Timm Walter - 1. September 2017 Kulturrat_Logo_72dpi-01

Kulturgut Computerspiele

Das Hobby zum Beruf machen


Eine Karriere in der Games-Branche

Zwischen 35 und 40 Prozent der Deutschen spielen gelegentlich oder regelmäßig digitale Spiele. Quer verteilt über alle Altersgruppen beträgt der Altersdurchschnitt ca. 35 Jahre, wobei die Gruppe der Ü-30-Jährigen das stärkste Wachstum verzeichnet. Fast die Hälfte aller Spieler ist weiblich, und es wird in allen Bildungsschichten und fast überall, auch immer mehr mobil, gezockt.

 

2016 gaben die Deutschen knapp drei Milliarden Euro für Computer- und Videospiele aus. Tendenz steigend ist das eine Summe, die bei den zuvor erwähnten Zahlen kaum überrascht. Schaut man sich gar den internationalen Markt an, so zählt die Games-Branche mit knapp 100 Milliarden Dollar Umsatz zu der am stärksten und schnellsten wachsenden Mediengattung, die mittlerweile sehr nah an die Film- und Musikindustrie heranrückt. Nicht nur deswegen lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die beruflichen Möglichkeiten, speziell in Deutschland, zu werfen.

 

Und auch hier gibt es Daten: 2017 geht man von insgesamt ca. 28.500 in der Branche beschäftigen Personen aus. Wobei hier zu erwähnen ist, dass „nur“ knapp 11.100 davon direkt bei Entwicklern oder Publishern tätig sind. Der Rest der fast 30.000 Beschäftigten teilt sich auf Handel, Dienstleister, Medien, Hochschule und andere mit der Branche verknüpfte Sektoren auf. Und man muss festhalten, dass 2016 noch über 31.000 Personen in der Branche gearbeitet haben, sich die Anzahl der Beschäftigten innerhalb eines Jahres also um neun Prozent (im direkten kreativschaffenden Bereich sogar um 13 Prozent) verringert hat.

 

Während die Zahlenlage ein eher ambivalentes Bild zeichnet, lohnt trotzdem ein genauerer Blick auf die Situation vor Ort: Welche Chance haben junge Menschen, die in der Games-Branche arbeiten wollen, überhaupt, um in dieser Fuß zu fassen? Kurz und knapp: Eine viel bessere als noch vor wenigen Jahren. Etwas ausführlicher lässt sich festhalten, dass sich vor allem die Ausbildungssituation vor Ort enorm verbessert hat. Musste die Industrie in ihren Anfängen in den 1980er und 1990er Jahren noch auf Quereinsteiger oder maximal Informatiker mit Gaming-Affinität zurückgreifen, gibt es mittlerweile zahlreiche private und staatliche Studiengänge. Neben Zertifikaten anerkannter privater Bildungseinrichtungen bieten auch immer mehr Fachhochschulen und Universitäten Studiengänge speziell für Gamedesigner oder -producer an, die ihre Absolventen letztlich mit einem international gültigen Bachelor- oder Masterabschluss in die Arbeitswelt entlassen. Und auch erste von der Industrie- und Handelskammer (IHK) zertifizierte Ausbildungsberufe und Fortbildungsseminare finden sich mittlerweile als ernsthafte Alternative für Brancheninteressierte.

 

Gamedesigner, Grafikdesigner, Concept Artist, Producer, Programmierer, Director, Leveldesigner, Character Artist, Coder, Studio- oder Projektmanager – die Möglichkeiten innerhalb der Branche sind schier unendlich. Während die Ausbildung von privat über staatlich also mittlerweile kaum einen Wunsch offen lässt, gestaltet sich der Einstieg in die Arbeitswelt jedoch ungleich schwerer. Dafür kann man mehrere Faktoren als Ursache benennen, ein Grund mag aber zweifelsohne die generell geringe Anzahl an Beschäftigten im Vergleich zum doch recht hohen Umsatz sein, welche durch den Einbruch der Beschäftigtenzahlen im letzten Jahr noch einmal geschrumpft ist.

 

Auch ist es schwer, in bereits laufende Projekte einzusteigen; vor allem, wenn diese bereits über einen längeren Zeitraum von einem eingespielten Team gestemmt werden. Generell ist die stark projektbezogene Arbeit während der Entwicklung nicht gerade förderlich für dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse. So leisten sich viele Studios während der Hochphase einer Entwicklung signifikant mehr Mitarbeiter als nach dem Release. Schließlich benötigt man für die Produktpflege eines veröffentlichten Spiels weitaus weniger Ressourcen als während seiner Entstehung und bis eine Finanzierung für das nächste Projekt gefunden ist, kann auch einige Zeit verstreichen.

 

Finanzierung ist generell ein gutes Stichwort. Denn die zuvor genannten Zahlen trügen etwas, da Deutschland hauptsächlich Absatzmarkt und weniger Produktionsstandort ist. Gerade einmal drei bis fünf Prozent der erwirtschafteten drei Milliarden Euro werden auch tatsächlich in der Bundesrepublik produziert und so sind große Studios eher die Ausnahme als die Regel und echte Global Player mit mehreren hundert Mitarbeitern wie wir sie z. B. in Kanada oder Frankreich vorfinden, sucht man hierzulande auch vergebens.

 

Das ist aber nur bedingt negativ zu se­hen, hat sich Deutschland in den letzten Jahren doch einen Namen als Standort für Independent Produktionen erarbeitet: Kleine Teams mit kleinen bis mittleren Projekten, welche sie in Eigenregie vertreiben. Begünstigt wird dies durch das Fortschreiten des digitalen Vertriebes und den verstärkten Netzausbau, welcher dafür sorgt, dass Teams ortsungebunden und ohne sich jemals begegnet zu sein, erfolgreich an Titeln arbeiten können. Natürlich ist hier, wie auch bei den großen Studios, der Erfolg nicht sicher und das Eigenrisiko ist höher, aber man hat auch die Möglichkeit, sich selber zu verwirklichen.

 

Klar ist, dass sich die Games-Branche innerhalb der letzten Jahre merklich entwickelt hat und ihr Potenzial nicht ansatzweise ausgeschöpft ist. Auch wenn man mit Rückschlägen und den für die Kultur- und Kreativbranche nicht unüblichen Widrigkeiten zu kämpfen hat, so lohnt es doch, unsere Branche genauer im Auge zu behalten. Wirtschaftlich als auch kulturell ist hier nämlich – auch in Deutschland – noch viel mehr möglich.

 

Der Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2017.


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