„Im Vordergrund steht Effizienz“
Das internationale Online-Kunstnetzwerk artnet
artnet bietet Sammlern und Kunstexperten umfassende Informationen zum Kunstmarkt. Mit dem Ziel, Transparenz in den Kunstmarkt zu bringen, wurde artnet 1989 gegründet. Was sich seitdem verändert und inwieweit das Online-Kunstnetzwerk den Kunstmarkt revolutioniert hat, berichtet artnet-Chef Jacob Pabst im Gespräch mit Maike Karnebogen.
Maike Karnebogen: Herr Pabst, artnet wurde bereits 1989 gegründet – mit welchem Grundgedanken?
Jacob Pabst: artnet wurde – von einem Künstler und einem Kunsthändler – mit dem Ziel gegründet, den Kunstmarkt mithilfe von Technologie zu verbessern. Der Grundgedanke bestand darin, die vielen Ineffizienzen im Markt zu beseitigen und eine Preistransparenz herzustellen. Vorher gab es keinen einfachen Zugang zu Preisinformationen. Kunstwerke werden größtenteils über Galerien oder Auktionshäuser verkauft. Wenn man sich für einen bestimmten Künstler interessiert hat, war man damals, vor 1989, gezwungen, von Auktionshaus zu Auktionshaus zu gehen und sich alle Informationen über die Jahre zusammenzusammeln. artnet hat das für die Kunden übernommen und die Ergebnisse in einer Datenbank abgespeichert. So kann man sehen, wie ein Künstler sich entwickelt hat.
Was macht artnet mittlerweile aus? Worin besteht das Kerngeschäft?
Neben der Price Database liegt der Hauptbereich heute bei den Transaktionen – die Möglichkeit für unsere Kunden, Werke zu veräußern. Wenn man im Kunstmarkt etwas verkaufen möchte, macht man das über einen befreundeten Galeristen oder ein Auktionshaus. Doch Auktionen finden nicht so häufig statt und sind teuer. Es kommt nicht selten vor, dass man, wenn man etwas verkauft, acht Monate auf sein Geld warten muss und 30 bis 40 Prozent Transaktionskosten hat. Bei uns finden Auktionen jeden Tag statt, man bekommt sein Geld in-nerhalb von vier, fünf Wochen – und das Ganze zu sehr viel geringeren Kosten. Zudem bieten wir Galerien die Möglichkeit, ihr Inventar und ihre Ausstellungen bei uns mit kleinen Micro-Webseiten zu präsentieren – ganz ähnlich wie bei einer Kunstmesse, nur virtuell. Die Vorteile: Sie findet das ganze Jahr über statt, ist sehr viel günstiger und ein größeres Publikum wird erreicht.
Wie würden Sie die Zielgruppe von artnet beschreiben?
Besonders genutzt werden wir von Sammlern und von Profis, die in Auktionshäusern, Galerien, Museen arbeiten.
Wie beeinflusst die Digitalisierung traditionelle Geschäftsmodelle im Kunstmarkt? Inwieweit hat artnet den Kunstmarkt revolutioniert?
Das Internet hat natürlich sehr, sehr viele Vorteile. Früher war man als Sammler oder als Käufer auf die Informationen angewiesen, die man sich zusammensuchen konnte. Mittlerweile ist die Preistransparenz vollständig hergestellt. Dies führt dazu, dass alles besser überprüft werden kann und Preise nicht einfach grundlos in die Höhe schießen können. Ein weiterer Vorteil der Digitalisierung ist die Größe des Publikums, das erreicht wird. Vor allem für jüngere Galerien oder Künstler ergeben sich dadurch Möglichkeiten, da die Fokussierung nicht mehr allein auf den bekannten hochpreisigen Künstlern liegt.
Der digitale Kunstmarkt hat viele Vorteile. Welche Schwierigkeiten bringt er aber auch mit sich?
Die Schwierigkeit bei den Online-Transaktionen bestand anfänglich darin, die Gewohnheiten der Marktteilnehmer zu ändern. Die großen Auktionshäuser haben sehr starke Anziehungskraft und große Markennamen – und die Presse unterstützt das, indem sie von Rekordergebnissen berichtet. Das ist einerseits eine Frage der Gewohnheit, andererseits auch eine Generationsfrage. Die Tatsache, dass man die Kunstwerke nicht sehen kann, spielt dabei eine Rolle. Dies betrifft aber nur den Primärmarkt, weil man sich bei jungen Künstlern, die am Anfang ihrer Karriere stehen, lieber selbst ein Bild von dem Material machen möchte. Da ist die Technologie noch nicht so weit, dass das ohne physische Präsenz geht. Große Auktionshäuser veranstalten natürlich immer ein Riesen-Brimborium um eine Auktion: Es wird zu einer Party eingeladen, überall wird Champagner ausgeschüttet. Das ist etwas, was wir nicht kopieren können, aber gleichzeitig nur für eine bestimmte kleinere Auswahl an Leuten interessant ist. Bei uns steht die Effizienz im Vordergrund.
Worin sehen Sie die aktuellen Herausforderungen für den Kunstmarkt?
Hauptthema ist die Coronakrise. In den ersten neun Monaten sind die Umsätze der Auktionshäuser um fast 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr runtergegangen. Das ist natürlich gigantisch. Ab März mussten die meisten Galerien schließen, die generell schon mit sehr hohen Kosten zu kämpfen haben: Immobilien oder Ausstellungsräume müssen bezahlt werden, auf immer mehr Kunstmessen müssen sie Präsenz zeigen. Die Coronakrise hat das noch mal verschärft. Natürlich sind auch die Museen und Kunstmessen, die größtenteils ausgefallen sind, betroffen. Die Pandemie hat den gesamten Kunstmarkt in große Schwierigkeiten gebracht.
Inwieweit profitieren Sie in der Coronakrise von dem digitalen Geschäftsmodell? Sind Ihre Nutzerzahlen gestiegen?
Wir merken einen beachtlichen Anstieg der Nutzerzahlen – in den ersten neun Monaten 40 Prozent zum Vorjahr; in einigen Bereichen sogar noch mehr. Auf unserem Nachrichtendienst artnet News haben wir einen Besucheranstieg von fast 60 Prozent. Bei den Transaktionen liegen wir per Ende September 20 Prozent über dem Vorjahr, im dritten Quartal belief sich der Zuwachs auf rund 40 Prozent, weil die Leute gezwungen sind zu verkaufen. Und jetzt, wo alle Galerien, Messen und Auktionshäuser zu sind, geht das nur online. Das ist etwas, was wir als einen Wendepunkt für das gesamte digitale Geschäft im Kunstmarkt sehen: Die volle Konzentration richtet sich auf den Onlinemarkt – die Leute gewöhnen sich daran. Andere Bereiche laufen nicht so gut, wie z. B. die Anzeigenerlöse, da viele unserer Kunden auch unter der Krise leiden.
artnet ist eine deutsche Firma mit Sitz in Berlin, Sie leiten das operative Geschäft aus New York. Ist der Kunstmarkt per se international?
Der Kunstmarkt besteht aus ganz vielen nationalen Kunstmärkten. Dann gibt es natürlich einen globalen Markt, der größte ist Amerika, gefolgt von China. Dort besteht nach wie vor ein großes Interesse an nationalen Künstlern, aber die Nachfrage westlicher Kunst nimmt stetig zu. Danach kommt Europa, angeführt von England, Frankreich, Deutschland und der Schweiz.
Vielen Dank.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2020-01/2021.
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