Felix Falk - 1. September 2017 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturgut Computerspiele

Spiele-Blockbuster: Made in Germany?


Deutschland muss mehr sein als ein Absatzmarkt für Games

Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet die gamescom in Köln! Diese Schlagzeile und der damit verbundene Besuch der Kanzlerin honorieren nicht nur die beispiellose Erfolgsgeschichte der gamescom als weltweit größtes Event für Computer- und Videospiele, sondern unterstreichen auch die Bedeutung von Games als Kultur- und Wirtschaftsgut. Mit ihrem Interesse an der Games-Branche steht Frau Merkel dieses Jahr nicht allein: Erstmalig haben sich die Generalsekretäre und Bundesgeschäftsführer von CDU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und FDP für die gamescom angekündigt. Sie werden mit der Wahlkampf-Arena den gamescom congress eröffnen und rund vier Wochen vor der Bundestagswahl Stellung zu Games und aktuellen politischen Themen beziehen. Als Verband der deutschen Games-Branche freut es uns sehr, dass sich die Politik inzwischen so intensiv mit Computer- und Videospielen auseinandersetzt. Schließlich geht es nicht nur um eines der innovativsten Medien und einen wachsenden Markt, sondern auch – die richtigen Rahmenbedingungen vorausgesetzt – um einen Technologietreiber und Jobmotor für den Industriestandort Deutschland.

 

Im vergangenen Jahr wurden im deutschen Gesamtmarkt für Games über 2,9 Milliarden Euro umgesetzt. Besonders das Wachstum der Spiele-Apps sticht hervor: Der Umsatz mit Spielen für Smartphones und Tablets ist im vergangenen Jahr um 30 Prozent auf 409 Millionen Euro gestiegen. Mitverantwortlich für diesen Erfolg ist das Free-to-Play-Geschäftsmodell, das heute sowohl vielen Spiele-Apps als auch Browser- sowie Online-Games zugrunde liegt. Free-to-Play-Spiele können kostenlos gespielt werden, Geld wird von Spielern nur für optionale Inhalte wie zusätzliche Level oder eine individuelle Gestaltung der Spielfigur ausgegeben. Die allermeisten Nutzer zahlen nie und die, die Zusatzinhalte kaufen, geben im monatlichen Durchschnitt rund 13 Euro aus – so viel wie für einen Kinobesuch. Dennoch konnte 2016 mit dem Verkauf solcher virtuellen Güter und Zusatzinhalte für Spiele auf PC, Konsole sowie Smartphones und Tablets ein Umsatzwachstum von 17 Prozent auf insgesamt 659 Millionen Euro erzielt werden. Das Free-to-Play-Modell ist ein Beispiel für die Innovationskraft der Games-Branche, neue Lösungen zu finden, um auf die Wünsche der Spieler und die sich rasant verändernde Medienlandschaft zu reagieren. Das sich ständig erweiternde Spektrum an Spiele-Angeboten schlägt sich auch in den Spielerzahlen wieder: Die Hälfte der Menschen in Deutschland spielen Computer- und Videospiele und fast die Hälfte davon sind wiederum Frauen. Dass Games dank niedrigen Einstiegshürden und intuitiver Bedienbarkeit für immer mehr Menschen attraktiv sind, unterstreichen zudem die stetig wachsenden Spielerzahlen in der Altersgruppe 50 plus. Die Zahl der über 50-jährigen Spieler wuchs innerhalb von nur zwölf Monaten um eine halbe Million auf 8,7 Millionen Menschen.

 

Noch nie war das gemeinsame Spielen so einfach und vielfältig wie heute. Das stellte auch die diesjährige gamescom mit ihrem Leitthema „Einfach zusammen spielen“ in den Mittelpunkt. Egal ob auf dem heimischen Sofa, per Internet mit Menschen aus aller Welt oder unterwegs mit Smartphone, Tablet oder der neuen Nintendo-Konsole Switch: Das gemeinsame Spielen und Erleben von Geschichten bestimmt das Bild von Games stärker denn je. Die soziale Dimension von Games zeigt sich auch in der Welt des E-Sports, in der internationale Turniere inzwischen zehntausende Besucher in die größten Arenen der Republik locken. Mit der steigenden Popularität nimmt auch die Professionalisierung von E-Sports zu und damit beispielsweise die Wahrnehmung in Wirtschaft und Politik. Was die Spiele selbst angeht, wird aktuell vor allem Innovation bei Technologie und Spieldesign großgeschrieben. Neue Games bieten dank besserer Bildqualität durch 4K-Auflösung und erhöhtem Kontrastumfang noch beeindruckendere und lebendigere Spielewelten. Außerdem verspricht die nächste Generation an Virtual-Reality-Produktionen spannende neue Formate und Spielideen. Ein Trend, der auch die Vorreiterrolle von Games für Digitalwirtschaft und audiovisuelle Medien unterstreicht.

 

Leider bleibt hierzulande das Potential der Games-Branche in weiten Teilen immer noch ungenutzt. Auch wenn Deutschland einer der größten Absatzmärkte für Games in Europa ist, drohen wir als Produktionsstandort international den Anschluss zu verlieren. Von 100 Euro, die im vergangenen Jahr für Games und Zubehör in Deutschland ausgegeben wurden, entfielen lediglich 6,40 Euro auf deutsche Entwicklungen. Zum Vergleich: Im Kino hat der deutsche Film fast 30 Prozent Marktanteil. Zwar gibt es großartige Games aus Deutschland, aber für eine international konkurrenzfähige Entwicklerszene mangelt es an den notwendigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und ganz konkret an einer substantiellen Produktionsförderung auf Bundesebene. Der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) hat mehrere Vorschläge für solch eine Förderung vorgelegt, unter anderem auch das Konzept einer steuerbasierten Games-Förderung, die die Produktionskosten von Games verringern würde. Insgesamt würde Deutschland so wieder an Attraktivität als Standort für die Spiele-Entwicklung gewinnen und mehr sein als nur ein Absatzmarkt für Produkte aus anderen Regionen. In ein bis zwei Jahren könnte die deutsche Bundeskanzlerin oder der deutsche Bundeskanzler zur Eröffnung der gamescom dann vielleicht auch gleich den neusten internationalen Spiele-Blockbuster aus Deutschland ausprobieren.

 

Der Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2017.


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