Georg Braungart - 1. Dezember 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kunstmarkt

Vom Studium in den Markt


Vier Fragen an Georg Braungart

Das Georg-Meistermann-Stipendium des Cusanuswerkes unterstützt graduierte Künstlerinnen und Künstler beim Übergang vom Studium in den Kunstmarkt. Der Leiter der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk, Georg Braungart, gibt Auskunft.

 

Was ist das Georg-Meistermann-Stipendium, was zeichnet es aus?

Das Stipendium ist eines der bestdotierten freien Graduiertenstipendien für junge Künstler in Deutschland. Namensgeber ist der Maler, Zeichner und Grafiker Georg Meistermann. Er war ein profilierter Vertreter der abstrakten Moderne in der Tradition des Kubismus und hat ein umfangreiches Œuvre hinterlassen, markant vor allem durch seine Glasfenster und Glasmalereien. Die seit 1993 vergebenen Stipendien werden aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert, ergänzt durch Drittmittel des Vereins Ausstellungshaus für Christliche Kunst, München. Die Geförderten profitieren nicht nur von zwei Jahren monatlicher Förderung, sondern auch von einem Sonderbudget von 8.000 Euro zur Realisierung einer Einzelausstellung mit Katalog, sowie vom großen, interdisziplinär angelegten Bildungsprogramm des Cusanuswerks. Und sie können sich einer professionellen persönlichen Begleitung während der Förderzeit und bei der Realisierung ihres Abschlussprojekts erfreuen. Da die Stipendien nur an Absolventinnen und Absolventen der Grundförderung des Cusanuswerks in künstlerischen Studiengängen vergeben werden, wird durch diese zweite Förderphase die intellektuelle und spirituelle Weiterentwicklung der jungen Künstlerpersönlichkeiten unterstützt.

Das Besondere  ist an dem Stipendium, dass es nach den Vorgaben des BMBF mit einer Graduiertenförderung von 1350 Euro monatlich und Zuschüssen für Auslandsvorhaben oder auch Kinderbetreuung ausgestattet ist: Die Künstlerinnen und Künstler sind völlig frei in der Planung und Realisierung ihrer Projekte. Es gibt keinerlei spezifische Erwartungen im Hinblick auf bespielte oder berücksichtigte Sparten, Genres, Themen oder Formate. Und es gibt keine Residenzpflicht und keine Deadline für die eigene Abschlussausstellung. Damit sind die Stipendien wahrhaft frei, denn das Förderprinzip des Cusanuswerks, auf die Individualität der einzelnen Persönlichkeit zu setzen, kommt hier zum Tragen. Gerade weil diese Auszeichnungen nicht auf irgendeinen Repräsentationswunsch eines Geldgebers beruhen, sind sie so beliebt.

 

Wie wird das Georg-Meistermann-Stipendium vergeben?

Alle zwei bis drei Jahre werden alle Stipendiatinnen und Stipendiaten der Grundförderung eingeladen, sich nach Abschluss ihrer Studien um das Stipendium zu bewerben. Vergeben werden die Stipendien im Rahmen von Absolventenausstellungen, die an möglichst prominenten Orten stattfinden, unter anderem im Museum Folkwang Essen oder in der Leipziger Baumwollspinnerei. Im Zentrum steht die von den teilnehmenden Künstlerinnen und Künstlern unter fachkundiger Betreuung eigenständig und kooperativ kuratierte Ausstellung. Die dort gezeigten Arbeiten werden ergänzt durch eingereichte Mappen zur Dokumentation der künstlerischen Entwicklung. Eine Fachjury aus fünf renommierten Kunstprofessorinnen bzw. -professoren wählt unter Beteiligung des Leiters des Cusanuswerks und eines Vertreters des Vereins Ausstellungshaus für Christliche Kunst aus jeweils etwa 20 Bewerberinnen und Bewerbern die Preisträgerinnen und Preisträger aus. Dabei ist das Verhältnis Frauen – Männer bei den Bewerbungen wie bei den vergebenen Stipendien sehr ausgewogen.

 

Wie will das Georg-Meistermann-Stipendium den Einstieg in den Kunstmarkt erleichtern?

Keineswegs geht es um marktkonforme, passgenaue Profile. Oft werden für die Förderung Kunstschaffende ausgewählt, die nicht im Mainstream liegen, sich aber durch Eigenständigkeit, Differenzierungsvermögen, Fähigkeit zur Kritik und Selbstkritik auszeichnen. Die zwei Jahre freiester Entwicklungsmöglichkeiten, aber zweifellos auch das begleitende Bildungsprogramm fördern Selbstvertrauen, Zuversicht und Durchhaltevermögen, aber auch die Reflexion des eigenen Weges, Flexibilität und Verantwortungsbewusstsein. Durch den Gemeinschaftsbezug der ideellen Förderung sollen Menschen mit ausgeprägten Profilen auch über die nötigen Ressourcen und die Resilienz verfügen, im Kunstmarkt zu bestehen. Im Rahmen des Auswahlprozesses, der Absolventenausstellung und ganz besonders der eigenen Einzelausstellung am Ende der Förderzeit bieten sich immense Möglichkeiten des Netzwerkens und der Kontaktfindung. Ganz entscheidend ist aber die Möglichkeit, völlig autonom das eigene Werkprofil weiterzuentwickeln oder zu diversifizieren – und im besten Falle ein Ensemble von Arbeiten zu schaffen, mit dem man sich auf den Markt wagen kann. Man hat nun Freiheit und Möglichkeiten, Kontakte zu Galeristen zu knüpfen und eine strategische Planung des eigenen Weges ins Auge zu fassen. Das Georg-Meistermann-Stipendium unterstützt die Begabtesten unter den Begabten der Künstlerförderung, die prekäre Übergangszeit vom „geschützten“ Raum der Akademie in die „freie“ Existenz zu meistern, und entlastet von finanziellen Zwängen. Und es hilft dabei, die eigene Emanzipation von Lehrerpersönlichkeiten und „Schulen“ voranzutreiben. Die gesamte Gruppe der Absolventen wird durch intensive Öffentlichkeitsarbeit und die Inszenierung der Absolventenausstellung als Event von großer Sichtbarkeit „vermarktet“. Immer wieder kommt es vor, dass Arbeiten direkt aus unseren Auswahlausstellungen heraus verkauft werden, oder dass Künstler von Galerien kontaktiert werden.

 

Welche Rolle kommen insbesondere Stipendien für graduierte Künstlerinnen und Künstler im deutschen Kunstmarkt zu?

Hierzu gibt es nach meiner Kenntnis keine validen Daten. Die Erfahrungen aus 27 Jahren Georg-Meistermann-Stipendium lassen aber eine Aussage sicher erscheinen: Da gerade im Kunstbetrieb bei dynamischer Kriterienbildung und volatiler Marktentwicklung sich Gremien, Galerien – und natürlich Käuferinnen und Käufer nicht selten an bereits vorhandenen Auszeichnungen und anderen Qualitätsmarkern orientieren, ist gerade die erste Förderung und Auszeichnung so enorm wichtig. Sie hilft zweifellos, sich zu etablieren und eine Position zu erobern.

Die Gefahr, dass sich ganze Künstlerlaufbahnen durch Stipendien finanzieren, besteht meiner Meinung nach kaum; dazu sind die Möglichkeiten insgesamt zu spärlich, jedenfalls für freie Köpfe, die den Spagat zwischen dem Zwang, Abnehmer zu finden, und dem Willen, autonom zu schaffen, nicht einseitig durch Opportunismus beenden wollen. Da bei den durchaus prekären Bedingungen auf dem freien Markt auch Disziplin, Ausdauer und, ja, Fleiß gefragt sind, haben die Komponenten der ideellen Förderung im Cusanuswerk eine besondere Relevanz.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2020-01/2021.


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