit auf dem Kompost nicht viel mehr übrigbleibt als Knöpfe und Reißverschluss.

 

Wer kauft und trägt bleed bzw. für wen designen Sie?

 

Wir designen Kleidung für Menschen, die an einer ökologischen und sozialen Alternative zu herkömmlicher Mode interessiert sind. Dabei beschränken wir uns nicht auf die eine Zielgruppe. Über die Jahre haben sich unsere Kollektionen so erweitert, dass durch die vielen unterschiedlichen Designs und Schnitte für jeden und jede etwas zu finden ist. Dabei steht ein Faktor ganz besonders im Vordergrund: ein aktiver Lebensstil. Hier sind einerseits bleeds Wurzeln im Board­sport zu erkennen; Sneaker, die sich super zum Skaten eignen, Badebekleidung zum Surfen und Funktionsjacken für die Piste. Andererseits gibt es auch multifunktionale Kleidungsstücke, mit denen man tagsüber im Büro eine super Figur macht und nachmittags mit dem Fahrrad heimfahren kann, um es sich dann auf der Couch gemütlich zu machen.

 

Wie kann die Modeindustrie ins­gesamt nachhaltiger werden? Was wünschen Sie sich?

 

Ich wünsche mir, dass Nachhaltigkeit von anderen Unternehmen in der Modeindustrie und auch ganz allgemein endlich mehrdimensional gedacht wird. Es reicht nicht, einfach nur ökologische Materialien zu verwenden, wenn die Kleidungsstücke dann unter katastrophalen Arbeitsbedingungen gefertigt und um die halbe Welt geschifft werden. Auch wir arbeiten ständig daran, noch nachhaltiger zu werden. Für uns bedeutet das, noch mehr Kleidungsstücke in der eigenen Region zu fertigen. Außerdem wollen wir den Anteil an Recyclingmaterialien in unseren Kollektionen weiter erhöhen, denn die Rohstoffe auf unserer Erde sind endlich und kostbar.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/22.


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