Harald Falckenberg & Theresa Brüheim - 2. Dezember 2020 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kunstmarkt

„Das Kulturgutschutzgesetz ist ein bürokratisches Monstrum“


Vom Kunstsammeln und den Gesetzen zum Kulturgutschutz

Jurist, Unternehmer, Inhaber des Verlags für Kunsttheorie Philo Fine Arts und Autor, steht in der Biografie Harald Falckenbergs, aber auch Kunstsammler und Vorsitzender des Vereins Kunstsammler e. V. Die Sammlung Falckenberg umfasst rund 2.000 zeitgenössische Kunstwerke mit Schwerpunkt auf deutscher und amerikanischer Gegenwartskunst der letzten 30 Jahre. Dazu zählen Arbeiten der Künstler Werner Büttner, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, John Bock, Christian Jankowski, Jonathan Meese und anderer.

Im Zuge des Kulturgutschutzgesetzes kam Falckenberg mit anderen bedeutenden deutschen Kunstsammlern zusammen. Der Kunstsammler e. V. gründete sich am 23. Februar 2016, um Sammlern eine Stimme in der Kulturpolitik zu geben. Theresa Brüheim spricht mit Harald Falckenberg über Kunstsammeln und Counter Culture sowie über die Gründung des Vereins Kunstsammler e. V., dessen Selbstverständnis und das Kulturgutschutzgesetz.

 

Theresa Brüheim: Herr Falckenberg, Sie haben erst mit 50 Jahren mit dem Kunstsammeln begonnen. Wie kam es dazu?

Harald Falckenberg: Erst mit 50 Jahren? Es ist schon schwierig genug zu sagen, warum man sich überhaupt intensiv mit bildender Kunst beschäftigt. Willem de Kooning wich lästigen Grundsatzgesprächen zu diesem Thema mit der lakonischen Antwort aus: „It´s all about freedom.“ Diesen Satz kann ich als Sammler ab 50 nur unterschreiben und aus psychoanalytischer Sicht mit der so süffisanten wie treffenden Betrachtung Sigmund Freuds ergänzen: Wenn ein Kind früh Schritt für Schritt aus der Obhut der Mutter entlassen wird, muss es die große Leere des Lebens mit Teddybären, Plüschtieren und Spielzeug aller Art kompensieren. Wird diese Person älter, aber nicht erwachsen, dann sammelt sie Kunst.

 

Als Sie 1994 mit dem Sammeln begannen, war der Kunstmarkt am Boden.

Klar, das war für Sammler ein Vorteil. Auslöser für den Zusammenbruch des Kunstmarkts innerhalb weniger Monate Anfang 1990 nach zehn Jahren Kommerz war die Krise des japanischen Immobilienmarkts. Aber man war auch erleichtert. Endlich ging es wieder nicht nur um Preise, sondern um Inhalte der Kunst. Über Werner Büttner und den Direktor des Hamburger Kunstvereins Stephan Schmidt-Wulffen fand ich den Zugang zu den aktuellen Fragen der Gegenwartskunst. Repräsentationskunst im klassischen Verständnis des Wahren, Schönen und Guten war abgelöst. Es ging um das Konzept einer Counter Culture von Künstlern und Rebellen, die sich dem Mainstream der globalen Vermarktung von Kunst widersetzen.

 

Sie haben sich dann rasch spezialisiert. Das trug seinen Teil dazu bei, dass Ihre Sammlung schnell von Art News zu den 200 besten Kunstsammlungen der Welt gezählt wurde.

Ich gebe nicht viel auf Listen. Andererseits ist Counter Culture ein klares Konzept und deshalb war ich glücklich über die internationale Anerkennung, allem voran der Künstler. Wenn man sich mit gesellschaftlich orientierter politischer Kunst beschäftigt, muss man sich mit der Sammlung der Öffentlichkeit stellen. Es ist keine Kunst, die man im stillen Kämmerchen behält. Das war nie mein Ansatz.

 

Sie sind Vorsitzender des Kunstsammlervereins, der 2015 im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Kulturgutschutzgesetz, kurz KGSG, gegründet wurde. Wie kam es dazu?

Ich bin nicht nur Unternehmer, sondern auch Jurist. Zwölf Jahre lang war ich ehrenamtlicher Verfassungsrichter in Hamburg. Das Kulturgutschutzgesetz ist ein bürokratisches Monstrum. Es gab nicht weniger als drei Referentenentwürfe. Aufgrund der heftigen Proteste im Kunsthandel und bei den Sammlern kam es zu weit mehr als 50 Neufassungen der Entwürfe. Es folgten massive Einwände vom Bundesrat und vom Normenkontrollrat des Bundeskanzleramts hinsichtlich der Kosten. Künstler und Sammler wurden nicht angehört, soweit sie nicht in Verbänden organisiert waren. Und so war es Monika Grütters, die mir den Ratschlag gab: „Herr Falckenberg, wenn die Sammler bei den Gesetzesentwürfen mitmachen wollen, müssen sie sich organisieren.“ Das war das Signal zur Gründung des Kunstsammlervereins.

 

Wie definieren Sie die Aufgabenbereiche des Vereins?

Der Kunstsammler e.V. ist ein gemeinnütziger Verein mit inzwischen 85 Mitgliedern, die mit den Jahresbeiträgen und Spenden Projekte junger Gegenwartskunst der Museen und Akademien der Künste nachhaltig unterstützen. Im Mittelpunkt der Aktivitäten des Kunstsammlervereins steht aber nach wie vor die Auseinandersetzung mit dem KGSG. Es hat eine Reihe von Symposien und Informationsveranstaltungen zu den Entwicklungen des Gesetzes gegeben, die in Broschüren dokumentiert sind.

 

Im kommenden Jahr steht die Evaluierung des KGSG an. Welche aktuellen Fragen stellen sich?

Es geht vor allem um zwei Fragen. Erstens: Die EU-Einfuhrverordnung ist 2019 verabschiedet worden und in Kraft getreten. Sie geht als Europarecht dem KGSG vor, soll aber erst nach Fertigstellung eines elektronischen Systems zur Abwicklung der Einfuhr Jahre später, spätestens im Juni 2025, zur Anwendung kommen. Ein verfassungsrechtliches Kuriosum. Nach dem KGSG ist die rechtswidrige Einfuhr – in vielfacher Weise bußgeld- und strafbewehrt – unabhängig von Alter und Wert des Kulturguts verboten. Und das mit weitreichenden Folgen, da nach dem KGSG rechtswidrig eingeführte Kulturgüter weder in Deutschland in den Verkehr gebracht noch ausgeführt werden dürfen. Nach der EU-Verordnung ist demgegenüber im Regelfall die Einfuhr von Kulturgütern unter 200 Jahren und 18.000 Euro erlaubt. Zweitens befassen wir uns natürlich mit der Evaluierung des KGSG. Bei der ersten Evaluierung vor drei Jahren war nur die Verwaltung zu einer Stellungnahme zum Bürokratieaufwand aufgefordert. Nun, bei der zweiten Evaluierung bis August 2021, können der Handel und die Sammler ihre Erfahrungen mit dem KGSG einbringen. Die Befragung wird in einem komplizierten Online-Verfahren abgewickelt.

 

Ein vorläufiges Fazit aus Sicht der Kunstsammler?

Es wurde versprochen, dass das KGSG nur umsetzt, was ohnehin in der EU schon gang und gäbe wäre. Das war von Anfang an nicht richtig. Spätestens jetzt mit der EU-Einfuhrverordnung kann diese Legende begraben werden. Das KGSG ist voller Widersprüche und Fallstricke. Es ist in hohem Maße bedauerlich, feststellen zu müssen, dass Kunstsammeln heute nur noch mit Unterstützung von Juristen möglich ist. Dabei geht es um Grundrechte und es sind eine Reihe von Verfassungsbeschwerden anhängig, die darüber zu entscheiden haben, ob die Eingriffe mit dem Föderalismusprinzip vereinbar, überhaupt – selbst für Juristen – verständlich und am Ende verhältnismäßig sind. Eines möchte ich für den Kunstsammlerverein am Ende betonen. Die Kunstsammler stehen zum Schutz des Kulturerbes, wie er in Deutschland in der Reichsverordnung von 1919, im Bundesgesetz von 1955 und der Übernahme der UNESCO-Konvention 2007 umgesetzt und akzeptiert worden ist. Für Verschwörungstheorien ist kein Raum. Dem Kunstsammlerverein geht es um das KGSG mit seinen mittel- und langfristig verheerenden Auswirkungen auf den Kulturstandort Deutschland.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2020-01/2021.


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